Kosovo – Umkämpfte Region

Politik

Veranstaltungsdaten

Datum
10. 3. 2020
Veranstalter
Aktionsradius Wien
Veranstaltungsart
Podiumsgespräch

Für den März 2020 setzte sich der Aktionsradius Wien das Kosovo zum Thema. Der Historiker Mag.Dr. Robert Pichler moderierte ein Podiumsgespräch mit den Autoren Dr. Hannes Hofbauer (Experiment Kosovo) und Mag.Dr. Thomas Schmidinger (Kosovo – Geschichte und Gegenwart eines Parastaates).

Um das Kosovo zu verstehen sei eine historische Untersuchung unumgänglich, so Robert Pichler. Hier müsse man vor allem auf die Periode des Endes der osmanischen Herrschaft und der Entstehung der Nationalstaaten auf dem Balkan besonderes Augenmerkt legen. Ethnische und kulturelle Zugehörigkeit bildeten die Basis des aufkeimenden Nationalismus. Im Kosovo kommt noch der religiöse Konflikt hinzu, der bis heute eine wesentliche Rolle spielt. Über die bis heute unzureichend geklärten Wirren des zweiten Weltkrieges und das darauffolgende Spannungsverhältnis zwischen Albanien und Jugoslawien landet Pichler beim Zerfall Jugoslawiens und der Rolle, die das Kosovo dabei spielte.

Seit 1986 befasst sich Hannes Hofbauer mit der Region, und stellt für sich fest, dass das Kosovo in den letzten 3 Jahrzehnten auf unterschiedlichen Ebenen durch die westlichen Kolonisatoren übernommen wurde. Durch die Wahlen Ende 2019 kam es zu einer politischen Wende: eine linksnationalistische, antiserbische Partei stellt seit Kurzem mit Albin Kurti den Ministerpräsidenten – und dieser setzte sich bereits gegen externe Einmischungen (vor allem durch die USA) lautstark zur Wehr. Hofbauer beschreibt die jüngere Geschichte seit 1998, die zum heutigen de facto Kolonialstatus führte.

Der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger sieht in den Positionen und Stellungnahmen zu den Konflikten rund um den jugoslawischen Zerfallsprozesses ein Totalversagen der europäischen Linken: nur wenige positionierten sich neutral gegen Kriege aller Art. Mit Parastaat meint Schmidinger ein staatsähnliches Gebilde (das Kosovo wird nur von etwas über der Hälfte aller UNO-Mitglieder anerkannt), dessen Zukunft ungewiss sei. Schmidinger sieht militärische Interventionen unter gewissen, klar definierten und überprüfbaren Voraussetzungen (zB drohender Genozid) als legitim; so zB war eine Intervention gegen den sogenannten Islamischen Staat zu Gunsten der Jesiden berechtigt.

Weitere Fragen, mit denen sich das Podium untereinander und mit dem Publikum befasst, sind die größeren weltpolitischen Zusammenhänge des Jugoslawienkonflikts und der Vorwand, humanitäre Gründe würden Eingriffe in anderen Ländern rechtfertigen. Auch werden der damalige Standpunkt der Grünen in Deutschland und Österreich, interessengeleiteter Interventionismus und seine ungewollten Folgen, die verfehlte Politik der EU, die Rolle des Islam und viele Details der Konflikte am Balkan ausführlich diskutiert.

Credits

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Kosovo Wolfgang Müller CC BY SA 4.0