Verteilungsgerechtigkeit und die Vermögensfrage – Eine Bestandsaufnahme

MONEY
Wirtschaft

Einkommens- und Vermögensunterschiede – so das derzeitige Credo unserer ökonomischen Ansichten – sind Motor und Motivation für unsere Wirtschaft.

Bis zu einem gewissen Grad mag das sogar stimmen. Ehrgeiz und gesunder Wettbewerb vermögen Menschen, die sich gerne mit anderen messen, zu hohen Leistungen anzutreiben; der egoistische Wunsch des einzelnen, andere zu übertreffen, führt somit insgesamt zu einer lebendigen und dynamischen Marktsituation. Wer hier sofort die Ansichten von Adam Smith heraushört, liegt richtig. Allerdings wird beim Zitieren seiner Arbeiten stets das Gewünschte herausgepickt und ein zentraler Punkt der Philosophie ausgelassen: Tatsächlich betont Smith nämlich unmissverständlich, dass es klare Grenzen gibt und der Markt seine selbstregulatorischen Eigenschaften dann verliert, wenn sich zu viel Kapital (und dadurch die Möglichkeit zur politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einflussnahme) in wenigen Händen konzentriert. Wie es aussieht, haben wir diesen Zustand längst erreicht:

62 gegen den Rest der halben Welt

Die globale Vermögensverteilung am Beispiel der Oxfam Studie vom Anfang des Jahres (2016) zeigte eine Ungleichheit, die man, ohne zu übertreiben nur noch als dystopisch bezeichnen kann.  62 der reichsten Menschen besitzen so viel Vermögen, wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammengenommen.  Dieses absurde Bild kann unser Verstand kaum in seiner gesamten Bedeutungstiefe erfassen: Ein Reisebus gefüllt mit 62 Personen verfügt im Kollektiv über jene Ressourcen, mit welchen die ärmeren 3.600.000.000 Menschen der Weltbevölkerung gemeinsam ihr Auslangen finden müssen.

In Österreich besitzen die oberen 5% der Bevölkerung 45% des Vermögens. Die unteren 50% der Bevölkerung unseres Landes müssen sich mit weniger als 4% des Gesamtvermögens begnügen.

Quelle: Oesterreichische Nationalbank: Fakten zur Vermögensverteilung in Österreich. 2012, S. 261.

Wer Kapital zur Verfügung hat, kann dieses vermehren und „für sich arbeiten lassen“. Wer dagegen jeden Monat knapp über die Runden kommt, hat keinerlei Handlungsspielraum und kann nichts Wesentliches aufbauen. So werden die Verhältnisse nicht nur zementiert, sondern verstärken sich als Selbstläufer noch. Geld zieht mehr Geld an, die Armutsfalle heißt deshalb nicht zufällig so.

  • Wohin verschwindet denn nun das viele Geld, das die größer werdende Masse von armutsbedrohten oder bereits in Armut lebenden Menschen erwirtschaften, aber nicht erhalten?
  • Warum stehen nicht nur sie, sondern auch ganze Staaten zunehmend unter ökonomischem Druck?

Interessant ist hier zum Beispiel der Verbleib von geschätzten 1.000 Milliarden Euro an Steuern, die Großkonzerne wie Starbucks, Ikea, Microsoft, Apple und Co. Jahr für Jahr teils völlig legal am Fiskus vorbeischieben dürfen. Um diese gigantische Summe in einen verständlichen Kontext zu bringen: Die entgangenen Steuerzahlungen würden reichen um alle vier Monate ein Land wie Griechenland komplett zu entschulden. Um dieser grotesken Situation die Krone aufzusetzen, gibt es aktuell Bestrebungen der irischen Regierung, eine Steuernachzahlung in der Höhe von 13 Millarden Euro – welche Apple von der EU aufgebrummt wurde – aus Angst um Irlands Standortattraktivität abzulehnen.

Der Weg des Geldes

In den Steueroasen liegen derzeit geschätzt über 21 Billionen Euro an Kapital geparkt: Das BIP der Europäischen Union beträgt derzeit im Vergleich knapp 15 Billionen Euro pro Jahr – wir sprechen hier von der gesamten Wirtschaftsleistung eines 500 Millionen Einwohner umfassenden Wirtschaftsraumes. Auch nicht außer Acht zu lassen, ist die Umverteilung durch Korruption, die mit viel zu großer Regelmäßigkeit und in einem viel zu großen Rahmen geschieht, um als Randerscheinung abgetan zu werden. Vielmehr scheint es sich um einen festen Bestandteil des Systems zu handeln.

Der entstandene Schaden am Beispiel der Hypo Alpe Adria:

Die 19 Milliarden Euro an Belastung für die österreichischen Steuerzahler würden beispielsweise ausreichen, um eine komplette neue Stadt mit über 100.000 Einwohnern mitsamt der benötigten Infrastruktur aus dem Boden zu stampfen.

Solange unsere Gesellschaft derart manövrierunfähig bleibt, wird sich daran nichts ändern – und wenn wir das Boot nicht von der Sandbank ziehen, wird es dort liegen bleiben, während wir allmählich darin verdursten …

Autorenteam: Serena Nebo & Nikolaus Manoussakis

Credits

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MONEY MONEY 401(K) 2012 CC BY-SA 2.0

Diskussion (Ein Kommentar)

  1. Feiner Artikel, der die Relationen gut veranschaulicht! Der über Mindestsicherungs- und Flüchtlingskosten schwadronierenden „kleine und mittlere Mann“ versteht diese absurde Ungleichverteilung in seiner Dimension nicht ansatzweise. Zahlen sind ihm zu abstrakt.