Antarkranti: Resozialisierungsprogramm für Strafgefangene

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Meinung

Nach meiner Teilnahme an einer Konferenz, die sich mit der Resozialisierung Strafgefangener befasste, stieg mein Interesse an diesem Thema stark an. Ich begann, nach Organisationen zu suchen, die sich in der Resozialisierung und Rehabilitierung Strafgefangener in Indien engagieren. Dabei traf ich auf Divya Jyoti Jagrati Sansthan; diese Organisation ist sehr aktiv und eine der ältesten auf diesem Gebiet. Sie startete ihre Initiative in diesem Bereich durch ihr Interventionsprogramm namens Antarkranti.

Divya Jyoti Jagrati Sansthan ist eine sozial-spirituelle Organisation aus Indien, deren Ziel das Erreichen von mehr Menschlichkeit und Frieden auf der Welt durch die innere Transformation eines jeden einzelnen Menschen ist. Ihr Gründer, Sri Ashutosh Maharaj Ji, hatte den festen Glauben, dass jeder einzelne Mensch wichtig sei und dass es vielfältige Anwendungsmöglichkeiten gebe für eine Umformung des Charakters durch die Kraft der Seele. Ich fand es sehr spannend, dass die Organisation ihre Bemühungen in eine Vielzahl unterschiedlicher Richtungen geführt hat, um jeden einzelnen Gesellschaftsbereich einzuschließen.

Da Strafgefangene ein untrennbarer Teil unserer Gesellschaft sind, begann die Organisation ihr Interventionsprogramm namens „Antarkranti“, um die Insassen der indischen Gefängnisse zu bessern, zu rehabilitieren und zu resozialisieren.

Das Wort „Antarkranti“ bedeutet in Hindi „innere Revolution“. Das Ziel des Programms ist es, in den Gefängnisinsassen die Bereitschaft und die Fähigkeit zu einer Selbstkorrektur zu erwecken. So soll sich die Bevölkerung in den Gefängnissen in eine nützliche Humanressource verwandeln, die als verantwortungsbewusste Individuen wieder in die Gesellschaft integriert werden kann.

Antarkranti wurde 1995 zunächst als Pilotprogramm im größten Gefängnis Indiens, dem Zentralgefängnis von Tihar, gestartet. Seitdem hat das Programm viele Gefangene in vierzig Strafvollzugsanstalten in ganz Indien erreicht. Ursprünglich begann es mit spiritueller Beratung, Einführung in göttliches Wissen und Drogenentzug; zudem wurden die Gefängnisinsassen motiviert, sich mit Musik und Yoga zu beschäftigen.

Die Auswirkungen des Programms stellten sich als bemerkenswert heraus, es erbrachte positive Veränderungen in der Denkweise und im Verhalten der teilnehmenden Personen. Diese außerordentlichen Veränderungen überzeugten die Strafvollzugsbehörden, der Organisation 1998 feste Räumlichkeiten innerhalb der Gefängnisanlagen zur Verfügung zu stellen. Seitdem hat die Organisation zahlreiche Gefangene erfolgreich mit der Spiritualität in Berührung gebracht.

Das Programm hat die spirituelle Erhöhung als Werkzeug zur Veränderung in die Aktivitäten integriert, die in allen indischen Gefängnissen durchgeführt werden.

Viele der Gefangenen, die mit der Organisation in Kontakt kamen und einen Prozess der Veränderung durchliefen, arbeiten jetzt selbst an einer Verbesserung der Gesellschaft: Sie haben die Verantwortung erhalten, andere Insassen dabei zu unterstützen, mit ihrem inneren Selbst in Kontakt zu treten und zu einem bedeutungsvollen Leben zu finden.

Durch einige Freiwillige des Programms erfuhr ich, dass dadurch innerhalb der Gefängnisse eine sehr friedvolle und erfreuliche Umgebung geschaffen werden konnte. Man kann Gefangene sehen, die in einem Ashram oder einem spirituellen Zentrum, das innerhalb des Gefängnisses eingerichtet wurde, sitzen und meditieren. Von den freiwilligen Unterstützern des Programms wird auch Yoga-Training für die Gefangenen angeboten, und es werden Musikabende organisiert, bei denen diese nicht nur teilnehmen, sondern auch selbst auftreten.

Die Freiwilligen erzählten mir, dass die meisten der Gefangenen zu Depressionen neigen, zu einer Stimmung der Hoffnungslosigkeit. Sie leiden unter Angst über ihre Zukunft nach der Entlassung und unter dem Verlust jeglicher Lebensmotivation, ihr Sinn für die Hingabe zu anderen Menschen lässt nach. Mehr noch, der Wunsch, nach der Entlassung ein neues Leben zu beginnen, vermindert sich unter den Gefangenen deutlich. In einer solchen Situation ist es wichtig, ihnen neue Hoffnung zu bringen, wenn man diese Menschen nach ihrer Entlassung in ein normales Leben führen will.

Eines der Ziele von Antarkranti als Resozialisierungsprogramm ist es daher, den Gefängnisinsassen, die glauben, dass ihnen das Leben nicht mehr viel zu bieten habe, einen neuen Lebenssinn anzubieten.

Wenn wiederholt straffällig gewordene Personen oder Schwerkriminelle nicht umgeformt werden, besteht das Risiko, dass sie ihre kriminellen Aktivitäten nach ihrer Entlassung sofort wieder aufnehmen. Ich habe keine Vorstellung über die Erfolgsrate bei der Besserung von Schwerkriminellen, doch ich glaube, dass auch kleine Schritte in die richtige Richtung sicherlich in naher Zukunft einen Weg zu den Zielen dieser Organisation ebnen könnten.

Die Herausforderung bei der Besserung eines Straftäters ist es, eine Veränderung zu erreichen, die auch in den ungünstigsten Situationen Bestand hat. Die Freiwilligen der Organisation erzählten mir, dass die meisten verurteilten Gefangenen in kurzen Phasen eine starke Einsicht in ihre Fehler mit Schuldgefühlen und Reue erleben. Die Herausforderung liegt darin, diese Einsicht dauerhaft zu machen und den Betroffenen so den Weg zu einer grundlegenden Veränderung zu ermöglichen. Es ist notwendig, den Gefangenen zu einer dauerhaften Bewusstseinsänderung zu verhelfen anstelle von kurzen Phasen der Einsicht und der Schuldgefühle.

Wir alle erleben Phasen der Einsicht in irgendwelche Fehler, die wir im Leben gemacht haben, doch selten sind diese Einsichten so stark, dass sie uns von einer Wiederholung dieser Fehler abhalten.

Daher legt die Organisation großen Wert auf eine Veränderung des Bewusstseins als ein Weg zur inneren Transformation. Sie glaubt, dass ein Gefangener nur durch eine Bewusstseinsveränderung in die richtige Richtung davor bewahrt werden könne, wieder in die Welt der Kriminalität abzugleiten.

Ein Verständnis für den höheren Lebenssinn ist notwendig, um sie dazu zu motivieren, den Weg des Guten und Richtigen einzuschlagen. Darüber hinaus hat die Organisation die Herausforderung angenommen, auch Mitgefühl für diejenigen hinter Gittern zu wecken, damit ihr Frust und ihre Furcht gegenüber der Welt nicht in ihrer Psyche einzementiert werden.

Ich muss gestehen, dass ich mir nie die Zeit genommen haben, über die Notwendigkeit nachzudenken, Strafgefangene zu besseren Menschen zu machen, die etwas Positives zur Verbesserung der Welt beitragen können. Ich bin nie darauf gekommen, die Welt aus ihrer Perspektive zu betrachten. Mir war klar, dass in den Gefängnissen auch viele unschuldige Menschen sitzen, doch ich habe mir kaum darüber Gedanken gemacht, wie wichtig es ist, denen zu helfen, die dort ein hartes Leben führen.

Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake

Credits

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Prison_cell_block Prison_cell_block Bob Jagendorf CC BY 2.0