Armut, Klassenkampf von oben und das ABC des Unsozialen (BSA)

Politik

In der Gesprächsrunde des Bunds Sozialdemokratischer Akademiker wird die Frage diskutiert, ob es ein Bestreben „von oben“ gibt, den Sozialstaat zurückzubauen auf Kosten der Arbeitnehmer und des sozialen Ausgleichs. Mit „oben“ sind die politischen und wirtschaftlichen Eliten gemeint, die an den Hebeln der Macht sitzen. Seit den 1980er Jahren gibt es verstärkt Versuche, den Sozialstaat und damit verbundene soziale Rechte zurückzubauen – es ist ein „Klassenkampf von oben“, der im Gegensatz zu den Protesten von unten still vonstattengeht, ist die zugrundeliegende These der BSA-Diskussionsrunde.

Michael Mazohl, Journalist und Co-Autor des Buchs „Klassenkampf von oben“) beobachtet, dass von denen, die an der Macht sitzen, nicht über den Klassenkampf gesprochen wird und in Vergessenheit gerät, wer für den Wohlstand wirklich arbeitet. Daher braucht es einerseits den Druck über Demonstrationen und Protest auf der Straße von unten, um gegen den Abbau des Sozialstaats und sozialer Rechte vorzugehen. Andererseits muss das Thema in den gesellschaftlichen Diskurs gebracht werden und Positionen im Diskurs mit Menschen aus der Bevölkerung besetzt werden.

Daniela Brodesser, Kolumnistin und Autorin von „Armut“, kritisiert, dass Armut in Österreich durch sozialstaatliche Entscheidungen verfestigt wird: Armutsgefährdete Menschen geraten in einen Strudel, aus dem sie nur schwer herauskommen. Außerdem Armut nehme wieder zu.

Ali Buxbaum, Ökonom in der Arbeiterkammer und Autor von „Das ABC des Unsozialen“, sieht einen Angriff auf den Sozialstaat darin, dass Sozialabgaben gekürzt werden, wodurch weniger verteilt werden kann. Schuld ist die Verschiebung des Diskurses und abnehmender Solidarität gegenüber armutsgefährdeter oder armer Menschen. Die Mitte ist mittlerweile am meisten armutsgefährdet – sie tritt nach unten und solidarisiert sich nach oben, obwohl es andersherum logischer und effektiver wäre.

Katharina Mader, Chefökonomin des Momentum Instituts und Autorin von „Gender Budget“, betont, dass besonders Frauen durch unbezahlte (Care-)Arbeit armutsgefährdet sind, sich aber in der gesellschaftlichen Diskussion und Wahrnehmung kaum bemerkbar machen, weil ihnen die Kraft und Zeit dafür fehlt. Daher werden auch keine politischen Entscheidungen getroffen, die ihrer Situation zuträglich wären.

Auf die Frage, was dem Klassenkampf von oben entgegengesetzt werden müsse, schlägt Mazohl eine institutionalisierte Lösung vor, die Bildungsarbeit und einen vereinten linken Block beinhaltet. Außerhalb der Institutionen bietet sich nur ein Mittel an: Streik. Um Armut zu begegnen, muss laut Brodesser Menschen Mut gemacht werden, über ihre Situation zu sprechen um ein realistisches Bild der Armut zu zeichnen.

Für Buxbaum braucht es einen Kassasturz, um sozialen Fortschritt zu erreichen: Wo steht Österreich sozial? Und wo soll es hingehen? Die Umverteilung nach oben wie in den vergangenen Jahren müsse endlich beendet werden. Mader ist es wichtig, die richtigen Fragen über unbezahlte Arbeit zu stellen und das Thema auf die politische Agenda zu bringen, um Armut vorzubeugen.

Zu Gast in dieser Diskussionsrunde sind:

Daniela Brodesser
Bürokauffrau, Kolumnistin, Aktivistin und Autorin des Buches „Armut“

Mag. Adi Buxbaum
Ökonom, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeiterkammer, Lektor an der FH Burgenland und
Autor des Buches „Das ABC des Unsozialen – Was sie sagen, was sie meinen“

Dr. Katharina Mader
Ökonomin, Assistenzprofessorin am Institut für Heterodoxe Ökonomie am Department Volkswirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien, Lektorin an der Johannes Kepler Universität Linz und der Alpen-Adria Universität Klagenfurt und Autorin des Buches „Gender Budgeting“

Mag. Michael Mazohl
Journalist, Fotograf und Autor des Buches „Klassenkampf von oben“ gemeinsam mit Natascha Strobl

Das Gespräch fand am 10. Oktober 2023 statt und wurde von Mag. Andreas Holzer moderiert.

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Armut-Klassenkampf-von-oben-und-das-ABC-des-Unsozialen-BSA
IP – BSA – Armut – Klassenkampf von oben-DE-IPHP Wolfgang Müller CC BY SA 4.0

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