Cannabis als Arzneimittel

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Politik

Wie sieht das geltende Recht bei Cannabis in Österreich aus? Was genau würde eine Legalisierung in Form einer kontrollierten und regulierten Abgabe zum Anbau für den Eigenbedarf von SchmerzpatientInnen bewirken? Mit welchen Risiken und Chancen müssen Medizin und Justiz rechnen? In einer Diskussionsrunde, veranstaltet von den Grünen Penzing und den Grünen SeniorInnen Wien, wurden diese u.v.a. Fragen zum Thema „Cannabis: Schmerzmittel oder Suchtgift?“ von Fachleuten und betroffenen SchmerzpatientInnen besprochen.

Ein weltweiter Trend

Mag. Klaus Hübner, ARGE CANNA, beschreibt zu Beginn des Diskussionsabends einen deutlich erkennbaren, weltweiten Trend, hin zur Legalisierung der Hanfpflanze. Eine Legalisierungswelle sei sowohl in der Medizin, als auch im Freizeitkonsumsektor im Gange. Dennoch sei man in Österreich noch weit davon entfernt, ebenfalls „Opfer“ dieses Trends zu werden. Obwohl mittlerweile bewiesen sei, dass THC – der Wirkstoff, der dafür verantwortlich ist, dass Cannabis in Österreich rechtlich als Suchtgift deklariert ist – keine letale Toxizität aufweise, bleibe jegliche Hantierung damit weiterhin mit strengen Gefängnisstrafen bedroht. Der Markt für nahezu THC-freie Produkte platze aber mittlerweile aus allen Nähten. Somit seien sich ExpertInnen einig: Österreich könne sich nicht mehr lange gegen diese Legalisierungswelle stellen. Es sei höchste Zeit, sich über die rechtliche und verwaltungstechnische Handhabung von Cannabis ernsthafte Gedanken zu machen.

Das Vermächtnis dreier UN-Konventionen

Mag. Albert Steinhauser, Nationalratsabgeordneter der Grünen und Klubobmann der Grünen im Österreichischen Parlament, zeichnet ein unmissverständliches Bild über die rechtlichen Konsequenzen, mit denen man aktuell zu rechnen habe, wenn man sich dem geltenden Suchtmittelgesetz in Bezug auf Cannabis widersetze. Hintergrund dieser restriktiven Gesetzgebung in Österreich seien 3 UN-Konventionen, die in den Jahren zwischen 1961 und 1988 entstanden sind. Man sei damals dem Irrtum verfallen, dass zu dieser Zeit Cannabis für die gesellschaftspolitische Rebellion der Jugend verantwortlich gewesen sei.

Cannabismedizin auf dem Vormarsch

Dr. Eva Mückstein, Gesundheitssprecherin der Grünen im Nationalrat, weist im Rahmen der Diskussion auf eine fehlende Differenzierung hin. Wenn die Rede davon sei, Cannabis für medizinische Zwecke zu entkriminalisieren, werde einem zu oft und zu schnell eine komplette Legalisierung angedichtet. Obwohl die Cannabismedizin von der konservativen Seite weiterhin sehr restriktiv betrachtet werde, merke aber auch sie eine Tendenz zu einer schrittweisen Öffnung. Dies könne man allein schon an den steigenden Verschreibungszahlen von Cannabismedizin ausmachen.

Der therapeutische Nutzen

Der Allgemeinmediziner Dr. Wolfgang Mückstein stellt die wirkungstechnischen Merkmale der Hanfpflanze in den Fokus der Debatte. Er berichtet davon, dass seiner Meinung nach immer mehr MedizinerInnen das Thema Cannabis rein nüchtern, sprich die vielen positiven und therapeutisch vielseitig einsetzbaren Wirkungsweisen dieser Pflanze, betrachten würden. Er spricht sich auch für die Senkung der gegenwärtigen, exorbitanten Therapiekosten der Cannabismedizin aus. Er habe vollstes Verständnis, dass sich die Krankenkassen von der Kostenübernahme – die Rede ist von mehreren Hundert Euro pro Monat und pro Patient – vermehrt distanzieren würden.

Produktion von Cannabismedikamenten

Jurist, Autor, Verbraucherschützer und Schmerzpatient Dr. Peter Kolba kann aufgrund seines gesundheitlichen Leidensweges einerseits von den bereits vielzitierten, positiven Wirkungen der Hanfpflanze, und andererseits von den vielen Schikanen, die mit der legalen bzw. illegalen Beschaffung und Nutzung eines dringend benötigten Cannabismedikaments einhergehen, berichten. Auch er prangert die unverschämt hohen Preise für Cannabismedikamente – das Präparat Dronabinol wird hier im Besonderen erwähnt – an. Da alle Produktionsschritte außerhalb Österreichs stattfinden und es obendrein nur einen einzigen Produzenten dieses THC-Medikamentes, nämlich in Deutschland, gebe, sei man Opfer einer zutiefst verwerflichen Monopolstellung.

Eine paradoxe Situation

Der Sozialdemokrat Gerald Kitzmüller spricht von einer paradoxen Situation. Obwohl in den Basen sämtlicher Parteien, auch bis hinauf in höhere Ebenen, die Bereitschaft zur Durchsetzung einer Legalisierung bereits längst gegeben sei, scheitere dieses Vorhaben weiterhin kläglich. Schuld seien seines Erachtens nach die Verantwortlichen in den höchsten Ebenen. Die Angst, Wählerstimmen zu verlieren, beherrsche weitestgehend ihr Urteilsvermögen – ironischerweise womöglich sogar völlig unbegründet.

Das Recht auf bestmögliche medizinische Versorgung

Gerfried Düregger, Schmerzpatient und Obmann der ARGE CANNA, ist seit 2010 legaler Cannabispatient. Er berichtet von einer drastischen Verbesserung seines Gesundheitszustandes, welche er auf die Reduktion „herkömmlicher“ Medikamente und die gleichzeitige Einnahme von Cannabismedikamente zurückführe. Das Recht auf die bestmögliche medizinische Versorgung ist für ihn ein ganz zentrales, wichtiges Anliegen, für das er sich auch auf politischer Ebene, trotz – oder gerade wegen – seines angeschlagenen Gesundheitszustandes unermüdlich einsetze.

Legalisierung ohne wenn und aber

Einen kleinen Beutel Cannabis, reichhaltig an CBD und arm an THC, deswegen „noch“ legal erhältlich, hat der Hanf-Institutsvorstand Toni Straka zu Demonstrationszwecken mitgebracht. Er schildert unter anderem die bewegende Geschichte des Willi Wallner, der zum Zeitpunkt der Aufnahme in Untersuchungshaft sitzt. Wallner ist Schmerzpatient und gelangte zu unfreiwilliger Berühmtheit, indem er anderen SchmerzpatientInnen, die sich die teuren Cannabismedikamente nicht leisten konnten, durch die private Aufzucht und Weitergabe von Cannabispräparaten Abhilfe leistete. Darüber hinaus vertritt er den Standpunkt, dass eine Legalisierung der Cannabispflanze zu rein medizinischen Zwecken zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sei, aber sicher nicht die Endlösung darstellen könne. Straka spricht sich ganz klar für eine uneingeschränkte Legalisierung von Cannabis aus.

Publikumsfragen wurden in der letzten halben Stunde der Podiumsdiskussion zugelassen und sorgten so für eine noch lebhaftere Diskussion.

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