China – den Kapitalismus retten?

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Wirtschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
25. 1. 2018
Veranstalter
Österreichische Kontrollbank
Ort
Strauchgasse 3 1010 Wien
Veranstaltungsart
Podiumsdiskussion
Teilnehmer
Dr. Minqi Li , University of Utah, Salt Lake City, USA
Dorothy Guerrero, Global Justic Now, London, UK
Karin Fischer, Mattersburger Kreis für Entwicklungspolitik an den Österreichischen Universitäten/VIDC

Mit der Initiative „One Belt One Road“ (OBOR) zielt China darauf ab, eine neue Seidenstraße zu errichten. Es handelt sich dabei um das größte Infrastrukturprojekt in der Menschheitsgeschichte, das potenziell die Dynamik der globalen Weltwirtschaft grundlegend verändern könnte.

Aus diesem Grund fand im Reitersaal der Österreichischen Kontrollbank am 25. Jänner 2018 eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „China – den Kapitalismus retten?“ statt. Als Redner waren Minqi Li, Professor am Institut für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Utah, und Dorothy Guerrero von der NGO „Global Justice Now“ mit Sitz in London eingeladen.

China sei einer der wichtigsten Treiber der globalen Wirtschaft. In einer Periode von dreißig Jahren habe das Land bis 2010 jährliche Wirtschaftswachstumsraten von zehn Prozent oder mehr erreicht. Dieser Aufstieg Chinas sei aber eben nicht über Nacht passiert, so Dorothy Guerrero von Global Justice Now, sondern die Folge jahrzehntelanger Planung im wirtschaftlichen Sektor.

Um starke internationale Wirtschaftspartnerschaften aufzubauen, musste die Regierung in Beijing zuerst eine wirtschaftliche Basis innerhalb des Landes schaffen.

Da die Investitionsmöglichkeiten innerhalb des Landes vermehrt an Grenzen stießen und China über die höchsten Währungsreserven der Welt verfüge, sei die logische Konsequenz, dass das Kapital extern investiert werde. Laut Guerrero sei diese Entwicklung vergleichbar mit der im 18. Jahrhundert, als in der frühen Phase des Kapitalismus das Kapital in Europa außerhalb des Kontinents fließen musste, um mehr Wachstum zu generieren.

Eine neue Seidenstraße

Bei der „One Belt One Road“-Initiative handele es sich um ein enormes Infrastrukturprojekt, das das Potenzial habe, den Welthandel zu revolutionieren.

Die „neue Seidenstraße“ solle große Teile Europas durch eine Landroute über den Iran und die Türkei mit Asien verbinden, mit China als Ausgangspunkt. Darüber hinaus würden entlang einer maritimen Route durch den Bau von Häfen und Infrastrukturinvestitionen entlang der Küsten Südostasien, Ostafrika und das europäische Mittelmeer besser miteinander vernetzt werden.1

Insgesamt wurden die Kosten der Infrastrukturprojekte, bei denen über sechzig Länder involviert sind, auf eine Billion US-Dollar geschätzt.2 Laut Guerrero hätten diese Entwicklungen signifikante global- und geopolitische Auswirkungen. Einige Analysten meinen sogar, dass China mit der „One Belt One Road“-Initiative den Vereinigten Staaten den Anspruch auf die globale Führungsrolle abnehmen und sich dadurch das Zentrum der globalen Wirtschaft verschieben würde.3

Beim letzten Weltwirtschaftsforum in Davos im Jänner 2018 machten chinesische Führungskräfte den Vorschlag einer neuen globalen Wirtschaftsordnung mit Beijing als Zentrum.4 Damit signalisiere China, so Guerrero, dass es bereit sei, die globale wirtschaftliche Führungsrolle zu übernehmen. Die Frage, die sich ihr dabei aber stelle, sei: Welche Art von Führungsrolle soll das sein?

Globalisierung 2.0

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 und verstärkt noch nach dem Untergang der Sowjetunion dominierte die liberale internationale Weltordnung mit der Führungsrolle der USA die Architektur der globalen Weltwirtschaft. Internationale Institutionen wie die UN (United Nations), der IWF (Internationaler Währungsfonds) und die Weltbank sind Auswüchse dieser westlich dominierten Weltordnung.

Findet mit dem rasanten Aufstieg Chinas in den letzten drei Jahrzehnten zusammen mit dem ambitionierten Infrastrukturprojekt der „neuen Seidenstraße“ eine Transformation der globalen Weltordnung mit China als neuer Zentrale statt? Handelt es sich dabei um ein alternatives Wirtschaftsmodell oder wird dadurch die vorherige Weltordnung lediglich weiterentwickelt, der Kapitalismus aufrechterhalten und letztendlich „gerettet“?

Minqi Li blickt dafür zunächst in die Geschichte zurück: Aus seiner Perspektive habe sich der globale Kapitalismus bereits in den 1970er-Jahren in einer ernsten politischen und wirtschaftlichen Krise befunden, die damals mit neoliberalen Maßnahmen bewältigt worden seien. Minqui Li:

Als Antwort zu dieser Krise entwickelte die westliche Elite die Strategie des Neoliberalismus, der jedoch auf starken Widerstand seitens der Bevölkerung stieß. Hätte es zu dieser Zeit kein ausreichend großes geografisches Gebiet mit einem massiven Angebot an billigen Arbeitskräften gegeben, wäre wahrscheinlich der Neoliberalismus nicht so erfolgreich gewesen.

China sei dadurch in die globale Weltwirtschaft inkorporiert worden, habe von da an eine bedeutende Rolle bei der Stabilisation des globalen Kapitalismus gespielt und damit gleichzeitig die Dominanz des Neoliberalismus im Westen ermöglicht, so Li.

Da Profit und Wirtschaftswachstum als treibende Kräfte des Kapitalismus betrachtet werden können, wäre demnach ein Großprojekt wie die „neue Seidenstraße“ als eine Fortsetzung des vorherrschenden kapitalistischen Systems vorstellbar. Laut Cao Wenlian, Generaldirektor einer Gruppe, die der OBOR-Initiative zugehörig ist, plane China, die „Globalisierung 2.0“ anzuführen.5 Dorothy Guerrero ist der Ansicht, dass am Verhalten der BRICS-Staaten (einer internationalen Vereinigung, bei der China auch eine wesentliche Funktion einnehme) auch erkennbar sei, dass diese dieselben neoliberalen Prinzipien des Kapitalismus unterstützen würden.

Wirkliche Alternativen

Ob nun China oder die USA die Führung in der fortschreitenden Globalisierung übernimmt, ändert nichts daran, dass ein alternatives Wirtschaftsmodell, das wirklich am Wohl der Menschheit orientiert ist, ohnehin nicht auf globaler, sondern auf lokaler Ebene ansetzt. Diese Supermächte repräsentieren beide Herrschaftssysteme, in denen von oben nach unten diktiert wird. Bei Umkehrung dieser Machtdynamik ermächtigt sich der einzelne Mensch zusammen mit seinen Mitbürgern.

Laut Guerrero gebe es schon viele Alternativen, die Tag für Tag von in der Peripherie lebenden Gemeinschaften weltweit praktiziert würden. Die Frage, die sie sich dabei stellt sei, wie wir als Menschen solche alternativen Modelle zu einem dominanten Gedanken machen könnten. Dorothy Guerrero:

Wir sind mit einer großen Herausforderung konfrontiert, bei der es sich um einen Kampf der Ideen handelt. In den letzten vierzig Jahren haben der Neoliberalismus und der globale Kapitalismus diesen Kampf der Ideen gewonnen.

Zum Schluss erinnert sie uns noch daran, dass in diesem Jahr das zehnjährige Jubiläum der Finanzkrise von 2008 bevorstehe. Eine Krise, verursacht von Megabanken im Zusammenspiel mit Regierungen, die diese mit Steuergeldern retteten, damit das Spiel des globalen Kasinokapitalismus weitergehen konnte. Darüber, ob der Kapitalismus gerettet werden soll, seien sich Li und Guerrero einig: „Nein.“ Falls er doch gerettet werden würde, dann könne die Menschheit nicht mehr gerettet werden, befürchtet Li.

2 https://www.nytimes.com/2017/05/13/business/china-railway-one-belt-one-road-1-trillion-plan.html

3 https://www.globalresearch.ca/china-builds-new-type-of-globalization/5593451

4 https://www.weforum.org/agenda/2018/02/the-future-global-order-will-be-managed-by-china-and-the-us-get-used-to-it/

Credits

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00-China-Saving-Capitalism_Steve-Whybrow 00-China-Saving-Capitalism_Steve-Whybrow Steve Whybrow CC BY-SA 4.0
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