Mütter gehen nirgendwo hin …

Soziales

Über den Tod trauern – oder das Leben feiern?

Wie fange ich nur an?

Hier bin ich nun. Versuche, eine gute Einleitung für meinen Artikel zu finden. Trachte danach, die richtigen Worte zu finden, um mir Eure Aufmerksamkeit zu verdienen. Gleichzeitig hilft mir das Schreiben auch selbst, meine Gedanken und Gefühle zu verarbeiten. Also, sagt mir bitte, wie geht das, wenn so viel zu sagen ist? Ich beginne mal mit dem Anfang. Habt bitte Geduld mit mir und gebt mir eine Chance, Euch mit auf eine besondere Reise zu nehmen. Vielleicht stellt sie sogar eine neue Erfahrung für Euch dar:

Brustkrebs

Meiner Mom wurde Brustkrebs diagnostiziert, als ich 13 Jahre alt war. Das ist nun 7 Jahre her. Damals habe ich noch nicht so recht verstanden, was Krebs überhaupt bedeutet oder welche Auswirkungen diese Krankheit haben könnte, wenn sie nicht behandelt würde. Aber ich habe mitbekommen, dass sich meine Mom veränderte: Sie wurde immer trauriger, unglücklicher, versteckte sich vor Freunden, vor den Schülern. Kinder durften nicht mehr zu uns kommen, um zu spielen. Und am allerschlimmsten war es, niemandem sagen zu dürfen, dass sie Krebs hatte. Das erschien mir so fremd und ich verstand einfach nicht, warum alles so kompliziert wurde. In meinem Kopf war alles so simpel gestrickt: Man ist krank, kriegt eine Behandlung und dann ist man wieder gesund. Was ist da denn so schwierig? Niemals, nicht einmal eine Sekunde lang, dachte ich daran, dass meine Mom sterben könnte. Dass diese Krankheit sie töten könnte. Sie war doch mein Vorbild. Sie war eine Mutter, und Mütter gehen nirgendwo hin ..

Chemotherapie

Meine Mutter begann mit der Chemotrapie und unterzog sich 4 von 10 Behandlungen. Es schien, ihr allmählich besser zu gehen: Ihr Tumor wurde kleiner. Vor ein paar Monaten fragte ich sie:

„Mom, warum hast du mit der Chemotherapie damals aufgehört?“

Darauf antwortete sie mir, dass sie das Gefühl gehabt hätte, ihr Körper würde dadurch total zerstört. Also ging sie zum Arzt und fragte diesen:

„Ich habe nun 4 Behandlungen hinter mir, der Tumor ist kleiner, wieviele Treatments stehen mir noch bevor?“

Und der Arzt meinte, dass es nicht darauf ankäme, wie sie sich fühle oder wie gut die Entwicklung sei, für jeden seien 10 Behandlungen notwendig, egal was passiert. Ich denke, Mom fühlte sich wie einer von vielen Fischen im Ozean. Dann begann sie, sich selbst Fragen zu stellen:

Warum leide ich an Krebs?

Und nach dieser Frage begann ihre Reise zur kompletten Selbstheilung durch die Kraft ihrer Gedanken kombiniert mit der Führung eines gesunden Lebensstil.

Es war so schön, ihr dabei zuzusehen, wie sie sich veränderte. Wie sie wuchs. Wie sie sich entwickelte. Und wie sie andere Leute dazu animierte, bessere Menschen zu werden; und diese Menschen gar nicht wussten, wie ihnen geschieht.

Ich wäre jetzt nicht die Person, die ich heute bin, hätte sie nicht diesen unkonventionellen Pfad der Heilung gewählt.

Sie machte beachtenswerte mentale Fortschritte und löste den Konflikt, der ihr den Krebs im Ursprung bescherte. Und befand sich in der Heilungsphase. Nach 7 Jahren fühlte sie sich endlich frei von jeder Last. Sie kämpfte gegen alles, das Schuld an dieser Misère hatte. Nicht ein einziges Mal beschwerte sie sich über irgendetwas. Niemals gab sie auf. Nicht einmal in den letzten Sekunden ihres Lebens, als ihr Körper schon ganz schwach war – und schließlich aufgab.

Meine Mom starb

Ich dachte, das sei nun das Ende für mich. Es war so schmerzhaft, weil ich sie so sehr liebe. Wo ist sie hin? Geht es ihr gut? Wie fühlt sie sich? Kann sie mich sehen? Hat sie Angst? Ist sie glücklich? In langsamen Schritten fand ich eine Antwort auf all diese Fragen.

Ich begann, sie zu fühlen. Ich empfing Zeichen von ihr, ich fühlte die Kraft in mir selbst hochsteigen, um weiter an meinen Prüfungen zu arbeiten. Ich verstand nun, dass ich sie nicht verlor. Sie ist ja immer bei mir. Sogar präsenter als jemals zuvor. Aber jetzt haben wir eine spirituelle Verbindung.

Ich kannte sie in- und auswendig, und deshalb wusste ich immer, wie sie auf die Fragen antworten würde, die ich hatte. Ich dachte einfach daran: „Was würde Mom jetzt tun?“ und dann wurde alles viel leichter. Als ob sie zu mir sprechen würde. Sie will, dass ich glücklich bin, und zwar im wirklichen Sinne des Wortes.

Und am Glück muss man hart arbeiten, und irgendwie schaffte ich das.

Ja, meine Mom starb vor einem Monat – und ich bin ein glücklicher Mensch. Ich lache, ich singe, ich tanze, ich laufe. Und alle diese Momente widme ich ihr.

Ich lebe für sie, weil sie nun in mir ist. Ich bin ihr Kunstwerk, ihre Kreation hier auf Erden. Ich verstand all diese Dinge erst Stunden nach ihrem Tod.

Das Begräbnis

Wir mussten das Begräbnis organisieren, und das war ein schreckliches Unterfangen. Ich musste gottseidank nicht viel dafür tun, denn mein Vater übernahm die ganze Arbeit. Deshalb hatte er nicht einmal Zeit dafür, um über den Tod seiner Frau zu trauern oder um zu realisieren, was da geschehen war. Da wir von ihrem Tod total überrascht waren – Mom befand sich doch in der Heilungsphase, es sollte doch nicht passieren -, musste mein Vater schnell alles für die Beerdigung arrangieren.

Das war das allererste Begräbnis, dem ich jemals beiwohnte. Ich wusste nicht einmal, wie man sich dabei laut Traditionen verhält, aber ich kann Euch eines sagen: Es hat alles nichts mit der aus dem Leben geschiedenen Person zu tun. Begräbnisse sind für uns Erdlinge. Wir brauchen sie, aber sie sind nicht für die Toten gemacht. Mir wurde die egoistische Natur des Menschen bewusst. Und jeder sprach nur davon:

„Was tue ich nur ohne Mariana (Mom)?“

„Wie kann ich nur ohne sie leben?“

Deshalb weinen Menschen. Sie weinen, weil es sehr hart für sie werden wird, ohne Mom auszukommen.

Aber denkt auch jemand an meine Mom? Wir sind hier, um ihr Leben zu zelebrieren, das sie führte, wir sind hier, dankbar zu sein, dass wir sie in unserem Leben hatten und dass sie uns so wahnsinnig inspirierte. Wir sind hier, ihrer zu gedenken und uns an die guten und an die nicht so guten Zeiten zu erinnern, die wir mit ihr teilten. Dieser Moment soll nur ihr allein gehören.

Wenn jeder nur ein wenig an sie gedacht hätte und nicht an sich selbst, würde sie lächeln, denn sie wünschte es sich nie, dass jemand wegen ihr weinte oder sich schlecht fühlte. Aber wir hatten keine andere Wahl: Wir mussten der Tradition folgen.

Im schwarzen Trauergewand, trotz der Tatsache, dass meine Mom die Farbe Schwarz hasste. Ein großes Festessen folgte, obwohl meine Mutter vegan war. Ein Priester war da, den sie nicht einmal kannte und sprach ganze zwei Stunden.

Das einzige, worüber wir Entscheidungsgewalt hatten, war den Ort für das Begräbnis. Ich weiß, dass sie diese kleine Kirche liebte, denn wir gingen immer an unseren Heimwegen an ihr vorbei.

Der Tod – und unsere Kultur

Es gibt einen Zigeunerstamm aus Rajasthan, der den Tod in der Familie als einen der glücklichsten Okkasionen ihres Lebens feiert, während man die Geburt eines Kindes mit großer Trauer begegnet. In unserer Kultur verhalten wir uns genau umgekehrt. Wir feiern die Geburt und wir trauern um den Tod.

Also was ist jetzt das Leben auf Erden? Ein Geschenk oder eine Last?

Der Dalai Lama meint:

„Ich glaube, dass der wahre Sinn des Lebens jener ist, nach Glück zu streben. Das ist klar. Egal wer welcher Religion angehört: Wir suchen alle immer etwas Besseres im Leben.“

Und jetzt schauen wir mal in unsere Reihen: Wer von uns ist wirklich glücklich? Wer hat diesen Sinn des Lebens nun wirklich erreicht?

 

Credits

Image Title Autor License
über den tod trauern Carina Toma CC BY-SA 4.0