Univ. Prof. Dr. Renee Schröder – Quo vadis, Homo sapiens?

Gesellschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
31. 8. 2019
Veranstalter
Waldviertel Akademie
Ort
Rathaus Weitra

Schroeder ging in ihren Ausführungen auf die Fragen „Was ist das Leben?“ und „Was ist der Mensch?“ ein. Für das Leben habe sie auch eine eigene Definition entwickelt: „Das Leben ist ein Prozess, der von einer starken Energiequelle, die auf ein Wärmebad scheint, getrieben wird.“ Auch auf das von Kampits angesprochene Mängelwesen nahm sie Bezug: „Der Mensch ist motiviert, seine Mängel auszugleichen.“ Ein großes Ziel für die Zukunft müsse die Drosselung der Weltbevölkerung sein, aber nicht durch Kriege oder Auslöschung, sondern durch Bildung.

Im Zuge der Sommergespräche 2019 der Waldviertel Akademie hielt die bekannte österreichische Biochemikerin Dr. Renee Schröder am 31. August einen Vortrag mit dem Titel „Quo vadis, Homo Sapiens? Grenzenloses Leben – Die Freiheit unserer Entscheidungen“

Zu Beginn Ihrer Ausführungen bekennt die Wissenschaftlerin, dass sie sich in den in den letzten Jahren immer mehr mit Philosophie beschäftigt hat. Das Thema Grenzen des Lebens und die Frage was ist Leben ist daher auch für Sie als Biochemikerin sehr interessant.

Was also ist Leben? Es gibt dazu sehr viele Definitionen. Leben ist z. B. ein Prozess. Dr. Schröder erinnert an aus Ihrer Sicht wunderbares Buch von Erwin Schrödinger:  „Was ist Leben?“ Er definiert darin das Leben als das was dem Verfall und dem Gleichgewicht Widerstand leistet. Das heißt so viel wie Kampf gegen die Unordnung.

Der junge Biologe und Computerwissenschaftler Jeremy England möchte im Computer simulieren wie Leben entsteht und fragt sich wie ist dieser Prozess? Sein Ziel ist es dabei das Leben so zu verstehen, dass klar wird warum die Evolution unvermeidlich war, denn der Ursprung des Lebens ist so selbstverständlich wie das Felsen den Berg runter rollen.

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen lebenden Dingen und nicht lebenden Klumpen aus Kohlenstoff. Erstere sind viel effizienter im Einfangen von Energie aus Ihrer Umgebung und können diese Energie als Hitze ausscheiden.

Wenn eine Gruppe von Atomen von einer externen Energiequelle angetrieben wird (wie der Sonne oder einem chemischen Brennstoff) und von einem Wärmebad umgeben ist (wie vom Ozean oder der Atmosphäre) wird sie sich nach und nach umformen, um mehr und mehr Energie abzuleiten. Das bedeutet, dass unter bestimmten Bedingungen Materie Schlüsseleigenschaften des Lebens erwirbt.

Das Leben ist für Dr. Schröder u. a. ein chemischer, biologischer und physikalischer Prozess.

Der chilenische Philosoph und Biologe Humberto Maturana verwendet den Begriff Autopoiesis für das Leben um die „selbst-generierende“ und „selbst-erzeugende“ Kapazität von lebenden Systemen zu beschreiben. Die kleinste „autopoietische“ Einheit des Lebens ist die biologische Zelle.

Jede Zelle hat eine Zellmembran und eine Zellwand, eine Grenze zwischen innen und außen und diese ist essentiell für das Leben, weil diese Grenze, weil diese Membranen elektrochemische Spannungen zwischen innen und außen aufbauen.

Diese Spannung in einer Zelle ist notwendig damit überhaupt ein Prozess ablaufen kann. Wenn man in eine Zelle ein Loch hinein macht und damit das Potential bricht ist die Zelle tot. Das ist eine Grenze, die essentiell ist fürs Leben, erklärt die Wissenschaftlerin.

Wenn man eine konzentrierte Zuckerlösung herstellt und diese mit Wasser verdünnt verteilt sich diese. Wenn man eine hohe Konzentration haben will braucht man Energie, die festgehalten wird, da ist die Membran extrem wichtig. Ohne diese Zellgrenze wäre das Leben nicht möglich, weil die elektrochemische Spannung zwischen innen und außen aufgebaut werden muss.

Dr. Schröder beantwortet die Frage „Was ist Leben?“ so:

Das Leben ist ein Prozess, der von einer starken Energiequelle, die auf ein Wärmebad scheint, getrieben wird. (Wir brauchen Energie von außen, denn ohne Energie geht nichts.)

Einige Atome und Moleküle sind besonders gut geeignet diese Energie umzusetzen, um ihre eigene Komplexität zu erhöhen, um Strukturen aufzubauen, die in der Lage sind, sich selbst zu vermehren. (Wir müssen uns identisch vermehren.) Sie können diese Komplexe Organisation auch aufrechterhalten indem sie Information schaffen und vermitteln können, das ist die DNA. Jetzt sind wir an einem Moment angekommen wo wir diese Informationen bewusst verstehen und verändern können.

Diese Moleküle, diese Information, die auch Funktionen haben, sind vor 3 ein halb Milliarden Jahren entstanden und jetzt verstehen wir sie.

Wichtig ist, dass das Leben ein sich selbst-ordnendes System ist, das ist für Dr. Schröder auch das was die Philosophen unter Freiheit verstehen.

Dr. Schröder gibt einen kurzen zeitgeschichtlichen Überblick zur Entwicklung des Lebens:

  1. Vor 13,8 Milliarden Jahren war der Urknall. Das ist der Beginn der Physik.
  2. 380.000 Jahre später sind die ersten Atome und die ersten Moleküle entstanden, das ist der Beginn der Chemie.
  3. Dann hat es nochmals 9,2 Milliarden Jahre gedauert bis auf der Erde vor etwa 3,5 Milliarden Jahren das Leben entstanden ist.
  4. Vor etwa 70.000 – 100.000 Jahren war unser Gehirn soweit, dass wir in der Lage waren abstrakt zu denken. Das ist der Beginn der Kultur. Das ist für Dr. Schröder der Beginn des Homo Sapiens

Das Wachstum des Gehirns war essenziell in der Evolution. Das Gehirn des Homo sapiens ist gewachsen und gewachsen und gewachsen. Vor ca. 70.000 Jahren war das Gehirn dann in der Lage Dinge zu denken, die es nicht gibt. Das ist eine enorme Leistung des Gehirns und das ist für die Biochemikerin die Geburtsstunde der menschlichen Kultur. Von dem Moment an hat der Mensch seine eigene Evolution unbewusst in die Hand genommen, da ist sich der Mensch aber auch bewusst geworden, dass er ein Mangelwesen ist und darunter leidet der Mensch. Daher ist der Mensch sehr motiviert diese Mängelzustände irgendwie auszugleichen, z. B. durch Erfindungen.

Der Mensch kann seit 70.000 Jahren Dinge denken, die es nicht gibt, und daraus entsteht ein unlösbares Problem, weil der Mensch sich nie sicher sein kann ob das was er denkt real ist oder ob es ein reines Produkt seiner Fantasie ist. Wenn sich der Mensch etwas ausdenkt, das es nicht gibt, kann das was er sich ausdenkt nicht wissenschaftlich verifiziert/falsifiziert werden. Daraus entsteht eine enorme Macht des Gehirns, weil es sich irgendetwas ausdenken kann, das nicht überprüft werden kann.

Seit 70.000 Jahren erfindet der Mensch Dinge um dem Selektionsdruck der Evolution/Natur auszuweichen (er wärmt sich, er kocht das Essen, er zieht sich an, usw.) Die Hypothese von Dr. Schröder ist, dass der Mensch durch seine immer komplexeren Erfindungen seine Evolution damit selbst in die Hand genommen hat und beeinflusst.

Menschliche Erfindungen sind u.a.

-) Werkzeuge (zum Steine schleifen, zum Jagen, zum Feuer machen)

-) Gesetze (der Mensch ist ein soziales Wesen geworden und hat sich Gesetze und die Arbeitsteilung, die enorm wichtig ist für die Sozialisierung einer Gesellschaft, ausgedacht. Die Arbeitsteilung heutzutage wäre ohne die Regeln, die wir aufgebaut haben, nicht möglich.

-) Geld

-) Erst vor 12.000 Jahren ist der Mensch sesshaft geworden und hat die Landwirtschaft erfunden. Dabei hat der Mensch Tiere, z. B. Kühe und Schweine gezüchtet.

-) Motoren, Fabriken, Autos, Elektrizität

-) Religionen (Dr. Schröder ist Atheistin und für sie ist klar, dass die Erfindung Gottes eine geniale Erfindung ist, denn für Sie ist Gott etwas, das nicht existiert, aber es kann niemand beweisen, dass Gott nicht existiert. Dazu erfindet der Mensch Himmel und Hölle und das Leben nach dem Tod.)

-) Ideologien, Rassismus

-) Medikamente, Impfungen

-) Gentechnik, Genomeditierung

-) Artifizielle Intelligenz

Dr. Schröder beschreibt ihre Welt in 3 Töpfen:

Topf 1: Alles was es wirklich gibt ohne unser menschliches Zutun

Topf 2: Alles was es gibt, weil der Mensch es erfunden hat

Topf 3: Alles was der Mensch sich ausdenkt, das aber nicht außerhalb des Denkens existiert. Wenn unser Gehirn stirbt ist der Gedanke weg.

Was ordnen wir also welchem Topf zu?

Die Macht des Topfs 3: In diesen Topf sind u.a.

-) das goldene Zeitalter

-) die Unsterblichkeit

-) das Paradies

-) das Leben in Reichtum und in Frieden

Ist der Mensch (homo sapiens) ein Artefakt? Erfinden wir uns selbst? Gehören wir in Topf 1, 2 oder 3? Bis vor 70.000 Jahren waren wir in Topf 1.

Zwischen den Töpfen gibt es Brücken, sie sind miteinander verbunden. Nach Ansicht von Dr. Schröder nach wandert der Mensch immer mehr von Topf 1 in Topf 2.

Was ist das „Ich“ und welchem Topf ist es zuzuordnen? Ist es Topf 1, 2 oder 3? Es ist noch gar nicht so lange her, dass das Gehirn zu einem „Ich“-Gedanken fähig ist. Viele Tiere können das nicht und Dr. Schröder hat recherchiert seit wann Menschen in „Ich“ Kategorien denken. Sie erinnert in diesem Zusammenhang an Künstler, die Selbstporträts von sich angefertigt haben und für Sie ist klar, dass ein Künstler, der ein Selbstporträt macht, eine klare Ich-Vorstellung von sich selbst hat. Eines der berühmtesten Selbstporträts ist z. B. von Albrecht Dürer, der sich als Gott dargestellt hat.

Für die Biochemikerin ist das wichtigste Problem neben der Klimakrise das Bevölkerungswachstum auf der Erde.

Im Jahre 400 vor Christus gab es auf unserem Planeten 300 Millionen Menschen, im Jahre Null waren es ebenso 300 Millionen. Im Jahre 1000 waren es 310 Millionen Menschen, doch vor allem seit dem 17. Jahrhundert steigt die Bevölkerungszahl dramatisch an. Die 1. Milliarde wurde Anfang 1800, die 2. Milliarde 1920 und die 3. Milliarde 1960 erreicht. 2011 waren wir bei 7 Milliarden und die UNO prognostiziert für 2100 11 Milliarden Menschen. Aus Ihrer Sicht wird sich dieses Bevölkerungswachstum aber auch wegen der Klimakrise für den Planeten so nicht ausgehen, das heißt da muss etwas passieren.

Frage 1: Warum ist die Menschheit 2000 Jahre lang in Bezug auf die Bevölkerungsanzahl nicht angewachsen? Die Gründe dafür waren die geringe Lebenserwartung (unter 40 Jahren) und die sehr hohe Kindersterblichkeit. Zwar haben Frauen oftmals 5-10 Kinder bekommen, von denen haben aber einige meistens nicht lange überlebt.

Frage 2: Was ist ab dem 18. Jahrhundert passiert, dass das Bevölkerungswachstum so stark ansteigt? Der Beginn der Wissenschaften ist passiert erklärt Dr. Schröder, Louis Pasteur entdeckt Bakterien und in weiterer Folge konnte man Lebensmittel sterilisieren, Wasser abkochen und Maschinen entwickeln.

Für die Wissenschaftlerin ist klar, dass die Überbevölkerung ein ökologisches Problem ist. Die Bildung von Frauen ist aus Ihrer Sicht einer der effektivsten Wege um das Bevölkerungswachstum zu stoppen. Die ideale Geburtenrate wäre weltweit 1,5 Kinder pro Frau.

Seit den 1960er Jahren geht die Geburtenrate rasant hinunter, z. B. in Südkorea betrug die Geburtenrate 1960 noch 5,6 Kinder, 2015 liegt sie bei 1,3 Kindern

Der Hauptgrund warum es immer mehr Menschen gibt ist die weltweit steigende Lebenserwartung, die sich in einem Jahrhundert fast verdoppelt hat.

Dr. Schröder wünscht sich, dass wir bis 2100 die Bevölkerungszahl auf 1-2 Milliarden senken könnten, natürlich freiwillig durch Erkenntnis, vor allem durch Bildung und natürlich nicht mit Gewalt, doch es stellt sich die Frage wie soll das funktionieren?

Das funktioniert durch die Bildung der Frauen macht die Biochemikerin klar. Für Harari war die Erfindung der Waschmaschinen der wichtigste Schlüssel für die Bildung der Frauen, da durch diese Erfindung das Waschen der Wäsche viel schneller erledigt werden konnte und enorm viel Zeit für die Bildung der Frauen frei wurde.

In einer Folie zeigt Dr. Schröder 4 verschiedene Einkommensniveaus. In Stufe 1 haben Menschen pro Tag nur bis zu 2 Dollar zur Verfügung und in dieser Stufe 1 stehen Frauen keine Waschmaschinen zur Verfügung und in eben dieser Stufe 1 haben die Frauen die höchste Geburtenrate.  

2016 hat Dr. Schröder den Friedensnobelpreisträger Shimon Peres kennengelernt, der damals sagte: „Only those countries can prosper that educate their women.“

Das heißt die Bildung der Frauen ist der Schlüssel für die Regulierung des Bevölkerungswachstums. Wenn eine Frau gebildet ist wird sie im Schnitt 1,5 Kinder haben, so liegt die durchschnittliche Geburtenrate in Europa bei 1,5.

Ein Problem ist aus der Sicht von Frau Dr. Schröder die Religion, denn statistisch ist klar nachweisbar, dass Atheisten signifikant weniger Kinder als religiöse Menschen haben.

Die wichtigste Erfindung des 21. Jahrhunderts ist aus Ihrer Sicht bis jetzt die Genomeditierung. Die Genomeditierung (CRIPSR – Cas9) wurde von der jungen französischen Wissenschaftlerin Emmanuelle Charpentier, die eine Zeit lang auch am Institut von Dr. Schröder gearbeitet hat, und der Biochemikerin und Molekularbiologin Jennifer Doudna entdeckt.

In diesem Zusammenhang betont Dr. Schröder wie wichtig die Grundlagenforschung, denn die Wissenschaft war bislang der Meinung gewesen, dass Bakterien kein Gedächtnis und kein adaptives Immunsystem haben.

Die Wissenschaftlerinnen haben an am fleischfressenden Bakterium „Streptococcus pyogenes“ gearbeitet, das zwar normalerweise harmlos ist, wenn jedoch das Immunsystem nicht gut funktioniert ist dieses Bakterium tödlich.

Dr. Schröder zeigt in der Folie „CRISPR“ einen Kreis, der eine Bakterienzelle darstellt. Ebenso zu sehen ist ein Virus, der die Bakterienzelle überfällt. Dieser Virus landet an der Oberfläche der Bakterienzellen und spritzt seine DNA in die Zelle hinein. Die DNA beinhaltet die genetische Information des Virus und normalerweise übernimmt diese DNA den ganzen Stoffwechsel der Bakterienzelle, um die Viren zu vermehren und wenn die Bakterie platzt sind Tausende Viren entstanden. Das ist der normale Vorgang, wenn ein Virus eine Bakterienzelle infiziert, aber manche Bakterienzellen schaffen es diese DNA zu schneiden und bauen diese DNA in das eigene Genom ein.

Wer z. B. HIV infiziert ist hat das HIV Genom im eigenen inkubiert. Da gibt es repetitive Sequenzen, die immer wieder vorkommen, das sind die schwarzen Symbole auf der Folie. Die bunten Stückchen sind DNA Sequenzen von Viren, die einmal in der Vergangenheit diese Bakterienzelle infiziert haben. Das heißt die Bakterienzelle hat ein Gedächtnis zu wissen was ein Virus ist und weiß von welchen Viren es einmal in der Vergangenheit infiziert worden ist. Was so genial ist an diesem System ist, dass diese DNA-Sequenz in RNA umgeschrieben wird und RNA ist die aktive Form der DNA. Die DNA ist ja die passive Speicherform in der Zelle, das ist der Speicherplatz. Wird die Information gebraucht muss Sie umgeschrieben werden in Ribonukleinsäure, das ist eine ganz ähnliche Struktur, die ein Sauerstoff mehr hat pro Baustein und das ist die aktive Form die Funktion und Information in einem beinhaltet. Das wird umgeschrieben in ein kleines RNA Molekül und das hat einen Teil der DNA-Sequenz vom Virus abgeschrieben. Diese kleine RNA bindet jetzt an ein Eiweißmolekül, diese „Cas9“, das ist ein Protein, das eine DNA-Schere ist. Das ist ein Protein, das Magnesiumionen hat, und die DNA aufschneiden kann, aber das tut sie nicht, da sie nicht weiß wo sie schneiden soll. Wenn diese kleine RNA aber an diesem Protein gebunden ist weiß sie genau wo sie schneiden soll. Wenn dann nochmals ein Virus reinkommt und die DNA da hineinspritzt erkennt die Zelle „Hoppala, das ist eine virale DNA“ und schneidet und zerstört sie.

Für Dr. Schröder ist dies ein einfacher Vorgang: Das „Cas9“ Protein bindet eine bestimmte RNA und wird dann praktisch jede DNA, die diese Sequenz hat, binden und schneiden, weil die Zelle jetzt weiß diesen Virus hatte ich schon und dagegen resistent geworden ist. Auch die Nachkommen dieser Bakterienzelle sind resistent, weil die Informationen im Chromosom, also in der DNA der Zelle, beinhaltet sind. Dr. Schröder zeigt sich von diesen Entdeckung begeistert.

Sie erklärt, dass der nächste große Schritt ist, dass das „Cas9“ Protein in allen Zellen funktioniert. Man kann dieses Protein in jede Zelle hineingeben, in die Fliege, in Menschen, in Fische, in Pflanzen. und wenn sie die richtige RNA bekommt wird sie dort schneiden – und das ist diese Genomeditierung.

Sie erinnert in diesem Zusammenhang an die frühere Gentherapie und erklärt warum diese ein Problem war. Wenn ein Mensch eine genetische Mutationen hatte und schwer krank war, waren die Gene in einer inaktiven Form. In so einem Fall hat man einfach ein Stück DNA mit dem Gen und der richtigen Information in die Zelle hineingeschickt, damit dieses fehlende Protein gemacht wird und die Zelle wieder gesund wird. Das hat sehr gut funktioniert, allerdings mit einem riesigen Problem: Die Wissenschaft konnten nicht kontrollieren wo dieses Stück DNA hingeht. Es war russisches Roulette, denn das Stück DNA geht in die Zelle hinein und sucht sich irgendwo einen Platz und inseriert sich ins Genom. Dieser Vorgang war nicht gut kontrollierbar. Mit der zuvor beschriebenen neuen Methode kann man diese kleine RNA genau dorthin schicken wo man sie haben will, das ist der wissenschaftliche Meilenstein.

Was wir jetzt brauchen für die Genomeditierung, ist das Protein genannt „Cas9“, dann stellen wir diese Guide RNA, die man am Computer designen kann, her. Diese bestimmte Sequenz brauche ich für das Gen das eine Mutation hat, die krank macht, denn wir kennen die Sequenz, die richtig sein soll. Dann haben wir einen Synthesizer wo wir die 4 Baustellen in der richtigen Reihenfolge synthetisieren, das geht in 10 Minuten. Dann haben wir das Protein, geben beides zusammen und spritzen es in die Zelle. Dieser Vorgang geht laut Dr. Schröder wirklich sehr einfach (siehe Folie Guide RNA).

Dr. Schröder fasst zusammen: Es gibt ein Gen, das ein Problem hat, das wir verändern wollen. Dann wird eine kleine RNA designt, die man Guide RNA nennt, mit der Genschere schneiden wir diese hinein und das einzige was das Protein macht: es schneidet dort. Mehr kann das Protein nicht, aber es wird ein Stück DNA mitgeschickt mit der Sequenz, die man haben will und die wird eingebaut und das ist dann die neue Sequenz. Das funktioniert relativ gut, es gibt zwar noch etliche Probleme, aber in der Forschung, um Mutationen zu machen, wird diese Technik alltäglich verwendet. Es ist also wirklich ein Riesenschrittfortschritt.

Folie („minipigs“ Chinese scientists want to sell these teensy genetically-engineered pigs as pets)

Diese Vorgehensweise funktioniert in allen Zellen. Ein chinesischer Wissenschaftler  hat diese Technik als erster verwendet und etwa 10-15 Gene verändert um aus einem großen Schwein ein Minischwein machen. Dabei hat er alle Wachstums-regulierungsgene verändert mit der Idee diese Minischweine als Haustier zu vermarkten. Zu dem Zwecke wurde ein Embryo verwendet und das „Cas9“ Protein mit einem Cocktail von kleinen RNAs losgeschickt.

Man nennt diese Tiere daher auch cup-pigs, weil sie in eine Tasse hineinpassen. Für Dr. Schröder war dieses Experiment wichtig, um zu zeigen, dass diese Methode anwendbar ist, natürlich kam es sofort unter Wissenschaftlern, Philosophen und Ethikern zu intensiven Debatten und einem Moratorium für den Einsatz dieser Methode am Menschen.

In der Folge erklärt sie den Unterschied zwischen keimbaren und somatischen Zellen. Soma ist die altgriechische Bezeichnung für Körper, bei somatischen Zellen geht es um Körperzellen. Diese Zellen kann die Wissenschaft verändern. Wenn die Wissenschaft die Keimbahn verändert, dann wird diese Veränderung an die nächste Generation vererbt. Wenn die Wissenschaft jetzt ein bestimmtes medizinisches Problem entdeckt, entnimmt sie Knochenmarkzellen, also Stammzellen aus dem Knochenmark, um dieses Problem zu lösen, dort machen sie die Genomeditierung. Sie kultivieren die Zellen, schicken Sie zurück ans Knochenmark und „heilen“ damit den Patienten. Diese Veränderung geht nicht in die Keimbahn, denn die Wissenschaftler haben die Genomeditierung nur am Patienten gemacht, die Kinder des Patienten werden diese Mutationen also nicht haben.

Derzeit gibt es einen allgemeinen Konsens, dass diese Technik für die somatischen Behandlungen demnächst kommen wird, aber für Eingriffe in die Keimbahn gilt ein Moratorium, weil wir nicht genau wissen, ob diese RNA, wenn sie nicht ordentlich gemacht ist, auch daneben hinkommen kann.

Dieses Moratorium bestand bis zum November 2018. Im November 2018 gab es einen ganzer Kongress zur Genomeditierung in Hongkong, auf dem der chinesische Wissenschaftler Dr. Jiaokui He von der Geburt der Zwillingsmädchen Nana und Lulu berichtet hat, die nach IVF und CRISPRCas Genomeditierung gesund (?) zur Welt gekommen sind. Dabei hat Dr. He das Genom der Mädchen so editiert, dass sie die HIV Infektion ihres Vaters nicht bekommen sollen.

Zudem sind etliche weitere Frauen auch noch schwanger mit Genomeditierten. Dr. He hat diese Eingriffe im geheimen gemacht, also nicht an der Universität, sondern bei einer Firma und er hat mit niemandem so richtig darüber gesprochen, doch diese Eingriffe waren sehr stümperhaft gemacht. Wegen der HIV Infektion des Vaters hat er eine In-vitro-Fertilisation durchgeführt und dabei eben das Genom der beiden Mädchen verändert, so dass Sie resistent sind gegen HIV.

In Europa gibt es Mutationen, die HIV resistent machen. Wenn das HIV Virus die Zelle infiziert muss es auch durch die Zellmembran durch und da gibt es einen Rezeptor bei dem der HIV Virus ansetzt und viele unter uns haben eine Mutation an diesem Rezeptor und daher kann der Virus erst gar nicht in die Zelle hinein. Es gibt also ganz viele genetisch HIV resistente Menschen. Der chinesische Wissenschaftler hat diese Mutation genommen und wollte diese den Embryonen einsetzen, damit sie diese Mutation haben und nicht HIV infiziert werden, aber er hat so stümperhaft gearbeitet, dass keine der beiden Zwillinge, die richtige Mutation haben. Zudem hat der chinesische Wissenschaftler die notwendigen Kontrollen nicht ordentlich gemacht und wir wissen daher jetzt auch nicht was passiert.

Die Mädchen wurden in der Folge geboren und Dr. He behauptet sie sind gesund, aber ob die Zwillingsmädchen HIV resistent sind wissen wir nicht. Die beiden Kinder, Nana und Lulu, sind formal geschützt, da die beiden Vornamen Decknamen sind, aber es weiß kein Mensch weiß wo sie sind und was mit Ihnen ist.

Noch beim Kongress selbst ist der Rektor der Universität gekommen und hat Dr. He genommen und dieser ist nun in Hausarrest an der Universität, sein Labor wurde zugemacht und es weiß niemand so wirklich was los ist.

Viele vergleichen diesen Vorfall jetzt mit der Atombombe, doch im Prinzip ist es kein Malheur und nicht wirklich der Weltuntergang, denn die Methode wird irgendwann einmal angewendet werden die Frage ist nur wie.

Die folgende Folie „Unsterblich oder für immer jung!!!“ befasst sich mit der Forschung gegen das „altern“! Dr. Schröder erinnert an die Fähigkeit zur Regeneration bei Tieren wie z. B. dem Axolotl und dem Salamander an denen auch sehr viel geforscht wird, denn das sind Tiere, die sich regenerieren. Wenn man diesen Tieren z. B. ein Glied abschneidet, regeneriert sich dieses von selbst. Normalerweise haben wir Menschen Zellen, die altern, also alternde Zellen, das ist ja unser Problem als Menschheit, doch diese Tiere altern nicht, weil diese alternden Zellen vom Immunsystem absorbiert werden. Es ist sehr spannend wie diese Zellen in den Selbsttod genommen werden und wie das Immunsystem das Körper eigene System von alten Zellen reinigt. Der Axolotl kommt auf die Welt, wird reproduktionsfähig, reproduziert sich und geht zurück in so Art Prepubertätsphase und bleibt ewig in dieser und altert nicht. Interessant ist, dass der Mensch auch alle Gene hat, die der Axolotl hat, um diesen Prozess zu durchleben.  

Das heißt die Frage ist ob es möglich sein wird, dass wir unser Immunsystem so boosten, dass Krebszellen und alternde Zellen besser abgebaut werden, damit die Stammzellen immer frisches Material nachgenerieren können. So sieht Dr. Schröder unsere mögliche Unsterblichkeit, nicht durch Apparate, sondern rein dadurch, dass unser Immunsystem alternde Zellen rechtzeitig abbaut.

Die Wissenschafterin für die das Leben ein chemischer Prozess ist hält fest, dass Stammzellen unsterblich sind, diese können sich ewig vermehren und irgendwann einmal kann sich eine der Stammzellen entscheiden entwickle ich mich jetzt zu einem Menschen oder zu etwas anderem. Da gibt es sehr viel Material dazu und wenn unsere Stammzellen immer frische Zellen nachliefern würden müssten sie nicht altern.

Abschließend erklärt Dr. Schröder, dass nicht alles was erfolgreich ist, gut ist und auch nicht alles was neu ist, gut ist, und auch in der Wissenschaft die Mittel keinesfalls den Erfolg heiligen.

Credits

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Waldviertler Akademie – Univ.Prof. Dr. Renée Schroeder Wolfgang Müller CC BY SA 4.0
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