Vertraut keinem Umzugsunternehmen nicht

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Lebenswelten

Hast du dir schon mal eine Dokumentation angesehen, wie ein Einsiedlerkrebs umsiedelt? Im Grunde genommen gleicht der Umzug eines Einsiedlerkrebses dem eines Menschen, nur dass es bei ihm unkomplizierter verläuft. Das universelle Ziel aber ist dasselbe: das alte Haus verlassen und das neue beziehen. Von A nach B – mit so wenig Aufwand als möglich.

In der Menschenwelt funktioniert dies in der Regel mithilfe eines Umzugsunternehmens. Da entstehen zwei Arten von Kostenposten: Entweder du zahlst dem Unternehmen 25-30 Euro pro Stunde, oder du heuerst ein All-inclusive-Unternehmen an. Das Zweitere klingt doch praktischer, möchte man meinen. Summa summarum machte mein Umzug insgesamt 2.500 Euronen aus für zwei Wohnungen in ein Reihenhaus inklusive Umbau einer Küche sowie die Montage der Möbel; und die verlassenen Wohnungen sollten „besenrein“ hinterlassen werden.

Die Dauer für den Umzug wurde mit insgesamt drei Tagen anberaumt (Freitag, Samstag und Sonntag). Daraus wurde fast eine Woche. In diesem Fall würde Lenin sagen: „Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser.“ Ich bin grundsätzlich gegen dieses Motto, doch selbst dann, wenn du die Kohle vertrauenswürdig auf den Tisch legst, muss trotzdem alles selbst koordiniert werden, was genau wohin kommt; weiters nachkontrolliert, ob eh alles mitgenommen wurde, das entsprechend gekennzeichnet wurde; und kontrolliert, ob die Möbel beim Abmontieren eh nicht kaputt gegangen sind oder beim Zusammenbau nicht gepfuscht wurde.

Das Einpacken in die Umzugskartons musst du übrigens auch noch mit einberechnen – also kommst du auf ca. einen Monat Umzugsdauer.

Doch anscheinend hat sich in den letzten zehn Jahren beim bezahlten Umzugsservice nichts geändert: Wer vertraut, wird mit Pfuscharbeiten oder mit Änderungen des ursprünglich Abgemachten konfrontiert. Und wenn ich die Hin- und Herfahrerei sowie die entstandenen Schäden dabei addiere, komme ich plötzlich auf ingesamt 3.000 Euro Umzugskosten. Die Schäden, die dabei entstehen, sind generell Kratzer und Schmutzflecken an den Wänden.

Das Dreisteste von allem: Einige Kartons sind verschwunden. (Nach telefonischer Intervention aber später doch wieder aufgetaucht …)

Was heißt eigentlich „besenrein“? Über diesen Begriff, der häufig im Mietvertrag als Forderung vermerkt wird, lässt sich streiten. Es gibt nämlich kein Gesetz, in dem das Wort „besenrein“ vorkommt oder es gar näher beschrieben wird. Das Umzugsunternehmen definiert diesen Begriff jedenfalls als:

Die Wohnung wird dem Kunden besenrein abgegeben, indem jeglicher Müll entsorgt und der Keller entrümpelt wird. Der Schmutz, der beim Umzug zurückbleibt, wird zusammengekehrt und vom Unternehmen entsorgt.

Jedoch ließ sich hernach nicht die Spur von einer Besenreinheit erkennen, sondern vielmehr das Gegenteil: leere Getränkedosen verteilt in der Wohnung, Tschikstummel im Kaffehäferl, Staubablagerungen unter den Möbeln, die nicht gekehrt und weggeräumt wurden – und in der Toilette hat jemand sein großes Geschäft runterzuspülen vergessen. Meine zehn Säcke Einmachglasln im Keller durfte ich ebenfalls selbst wegwerfen.

Der Grund dafür war, dass niemand von uns kontrolliert hat, ob die Wohnung tatsächlich „besenrein“ hinterlassen wurde. Fünf weitere Stunden wollten die Herrschaften zusätzlich bezahlt bekommen, weil sie zeitlich im Verzug gewesen seien. Es waren insgesamt drei Umzugsarbeiter am Werk. Ausgemacht war, dass einer von ihnen im neuen Haus bleiben und die Möbeln zusammenbauen sollte. Doch stattdessen fuhren alle drei gemeinsam mehrmals hin und her. Diese fünf Stunden fehlten natürlich später für die Montage und den Küchenumbau. Deshalb musste das Umzugsunternehmen die fünf „zusätzlichen“ Stunden auf zwei weitere Tage aufteilen – denn wer könne schon drei Tage hindurch top-fit arbeiten?

Die psychische Belastung, die dabei für mich entstand, machte mir zu schaffen. Immer wollten sie den Spieß umdrehen und so den Kunden, also mich, dominieren. Es entstanden verbale Konflikte, in denen ich ihnen klar machen musste, dass ich als Kunde die Dienstleistung in Anspruch nehme und nicht umgekehrt.

Tja, im Nachhinein ist man klüger. Wenn du gute Bekannte, Freunde und Familie hast, ist es wohl besser, mit ihnen den Umzug zu organisieren. Denn nur dort ist Vertrauen tatsächlich möglich. Das Füreinander-Da-Sein kommt nur dann wirklich zur Geltung. Und irgendwann brauchen sie auch deine Hilfe, und dann ist es doch gut, wenn man wiederum für sie da ist.

Die Bürokratie, die durch einen Umzug entsteht, ist ein Krampf. Als Bürger hast du ja eine Identität. Jede offizielle Änderung, vor allem die Adressenänderung deiner Daten, kostet sehr viel Zeit und Geld. Weiters müssen die Kündigungsfristen eingehalten werden. Das Erledigen des Papierkrams mutiert zu einem kafkaesken Szenario, und das Warten auf Antwortschreiben grenzt an die Ewigkeit.

Energie, wie Strom und Heizung, müssen runtergefahren, und andere Energien, wie Resilienz und Ausdauer, hochgefahren werden.

Dann gibt es da noch die Sache mit dem Internet. Ja, wir glauben alle, dass im 21. Jahrhundert, im digitalen Zeitalter, alle Datenbanken auf irgendeine Art und Weise miteinander vernetzt seien. Das mag sein, aber sobald ein Internetprovider eine Monopolstellung in der Umgebung hat, muss man als Kunde sehr sekkant sein, um seinen Internetzugang binnen zwei Wochen zu bekommen. Der User muss schließlich warten! Könnt ihr euch das vorstellen, wie frustrierend das für einen Menschen ist, der das Internet als Arbeitstool nutzt? Schließlich wurde der Zugang hergestellt, und mir fiel ein Stein vom Herzen.

Ja, auch am Land musst du um deine Rechte kämpfen.

Ein Umzug ist gar nicht schön. Du sagst deiner alten Heimat Ade und begrüßt eine neue. Dein Umfeld ändert sich radikal. Aus einer Metropole gelangt man in eine Umgebung von Tal, Bach und Bergland. Ich muss jetzt plötzlich 104 m² auf drei Ebenen mit Garten verwalten – davor waren es 52 m² in einer Altbauwohnung mitten in einer Großstadt – mit einem Kerker, pardon Kellerabteil (sah aber aus wie ein Kerker).

Jetzt habe ich eine Familie, um die ich mich kümmere und muss also für drei Personen denken. Ich bin jetzt kein Kind mehr ohne Verantwortungsgefühl. Ja, jetzt bin ich erwachsen – aber verliere trotzdem nie das Kindsein in mir. Ich kann nun sagen, dass ein Teil meines Traumes nun erfüllt wurde.

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"Besenrein" in Prag, Tschechien „Besenrein“ in Prag, Tschechien Patryk Kopaczynski CC BY-SA 4.0
"Besenrein" in Warschau, Polen „Besenrein“ in Warschau, Polen Patryk Kopaczynski CC BY-SA 4.0
"Besenrein" in Wlodawa, Polen „Besenrein“ in Wlodawa, Polen Patryk Kopaczynski CC BY-SA 4.0
Der Umzug Der Umzug Patryk Kopaczynski CC BY-SA 4.0
8019214719_e0b481af92_o 8019214719_e0b481af92_o Les Haines CC BY 2.0