Wir gewöhnen uns an den Fliegenden Holländer

Der Fliegende Holländer
Lebenswelten

Als Kind liebte ich es, Scooby-Doo zu schauen. Ich hatte eine ganze Sammlung von diesen klotzigen Videokassetten, die ich mir wieder und wieder ansah. Und ich träumte immer davon, dass ich eines Tages in so einem Campingbus die Welt bereisen und versuchen würde, ihre Geheimnisse zu verstehen und vielleicht sogar zu lösen – so wie Scooby-Doo. Nach meinem Uni-Abschluss ging ich nach Australien, und dort wurde dieser alte Traum wahr: Zusammen mit einer Freundin mietete ich einen Camper, und wir entschieden uns, einfach immer der Straße nachzufahren. Es war all das, was ich mir immer vorgestellt hatte, und noch mehr. Doch (Spoiler-Alarm!) es war nicht nur Milch und Honig.

Wir starteten in Melbourne nach einer Partynacht, erschöpft, aber glühend vor Aufregung. Mit riesigen Rucksäcken und noch mindestens einer Tasche in jeder Hand gingen wir zu dem Zug, der uns zu der Autovermietung bringen würde, bei der wir den Bus abholen wollten. Unmöglich kann ich das Gefühl von Amüsiertheit und Sorge vergessen, was unser neues Zuhause sein würde, als wir dort ankamen. Der Parkplatz war voll von abgenudelten Bussen, schäbig und rostig. Denkt nicht einmal eine Sekunde lang daran, dass ich versuche, sie als „Klassiker“ zu beschreiben!

Nachdem wir den nötigen Papierkram unterschrieben hatten, gehörte der „Fliegende Holländer“ für die nächsten paar Wochen uns. Wir machten uns damit auf den Weg und wollten zunächst nach Sydney. Meine Freundin saß am Steuer, während ich versuchte, einen Weg aus der Stadt hinaus zu finden. Wir erinnerten uns daran, dass die Lady von der Vermietung uns geraten hatte, die mautpflichtigen Abschnitte des Highways zu meiden, wenn wir Geld sparen wollten. Wir waren müde und hatten nicht wirklich einen Plan. Dies und der Versuch, die beste Fahrtroute zu finden, machte uns beide dünnhäutiger als üblich, was zu einem heftigen Streit führte.

Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, redeten wir darüber. Uns wurde klar, dass wir jetzt zusammen da drinsteckten und daher ein paar Regeln brauchen würden. Wir einigten uns auf eine einzige: IMMER offen zu sein. Wir entschieden, dass wir, wenn das funktionieren sollte, die Bedürfnisse und Wünsche der anderen Person kennen und einen gemeinsamen Nenner finden, vielleicht sogar ab und zu Kompromisse schließen müssten.

Sich an das Fahren des Busses zu gewöhnen, war einer der Hauptgründe, die für Heiterkeit sorgten. Wir waren an europäische Autos gewöhnt, was alles ein bisschen verwirrend machte. Einfache Aufgaben wie das Blinken wurden zu einer Herausforderung, weil wir jedes Mal den Scheibenwischer einschalteten, wenn wir eigentlich blinken wollten. Nachdem wir das gelernt hatten, war unsere nächste Aufgabe, die antiquierte Heizung des Busses unter Kontrolle zu bringen, die buchstäblich nur zwei Stufen hatte: Hitze oder keine Hitze!

Unser Bus war in einem so desolaten Zustand, dass der Wind durch alle Ritzen pfiff, daher schien Hitze zunächst eine gute Option zu sein. Solange, bis wir Schicht um Schicht ausgezogen hatten und schwitzten wie verrückt. Heizung an – Kleidung aus und die Sauna genießen. Heizung aus – alles wieder anziehen und sich auf Minnesota vorbereiten.

Wir hatten ungefähr 800 Kilometer bis Sydney zu fahren und noch nicht einmal die Hälfte geschafft. Weil wir so müde waren, entschieden wir, dass es sicherer sei, eine Schlafpause einzulegen. Wir wussten, dass es in Australien massenhaft Campingplätze gab, wir mussten nur einen davon finden. Ich lud eine App herunter und fand einen kostenlosen Campingplatz, der nicht allzu weit weg war. Wir fuhren hin – und fanden einen verlassenen Platz vor, ohne Licht und mit einer dubiosen Toilette.

Das Wort „widerwillig“ reicht nicht ganz aus, um die Stimmung meiner Freundin zu beschreiben. Sie fühlte sich unsicher, und offen gesagt wirkte der Ort wirklich ziemlich komisch. Trotzdem entschieden wir uns zu bleiben, motiviert von dem Wunsch nach dem „authentischen“ Campingbus-Erlebnis. Wir hatten ja keine Ahnung! Wir parkten also unseren Fliegenden Holländer und machten uns bettfertig. In einer stockfinsteren Toilette mit eiskaltem Wasser die Zähne zu putzen und bei Minustemperaturen die Pyjamas anzuziehen war ja noch nicht so schlimm – aber dass wir nicht wussten, wie das Bett zu installieren war, stellte sich als ziemlich problematisch und frustrierend heraus.

Das Bett hatte eine Verlängerung, die wir anbauen mussten. Der Vorgang war so ähnlich wie das Zusammensetzen eines Puzzles; wir drehten jedes Element in alle Richtungen, um herauszufinden, wie es hineingehörte, bis endlich alles seinen Platz gefunden hatte. Das Problem war: An jedem Morgen mussten wir das Bett wieder auseinanderbauen, um an den Kühlschrank zu kommen, der in der Mitte, irgendwo unter dem Bett, positioniert war. Ziemlich unpraktisch, oder?

Am nächsten Tag schafften wir es nach Sydney. Wir waren völlig ausgehungert und beschlossen, uns gleich in die Stadt zu begeben. Während wir die Straßen Sydneys durchwanderten, sahen wir einen CD-Laden. Wir grinsten uns an und gingen hinein. Nachdem wir ein paar Minuten herumgestöbert hatten, beschloss ich, den Inhaber zu fragen, ob er vielleicht ein paar Second Hand-CDs hätte. Er nahm uns mit ins Hinterzimmer, wo zwei gigantische Kartons voller CDs auf uns warteten. Nach einer halben Stunde des Herumwühlens hatten wir eine Auswahl von 70 Stück (ja, ihr habt das richtig verstanden). Für alles zusammen bezahlten wir sieben Dollar. Was für ein Schnäppchen! Glaubt mir, es gibt nichts Schlimmeres als in einem Bus zu stecken und stundenlang zu fahren ohne Radioempfang!

  • Erste Lektion: Bevor man einen Bus mietet, sollte man ihn sich anschauen.
  • Zweite Lektion: Vorher die Verkehrsregeln verstehen und die Fahrt auf einer Karte planen.
  • Dritte Lektion: Mit ehrlicher und konstruktiver Kommunikation kommt man am weitesten – buchstäblich in unserem Fall.
  • Vierte Lektion: Nehmt euch ein bisschen Zeit, um das Fahrzeug zu verstehen, schließlich wird es für eine Weile euer Zuhause sein.
  • Fünfte Lektion: Bevor man zu einem Campingplatz fährt, sollte man ihn zumindest googeln.
  • Sechste Lektion: Musik! Musik! Musik!

Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake

Credits

Image Title Autor License
Der Fliegende Holländer Der Fliegende Holländer Teo Dascal CC BY-SA 4.0