Antworten der Grünen auf unsere Fragen zur Nationalratswahl

Politik

Ende August haben wir an alle bei der Nationalratswahl kandidierenden Parteien zehn Fragen übermittelt. Bis zum Redaktionsschluss haben Grüne, KPÖ, SPÖ, Liste Gaza, FPÖ, MFG, Keine von denen (Wandel) und NEOS geantwortet. Die Rückmeldung der Liste Petrovic erfolgte im Rahmen eines Podcasts. Diese Antworten werden wir von heute, 17.9.24 an, Tag für Tag veröffentlichen. Von der Bierpartei kam der Verweis auf deren Wahlprogramm und Videos.

Hier die Antworten der Grünen:

Welches Gehalt sollten Politiker Ihrer Meinung nach verdienen? Ist es aus Ihrer Sicht legitim, zusätzliches Einkommen zu erzielen und wenn ja, in welcher Höhe?

Die Tätigkeit von Politiker:innen soll angemessen entlohnt werden. Schon jetzt verdienen Politiker:innen deutlich weniger als in der Privatwirtschaft. Wir halten deshalb die aktuell im Bundesbezügegesetz geregelten Gehälter für sachgerecht. Ein angemessenes Gehalt sorgt auch dafür, dass Politiker:innen finanziell nicht auf Lobbyist:innen-Gelder angewiesen sind.

Als wichtiges Zeichen in der Krise hat die Bundesregierung außerdem 2021 und 2024 Nulllohnrunden für Spitzenpolitiker:innen beschlossen.

Während Regierungsmitglieder keine Nebenjobs haben dürfen, sollen Nationalratsabgeordnete einen Querschnitt der Bevölkerung darstellen und ihre Erfahrungen aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit oder aus der Zivilgesellschaft mitbringen. Deshalb gibt es hier kein Verbot von Nebeneinkünften.

Wir Grünen fordern aber mehr Transparenz und strenge Regeln für die Parlamentarier:innen bei den Nebeneinkünften: Wo Nebeneinkünfte verschwiegen werden, muss es in Zukunft ernsthafte Sanktionen geben.


In der sogenannten Corona-Krise hat das Vertrauen in die verantwortlichen Politiker und das politische System bei vielen Menschen drastisch abgenommen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dieses wiederherzustellen und welche Schritte sind zur Aufarbeitung dieser Zeit (noch) zu setzen?

Was wir gesehen haben: Wir waren nicht auf eine solche Pandemie vorbereitet. Entsprechend wurden Maßnahmen immer wieder evaluiert und angepasst, haben sich auch immer wieder Maßnahmen verändert. Und: Es steht ebenfalls außer Frage, dass die COVID-19-Pandemie vor allem bei Jugendlichen tiefe Spuren hinterlassen hat. Die gesetzten Maßnahmen waren immer dem jeweiligen Kenntnisstand entsprechend und durchaus auch notwendig, um das Gesundheitswesen zu schützen. Aus heutiger Sicht würden wir aber Maßnahmen anders setzen und anders bewerten, auch das muss ehrlicherweise gesagt werden. Jedenfalls braucht es eine klarere, bessere Kommunikation und zielgerichtete Strategien gegen Fake News. Transparente, wissenschaftsbasierte Kommunikation und globale Solidarität sind uns wichtig, um Vertrauen zu schaffen und Impfstoffgerechtigkeit sicherzustellen. Wir Grüne wollen daher zukünftig Pandemien präventiv und umfassend angehen. Außerdem sehen wir einen Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Pandemien – der Schutz der Biodiversität kann neue Pandemien verhindern. Unser Ziel ist ein resilientes und gerechtes Gesundheitssystem.


Wie wollen Sie die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Regelung zum „Bundestrojaner“ verfassungsgemäß gestalten und wo sind für Sie die Grenzen der Überwachung der Bürger?

Die Grünen sind dagegen, dass es zu einer überhasteten Ausweitung von Überwachungsbefugnissen wie dem Bundestrojaner kommt. Es ist wichtig, dass unsere Sicherheitsbehörden auf terroristische Bedrohungen entsprechend reagieren können, solange sie sich dabei in einem verfassungsrechtlichen Rahmen bewegen. Bei der Überwachung verschlüsselter Messenger-Apps stellen sich viele Fragen der Bürgerrechte, des Missbrauchsschutzes und der technischen Umsetzung, weshalb wir zugestimmt haben, Rechts- und Technikexpert:innen in einem öffentlichen Begutachtungsprozess einzubinden.


Wie stehen Sie zur Entscheidung einen „Nationalen Sicherheitsberater“ zu installieren und zur Erweiterung der Aufgaben des österreichischen Bundesheeres im Hinblick auf die Unterstützung der Polizei? Wie wollen Sie das Heer wie im sicherheitspolitischen Jahresbericht gefordert, „kriegsfähig“ machen?

Das Einsetzen eines Regierungsberaters durch das Bundeskrisensicherheitsgesetz war ein wichtiger Schritt, nach den Erfahrungen mit den Krisen der letzten Jahre. Obwohl die Krisen oftmals in einem Bereich begannen, hatten sie rasch Auswirkungen auf andere Bereiche – wie etwa die COVID19-Krise, die schnell Auswirkungen auf alle Bereiche der Gesellschaft hatte. Der/Die Regierungsberater:in behält alle Bereiche im Blick und berät die Regierung ganzheitlich und präventiv.
Assistenzleistungen des Bundesheeres im Bereich der inneren Sicherheit sind in Katastrophensituationen sinnvoll, sollten sich aber auf konkrete Situationen und Dauer beschränken.
Das Bundesheer muss jedenfalls so ausgestattet sein, dass die umfassende Landesverteidigung möglich ist.


Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die immerwährende Neutralität Österreichs und ist ein NATO-Beitritt für Sie vorstellbar oder gar notwendig?

Obwohl wir zwischen Freunden und Partnerstaaten in einem der sichersten Länder der Welt leben, brauchen wir eine aktivere Neutralitätspolitik, die durch umfangreiche Entwicklungszusammenarbeit, strategische Auslandseinsätze und geschickte Mediation in Konfliktsituationen proaktiv am Frieden arbeitet. Wir Grüne wollen, dass die Europäische Union auf militärischer Ebene verstärkt zusammenarbeitet, Synergien nutzt und gemeinsame Auslandseinsätze zur Konfliktprävention aufrechterhalten und gestärkt werden. Ein Beitritt zur NATO ist weder mit der Verfassung vereinbar noch etwas, das wir Grüne anstreben.


Welche Regeln wünschen Sie sich für eine menschenrechtskonforme Asylpolitik?

Wir stehen für eine Flüchtlingspolitik im Ausgleich zwischen Menschlichkeit und Ordnung. Mit klaren Regeln, wie unseren unverhandelbaren Menschenrechten, die für alle gelten. Kernbestandteil einer EU-Asylpolitik ist ein fairer Verteilungs- und Solidaritätsmechanismus. Wir fordern Verantwortung von allen EU-Mitgliedstaaten sowie Sanktionen für jene, die sie nicht wahrnehmen. Grenzen müssen menschenrechtskonform kontrolliert werden, um Schutz zu gewährleisten. Auch sichere Fluchtwege wie z. B. Resettlementprogramme bringen mehr Ordnung. Und sie sind die beste Lösung, um jenen Menschen auf geordnetem Weg Schutz zu gewähren, die ihn am dringendsten brauchen – und gleichzeitig Menschenhandel effektiv zu bekämpfen. Asylsuchenden, denen nach fairen Verfahren kein Schutz zuerkannt wurde, oder die schwere Straftaten begangen haben, müssen Österreich wieder verlassen, wobei Menschenrechte stets gewahrt bleiben müssen.

Unser Motto bei der Integrationspolitik lautet „Integration ab Tag 1“: Wir setzen uns seit Jahren für einen effektiven Zugang zu Arbeit und Deutschkursen während des Asylverfahrens ein und wollen die Integrationsangebote ausbauen. Damit nach Österreich geflüchtete Menschen möglichst rasch aus eigenen Kräften einen Beitrag leisten können und damit die Regeln unseres Landes (Menschenrechte, Gleichberechtigung) von Anfang an klargestellt sind.


Welche Pläne haben Sie für eine Reform des ORF, vor allem im Hinblick auf die Besetzung des Stiftungsrates (Stichwort „Entpolitisierung“), die ORF-Gebühren und die Verhinderung politischer Interventionen?

Er braucht eine Entparteipolitisierung, aber sicherlich keine Entpolitisierung, ein Öffentlich Rechtlicher Rundfunk muss per se politisch sein.

Aus unserer Sicht sollte es ein funktionsfähiger Aufsichtsrat mit fünf bis sieben Mitgliedern sein, dessen Mitglieder in einem transparenten und öffentlichen Auswahlverfahren nach objektiven Kriterien und einem öffentlichen Hearing bestellt werden. Es wäre überdies davon abzugehen, dass es ein Ehrenamt ist. Die Aufsichtsrät:innen müssten jedenfalls gesetzlich festgelegte Voraussetzungen erfüllen. Davon getrennt ein Publikumsrat, der in seinen Rechten gestärkt wird und mit einem gänzlich anderen Modus bestellt wird. Zur Aufwertung des Publikumsrats, der bereits bisher in programmlichen Fragen tätig wird, soll eine neue und nicht nur nebenberuflich tätige Stelle eingerichtet werden, die Beschwerden des Publikums eingehend behandelt.

Der ORF-Beitrag soll jedenfalls beibehalten werden, er ist für alle günstiger und sichert den ORF vor weiterer politischer Einflussnahme.

Letztlich sollte das Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der Landesdirektor:innen ersatzlos gestrichen werden.


Welche Möglichkeiten und Notwendigkeiten zur Verbesserung des Gesundheitssystems sehen Sie?

Die dringlichsten Herausforderungen: Lange Wartezeiten in Spitälern sowie bei Fachärzt:innen, Unterversorgung an Hausärzt:innen besonders auch in ländlichen Regionen und ein Gesundheitspersonal, dass oftmals an der Belastungsgrenze steht. Die Gesundheitsreform setzt in all diesen Bereichen an. Erstmals in der Geschichte gab es direkte finanzielle Zuwendungen an die Krankenversicherungen, um Kassenstellen wieder attraktiver zu machen. Zusätzliche Mittel gibt es für Verbesserungen im Spitalsbereich sowie für den Digitalen Ausbau im medizinischen Bereich und für zusätzliche Gratisimpfungen. Das sind wichtige Schritte, um längst überfällige Verbesserungen herbeizuführen. Des Weiteren liegt es jetzt auch an der ÖGK sowie den Bundesländern, diese weiter umzusetzen. Wir Grüne setzen uns ein für ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem. Für ein Gesundheitssystem, dass allen Menschen in Österreich, unabhängig von Einkommen, Herkunft und Wohnort, die bestmögliche Versorgung garantiert. Unser Motto: eCard statt Kreditkarte.


Wie wollen Sie das Sozialversicherungssystem (Gesundheitskassen, Pensionen) für die Zukunft sichern?

Das Sozialversicherungssystem finanziert sich durch Beiträge erwerbstätiger Menschen. Je höher die Erwerbsbeteiligung ist, desto einfacher ist es, die Systeme zu finanzieren. Prognosen zu den einzelnen Systembestandteilen sind unterschiedlich: Die Unfallversicherung schreibt bereits seit einigen Jahren Überschüsse, in der Arbeitslosenversicherung sind diese für die nächsten Jahre prognostiziert. Alle Projektionen zu Pensionen zeigen, dass die Kosten über die nächsten Jahrzehnte hinweg sehr konstant sein werden. Die Krankenversicherung braucht auf Grund des technologischen Fortschritts und der glücklicherweise erhöhten Gesundheitsorientierung der Menschen aber tatsächlich zusätzliche Mittel, die jedoch Kostenreduktionen in anderen Bereichen zur Folge haben.
Tatsächlich gibt es Aufgaben, die zu erfüllen sind. Die erste und wichtigste davon ist, Voraussetzungen für eine erhöhte Erwerbsbeteiligung in guten und gesunden Jobs zu schaffen und so die Beitragseinnahmen zu erhöhen.


Wie wollen Sie mit der kolportierten „Budgetlücke“ umgehen und welche Pläne haben Sie für eine nachhaltige Budget- und Fiskalpolitik?

Österreich war in der Vergangenheit mit multiplen Krisen konfrontiert und die Hilfen konnten die Kaufkraft stabil halten sowie Insolvenzen vermeiden. Investitionen in die Zukunft, wie etwa beim Klimaschutz, in Bildung, Kinderbetreuung und soziale Sicherheit, sind unverzichtbar. Hier zu sparen würde mittel- und langfristig zu weitaus höheren Kosten führen. Die notwendigen Investitionen können mit dem Abbau von klimaschädlichen Subventionen sowie durch Steuerreformen – etwa eine Millionärssteuer – finanziert werden.

Die Antworten der Grünen trafen am 12.9.24 um 15.18 Uhr in der Redaktion ein.

Credits

Image Title Autor License
Blog – E-Mail Antwort Die Grünen – NRwahl-DE-IPHP Wolfgang Müller CC BY-SA 4.0

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