Ayurveda hilft mir, auf der Spur zu bleiben

Ayurveda
Lebenswelten

Ayurveda bedeutet aus dem Sanskrit übersetzt „die Wissenschaft des Lebens“. Es ist das uralte indische Gesundheitssystem, das tief in der indischen Kultur verwurzelt ist. Sein Prinzip baut auf der Erkenntnis auf, dass die richtige Nahrung und Verhaltensweise im Einklang mit den Elementen als Medizin eine heilende Wirkung auf den Menschen hat. Auf meiner Reise durch Asien habe ich Ayurveda als eine Säule für mich integriert, die mir dabei hilft, trotz der Unstetigkeit des Unterwegsseins in Balance und im Einklang mit mir zu bleiben.

Ayurveda hat mich schon immer sehr fasziniert. Ganz besonders natürlich, seit ich durch meine Indienreise etwas tiefer in die Welt des Yoga eingetaucht bin.

Ayurveda sieht den Menschen in all seinen Aspekten. Körper, Geist und Seele werden nicht als getrennte Entitäten betrachtet, sondern in direktem Bezug zueinander gesehen, sich gegenseitig beeinflussend. Ein gesunder Geist lebt in einem gesunden Körper. Oder: Ein gesunder Körper benötigt einen gesunden Geist.

In Sanskrit bedeutet „Ayu“ Wissenschaft und „Veda“ Leben, „die Wissenschaft des Lebens“ also. Diese bietet nicht nur eine unzählige Auswahl an Kräutern, Massagetherapien und anderen Behandlungsmethoden, sondern insbesondere das Tridosha-Konzept.

„Tridosha“ bezeichnet drei verschiedene Konstitutionen bzw. Temperamente, die den Ausgangspunkt der ayurvedischen Lehre bilden: Vata/Luft, Pitta/Feuer und Kapha/Erde.

Da im Ayurveda Körper und Geist nicht getrennt gesehen werden, wird der Mensch natürlich auch nicht getrennt von seiner Umgebung betrachtet. Alle Elemente, die sich auf unserer Welt befinden, sind auch im menschlichen Körper zu finden. Wir werden alle von diesen Elementen beeinflusst und können lernen, sie harmonisch miteinander in Einklang zu bringen.

Ein gesunder und rundum ausgewogener Mensch würde diese drei Temperamente und Elemente (Doshas) im gleichen Maße in sich vereinen. Dieser sogenannte „Tridosha-balancierte“ Mensch existiert in unserer modernen Welt allerdings nur sehr selten; die meisten haben ein oder zwei Hauptelemente in sich und einen Mangel an einem anderen. Wer zum Beispiel vom Vata-Dosha, dem Element Luft, dominiert wird, ist körperlich und mental dementsprechend eher leicht und unstetig und benötigt nach Ayurveda eine entsprechend abgestimmte Ernährung.

Ayurveda sieht die richtige Nahrung als Medizin und geht davon aus, dass wir das Gegenteil von dem zu uns nehmen sollten, was unsere dominante Körperkonstitution ausmacht. Erdende Nahrung wird benötigt, wenn man bereits viel Luft in sich trägt. Kühlend sollte man sich ernähren, wenn man von Pitta, dem Feuerelement, dominiert wird, und leichte und reinigende Nahrung zu sich nehmen, wenn man viel Kapha, das erdende und schwere Element, in sich trägt.

In vielen Fällen sind wir Menschen von zwei Doshas bestimmt, was zum Beispiel Kombinationen aus Vata und Pitta oder Pitta und Kapha mit sich bringt. Bei der Ernährung sollte besonders das Dosha berücksichtigt werden, das aus der Balance geraten ist.

Seit ich letztes Jahr meinen einmonatigen Ayurvedakurs bei dem Arzt meiner Wahl begonnen habe, bin ich immer wieder am Ausprobieren und auch Experimentieren mit meiner Dosha-Konstitution. Welche Nahrung passt am besten zu meinem Vata/Pitta-Dosha? Was sollte ich besser weglassen, was hinzufügen? Ayurveda und ein ausgebildeter Arzt oder Therapeut können einem ganz genaue Anweisungen geben. Aber letztendlich sollten diese eher als Empfehlungen gesehen werden, denn:

Ayurveda ist kein rigoroses und striktes Konzept. Es toleriert den Menschen als Individuum und erkennt, dass Lern- und Umstellungsprozesse eine lange Zeit in Anspruch nehmen.

Menschen auf Reisen sind sehr anfällig für ein außer Balance geratenes Vata-Dosha. Denn Reisen ist wie Wind: unstetig, immer in Bewegung und häufig in alle Richtungen inspiriert. Natürlich spielen im Ayurveda die äußere Umgebung und auch unser Verhalten  eine entscheidende Rolle. Denn der Mensch ist ja nicht nur ein für sich allein funktionierendes Gefüge, sondern auch ein Teil seiner Umwelt.

Wenn man herausgefunden hat, welcher Konstitutionstyp man ist, fällt es leichter, sich gewissen Situationen entsprechend zu verhalten. Es hilft einem dabei, was man vermeiden und was man mehr betonen sollte. Aber ganz besonders sollte man sich natürlich auf die positiven Eigenschaften, die Stärken, verlassen und diese kräftigen und fördern.

Im Falle einer Unausgewogenheit, die auf die Dauer zu Krankheit führen kann, gibt es spezielle Kräuter und Behandlungsmethoden, die im Ayurveda angewendet werden. Als mein Vata (Luft)-Element im vergangenen Jahr durch das viele Reisen sehr außer Balance gekommen war, nutzte ich das Angebot einer Shirodhara-Therapie. Shirodhara ist ein Stirnguss aus Öl, das einem in einem beruhigenden Fluss auf die Stirn geträufelt wird, während man 30-60 Minuten auf der Massagebank liegt und entspannt. Die meditative Wirkung dieser Therapie war für mich bemerkenswert und hat mich sehr zur Ruhe kommen lassen.

Ayurveda hat sich für mich zu einem Orientierungspunkt hinsichtlich Ernährung und Verhaltensweisen entwickelt, den ich besonders benötige, wenn ich in der Welt unterwegs bin und schneller meinen erdenden Ausgleich verliere. Ich wende aber nicht jeden der für mich empfohlenen Punkte jederzeit an, sondern sehe das Ganze als eine positive Inspiration und Richtlinie.

Außerdem ist das traditionell indische Konzept des Ayurveda sehr auf das Konsumieren von Milchprodukten ausgerichtet, da in Indien seit jeher jede Familie eine Hauskuh vor der Tür hatte, welche die Milch bereitstellte. Da ich selbst aber, besonders aus ethischen Gründen, lieber vegan lebe, kommen für mich nicht alle im Ayurveda empfohlenen Nahrungsmittel in Frage. Dabei ist natürlich auch zu bedenken, dass das ayurvedische Gesundheitssystem geschrieben wurde, als es noch keine Massentierhaltung und Milchproduktion in heutigem Stil gab. Und ich frage mich, ob Charaka, der „Vater des Ayurveda“, auch heute noch so eine Betonung darauf legen würde, wenn er wüsste, wie unsere Milchprodukte inzwischen gewonnen werden.

Es ist also völlig in Ordnung, Ayurveda in Teilen in das eigene Leben zu integrieren und andere aus persönlichen Gründen wegzulassen.

Neben Yoga und Meditation ist Ayurveda für mich auf Reisen also zu einem Ankerpunkt geworden, der mir hilft, im Einklang mit mir zu bleiben oder auch den Weg wieder aufzunehmen, wenn ich etwas von der Spur abgekommen bin. Ganz besonders lerne ich dadurch aber, wie ich mein Leben ohne einen permanenten Wohnsitz zu einem harmonischen Fluss gestalte, indem ich die Bedürfnisse meines Körpers und meines Geistes besser erkenne. Dies ist eine Übungssache, und nach und nach lernt man, die leise Stimme, die von innen kommt, besser zu verstehen und ihr zuzuhören. Ich lerne noch, aber ich befinde mich auf dem Weg.

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Ayurveda Ayurveda Lisa-Maria Dau CC BY-SA 4.0