Das Bedingungslose Grundeinkommen: Wie realistisch ist eine Umsetzung?

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Politik

Die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) hat innerhalb der letzten Jahre eine breite gesellschaftliche Diskussion ausgelöst, deren Argumente ich in den ersten drei Teilen dieser Artikelserie beleuchtet habe. Doch wie groß sind die Chancen, dass das BGE in der einen oder anderen Form tatsächlich realisiert wird?

Grundsätzlich scheint die Idee eines BGE in der Bevölkerung auf recht breite Zustimmung zu stoßen, auch wenn viele sich skeptisch zeigen. Im Lauf der letzten Jahre wurden in Deutschland mehrere Umfragen durchgeführt, wie etwa die von Dalia Research im Frühjahr 2016 oder Splendid Research im Herbst 2017. Die meisten dieser Umfragen kamen zu dem Ergebnis, dass eine knappe Mehrheit der Deutschen eine Einführung eines BGE grundsätzlich befürworten würde.

Freilich muss man mit Umfragen (von denen es zu diesem Thema inzwischen erstaunlich viele gibt) stets vorsichtig sein: Die Folgelosigkeit fördert leichtherzige, emotional basierte Antworten, und bei einem so komplexen Thema sind Ja/Nein-Fragen überhaupt eine heikle Sache, wie etwa Sascha Liebermann feststellt (Blog: Freiheit statt Vollbeschäftigung).

Die Umfrageergebnisse zeigen immerhin, dass ein großer Teil der deutschen Bevölkerung der Idee aufgeschlossen gegenübersteht – aber auch, dass die Befragten das Thema differenziert sehen und sich der möglichen Probleme durchaus bewusst sind.

In der Schweiz wurde man weitaus konkreter: Im Juni 2016 wurde über die tatsächliche Einführung eines BGE abgestimmt, mit Festlegung auf eine bestimmte Höhe: 2.500 Schweizer Franken (derzeit gut 2.100 Euro) pro Monat sollte es für alle Erwachsenen und 650 SFr (rund 550 Euro) für Minderjährige geben, auch für im Land lebende Nicht-Staatsbürger. Das gab der Sache natürlich ein sehr viel höheres Gewicht als irgendeine Umfrage ohne jegliche Verbindlichkeit.

Die Initiative scheiterte allerdings deutlich: 78% der Befragten lehnten die Einführung des BGE ab, nur 22% waren dafür (Beiträge: www.sueddeutsche.de und www.zeit.de). Das Hauptargument der Gegner war die Befürchtung, dass das BGE nicht finanzierbar sei. Befürworter wie die Initiative Grundeinkommen sehen die Abstimmung dennoch als Erfolg an, weil sich immerhin fast ein Viertel der Abstimmenden für eine tatsächliche Realisierung des BGE aussprachen.

Wie in den ersten drei Teilen dieser Serie ausgeführt, liegt die größte Unberechenbarkeit bei der Einführung eines BGE jedoch noch nicht einmal in der Finanzierung – sondern vor allem in der Frage, wie sich die Menschen verhalten würden, wenn sie ein BGE erhielten.

Würde dann noch immer eine ausreichend hohe Anzahl von Menschen einer normalen Erwerbstätigkeit nachgehen oder würden zu viele entweder gar nicht mehr arbeiten oder nur noch wirtschaftlich irrelevante Tätigkeiten ausüben? Da es bisher in keinem Land der Erde ein BGE gibt, fehlen Erfahrungswerte, daher sollen Experimente Aufschluss über den heiklen psychologischen Faktor geben.

Das meistbeachtete Experiment läuft derzeit in Finnland: 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose erhalten seit dem 1.1.2016 zwei Jahre lang einen monatlichen Betrag von 560 Euro – bedingungslos und ohne Rechenschaftspflicht und in jedem Fall auch dann, wenn sie zwischenzeitlich einen Job finden sollten. Das Experiment soll zeigen, wie sich Menschen unter diesen Voraussetzungen verhalten, vor allem, ob sich der Anreiz zur Arbeitssuche positiv oder negativ verändert. Inzwischen ist etwas mehr als die Hälfte dieses Zeitraums vergangen, eine detaillierte Auswertung wird erst für 2019 erwartet.

Bislang gibt es nur Aussagen einiger weniger Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die überwiegend auf einen positiven Motivationsschub hindeuten (Beiträge: www.deutschlandfunk.de und www.deutschlandfunkkultur.de).

Allerdings stellt sich die Frage, wie aussagekräftig die Ergebnisse sein werden. Denn das finnische Experiment entspricht in vielen ganz wesentlichen Punkten nicht der eigentlichen Idee eines BGE:

Zunächst einmal wurden nur Menschen ausgewählt, die arbeitslos waren, die Teilnehmer sind also keineswegs repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Zweitens sind es nur einzelne Personen und nicht eine ganze Gesellschaft, drittens ist die ausbezahlte Höhe von 560 Euro monatlich weit davon entfernt, existenzsichernd zu sein. Und schließlich ist das Experiment auf zwei Jahre begrenzt, die Beteiligten stehen also vor der Perspektive, danach in ihre bisherige Lage zurückzufallen, wenn sie es nicht schaffen, während dieser Zeit wieder einen Arbeitsplatz zu finden.

Die Idee des BGE geht aber gerade davon aus, die Menschen dauerhaft vom Zwang, unbedingt eine bezahlte Lohnarbeit haben zu müssen, zu befreien. Demnach wird das finnische Experiment – egal wie es ausgehen sollte – allgemein als zwar interessant, aber nicht wirklich aussagekräftig eingestuft.

Viele Kommentatoren – und zwar sowohl Befürworter als auch Gegner des BGE – sind der Ansicht, dass man etwas wie das BGE nicht im Rahmen eines in jeglicher Hinsicht begrenzten Experiments testen könne. So schreibt etwa Michael Hüther im Focus:

Einen Test kann es praktisch nicht geben – die Einführung des Grundeinkommens bleibt eine Reise in die institutionelle Ungewissheit.

Auch Philip Kovce hält zeitlich und sozial begrenzte Experimente für überhaupt nicht aussagekräftig (Beitrag: www.sueddeutsche.de):

Ein bedingungsloses Grundeinkommen lässt sich ebenso wenig testen, wie sich Demokratie, Rechtsstaat oder Menschenrechte testen lassen. Sie lassen sich nur üben, indem wir sie ausüben.

Der finnische Versuch wird die Frage, ob die Einführung eines BGE sinnvoll und zielführend ist, also nicht wirklich beantworten können. Letztlich bliebe eine tatsächliche Einführung in einem ganzen Land ein Experiment mit einem äußerst ungewissen Ausgang.

Der Ausgangspunkt dieser Artikelserie war die Frage, ob das BGE nur eine romantische Sozialutopie oder doch ein realistisches Zukunftsmodell ist. Weder das eine noch das andere scheint der Fall zu sein: Aus der „Spinnerecke“ linker Utopisten ist das BGE definitiv herausgekommen, es wird heute auf breiter Basis ernsthaft diskutiert. Allein dies ist schon eine bemerkenswerte Tatsache, die die Relevanz dieses Themas beweist!

Dass dazu auch vehemente Gegenstimmen laut werden, liegt in der Natur einer politischen Diskussion.

Das bedingungslose Grundeinkommen wird in jedem Fall kommen. Die Frage ist nur wann.

Optimistische Aussagen wie diese liest man oft in den Manifesten der Befürworter. Doch in naher Zukunft sind konkrete Schritte keineswegs zu erwarten, zu vieles liegt im Bereich des Unkalkulierbaren, das politische und wirtschaftliche Risiko scheint – zumindest derzeit noch – viel zu groß. Wenn man sich aber ansieht, welche Dynamik die Diskussion innerhalb weniger Jahre gewonnen hat, wird klar, dass sich das möglicherweise rasch ändern könnte.

Und auch wenn das BGE niemals realisiert werden sollte, ist der öffentliche Diskurs, der wesentliche Fragen zum Wert von Arbeit und zur Möglichkeit der Teilhabe jedes Einzelnen am wirtschaftlichen Wohlstand einer Gesellschaft anspricht, in jedem Fall sehr wertvoll.

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