Doppelresidenz: Wird ein Traum wahr?

Gesellschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
22. 10. 2016
Veranstalter
Plattform Doppelresidenz
Ort
Wien, 3. Bezirk
Veranstaltungsart
Fachtagung
Teilnehmer
Anton Pototschnig, Plattform Doppelresidenz
Dr. Reinhard Jackwerth, Familienrechtler und Richter
Prof. Hildegund Sünderhauf-Kravets, Deutsche Fachexpertin
Prof. Dr. Leibovici-Mühlberger , Erziehungswissenschafterin
Anton Pototschnig ist für mich ein Urgestein: Seit zehn Jahren arbeitet er hartnäckig, ausdauernd und mit vollem Idealismus für einen Traum, der, so bin ich überzeugt, sogar im familienrechtlich so rückständigen Österreich eines Tages wahr werden wird.

Dass dieser Tag näher rückt, ist mit ein Verdienst von Anton Pototschnig und seiner „Plattform Doppelresidenz“.

Worum geht es in der Doppelresidenz?

Das Residenzmodell

Wenn in Österreich Eltern getrennt leben, ist es mit der vielzitierten Gleichheit der Geschlechter nicht weit her: Ein Elternteil, zumeist die Mutter, bestimmt über das Kind, über seine Erziehung, seinen Wohnort, das Milieu, in dem es aufwächst, seinen schulischen Werdegang und somit über die Gleise, welche für das Leben des heranwachsenden Menschen in seine Zukunft gelegt werden. Der andere Elternteil hat rechtlich gesehen nur eine Aufgabe: Geld zu überweisen. Dieses für uns gewohnte und selbstverständliche Modell nennen Erziehungswissenschafter „Residenzmodell“.

In Kombination mit der praktisch vollständigen Entrechtung  und Ausgrenzung des „nicht-obsorgeberechtigten Elternteils“ entsteht für viele Väter ein tiefes Gefühl der Ungerechtigkeit und ein beständiger Konfliktherd, welchen genau diese Politik, die dafür verantwortlich ist, zu allem Hohn oft genug kopfschüttelnd und verständnislos beobachtet und kommentiert.

Die Doppelresidenz

Während Österreichs Familienrechtssystem noch im abgöttischen Mutterkult schwelgt, entdeckt die weltweite Wissenschaft endlich wieder, wie wichtig und unersetzlich Väter für ihre Kinder sind. In Österreich drängt unter anderem die Erziehungswissenschafterin Prof. Dr. Martina Leibovici-Mühlberger auf diese Erkenntnis.

Doch wie können Väter die Chance erhalten, für ihre Kinder da zu sein, besonders dann, wenn sie von der Mutter getrennt leben?

Das Residenzmodell sieht in der Regel nur zweiwöchige Besuchskontakte vor. Wenn er Glück hat, wird einem Vater noch ein Mittwochnachmittag pro Woche zugestanden, damit er wenigstens ein Stück Alltagskontakt mit seinem Kind erleben kann. Doch ein Familienrecht, das Väter unterhaltrechtlich gleichzeitig zu einem Vollzeitverdienst zwingt, und ein Gemeinwesen, das ihnen nicht einmal Unterstützung bei der kindgerechten Wohnraumschaffung für Väter gewährt, verunmöglicht vielen sorgewilligen Vätern, für ihre Kinder da zu sein.

Die Doppelresidenz ist der Ausweg: In diesem Modell kümmern sich beide Eltern zu mindestens annähernd gleichen Teilen um die Kinder. Ein Vorteil der Doppelresidenz ist wohl exakt der Grund, warum die Doppelresidenz auf Vorbehalte stößt: Ein Unterhaltszahler fehlt in diesem Modell völlig. Mütter und Väter verdienen ihren Teil des Kindesunterhaltes selbst, durch eigene Arbeit in angemessener Teilzeit.

Angesichts dessen fällt bei vielen, welche vorgeblich die „Gleichheit“ (sic) der Geschlechter anstreben, die Maske der Heuchelei ab: Wenn ein Vater sich nicht nur zu gleichen Teilen um das Kind kümmern will, sondern in Anbetracht dieser Leistung beruflich reduzieren und von der Unterhaltsbelastung freigestellt werden, mehr noch, die halbe Familienbeihilfe und Unterstützung für Wohnraum der Kinder bei sich möchte, tauchen Vorbehalte auf, welche ich stets als Scheinargumente betrachtet habe. In Wahrheit geht es wohl um Geld.

Die Fachtagung

Anton Pototschnig und sein Team haben namhafte Kapazitäten versammelt und in der Auswahl der Themen die Knackpunkte präzise getroffen:

Mit Dr. Reinhard Jackwerth lässt ein versierter Familienrechtler und Richter hinter die Kulissen der Justiz blicken. Aufrüttelnd stellt er klar: Gerechtigkeit zwischen Eltern ist kein Ziel. Ob er dies nun wollte oder nicht, er hat die entscheidende Schwachstelle des Familienrechts aufgedeckt, den Konfliktherd zwischen Eltern durch bewusst oder unbewusst geschaffene Machtgefälle.

Dass unsere Justiz ja wüsste, wie Entfremdung funktioniert, schildert er eindrücklich aus einem Gespräch mit einem Kind, das ihm gestand:

Wenn ich mit der Mama über den Papa rede, ist es auf einmal kalt im Zimmer.

Diese Tagung mag der falsche Ort dafür gewesen sein, doch angesichts solcher Erlebnisse ist mit der Justiz zu diskutieren, was sie endlich gegen Vaterentfremdung zu tun gedenkt.

Schließlich überrascht Jackwerth die Kritiker der Doppelresidenz auf dem falschen Fuß, als er feststellt: Die Doppelresidenz ist weniger davon abhängig, ob ein Elternteil die Kommunikation gestattet oder verweigert, als es die „Gemeinsame Obsorge“ ist. Letztere hat seit ihre Einführung gerade deshalb ihren guten Ruf verloren, weil sie durch Verweigerung der Kommunikation ausgehebelt werden kann.

  • Erfahrungen der Doppelresidenzorf tvthek

In weiterer Folge schildern Referentinnen positive Erfahrungen von Eltern und Kindern mit der Doppelresidenz, statistisch ausgewertet und anhand persönlicher Beispiele. Endgültig überzeugt den Hörer, dass Doppelresidenz tatsächlich funktioniert, die europäische Fachexpertin Nummer 1: Prof. Hildegund Sünderhauf-Kravets.

Sie präsentiert, gekonnt verdichtet, die nachweislich positiven Erfahrungen unter zehntausenden Beteiligten aus den Pionierländern rund um die Welt, von Australien bis Skandinavien, und gibt uns zu denken, was wir denn hunderttausenden Trennungskindern in Österreich eigentlich antun: Sie sind psychisch mit einer weitaus höheren Hypothek für das gesamte Leben belastet, als dies bei Doppelresidenz-Kindern der Fall ist.

Ein Genuss für den Befürworter der Doppelresidenz ist Sünderhaufs Demontage des Arguments, das ständige Umziehen würde die Kinder belasten: Gut visualisiert lässt sie im Handumdrehen bewusst werden, dass die Umzüge für Besuchskinder im Residenzmodell ebenso häufig sind.

Diskussion

Prof. Leibovici-Mühlberger moderierte schließlich gekonnt eine abschließende Diskussion. Diese betrachte ich als entscheidend für den Erfolg des Abends, denn nur auf diese Weise können Wege für die Umsetzung angezeichnet werden. Der Makel ist jedoch die Auswahl der Teilnehmer am Podium. Sie ist das Spiegelbild der Entscheidungsträger in unserer Familienpolitik, denn ein Vertreter der Väter und Männer fehlt. Andererseits zeigt die Fachtagung mehr denn je: Die Vertretung von sorgewilligen Vätern funktioniert bereits, eine Grassroots-Bewegung bahnt sich ihren Weg und reicht mit einem klaren Ja zur Doppelresidenz partnerschaftlichen Müttern die Hand.

Wo die politisch einflussreiche Plattform für Alleinerziehende steht, deren Vertreterin trotz vieler Wortmeldungen auffällig wenig Position bezogen hat, wird sich wohl erst in Salzburg zeigen. Dort diskutiert sie aufgrund der hier gewonnen Erkenntnisse in eingegrenztem Teilnehmerkreis, angemeldete Vätervertreter wurden kurzerhand ausgeladen.

Credits

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suenderhauf-australien Hannes Hausbichler CC BY-SA 4.0
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Diskussion (Ein Kommentar)

  1. Doppelresidenz ist eine sehr gute Sache, die Kinder haben ein Recht auf Mutter und Vater. Dann würde auch nicht mehr die Möglichkeit bestehen das einer der Beiden, meistens Mütter, das Kind als Druckmittel benutzt und dem Vater entzieht. Ich kenne einige Väter denen es so geht, die sich um ihre Kinder kümmern wollen aber daran gehindert werden.
    Bei uns funktioniert dieses System bestens und unsere Tochter ist sehr glücklich.
    Sie ist 7 Tage bei ihrer Mutter und 7 Tage bei mir. Ein Jahr würde die Mutter die Kinderbeihilfe bekommen und Alimente von mir , das nächste Jahr würde dann ich die Kinderbeihilfe bekommen und die Alimente von ihr.. Beim Hauptwohnsitz wird ebenfalls jährlich gewechselt..(wurde vom Gericht so beschlossen..es gibt auch gute Richter, in unserem Fall Richterin) Mit den Alimentezahlungen haben wir uns entschlossen aufzuhören, weil es nichts bringt das Geld hin und her zuschicken. Bei der Kinderbeihilfe haben wir uns darauf geeinigt das ich sie bekomme, dafür komm ich für alle Zahlungen auf, was Schule und Ausbildung betrifft sowie einiges an Kleidung und Schuhe.. Manches teilen wir uns auch..
    Die Mutter hat somit viel weniger kosten da sich das Kind ja nicht dauerhaft bei ihr aufhält und sie kann Vollzeit arbeiten.. Keiner ist bei diesen System benachteiligt..Besonders nicht die Kinder!