„Es gibt Leute, die kämpfen – andere zerbrechen an weniger“

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Gesellschaft

Die Wienerin Dr. Silvia Jelinčić ist dreifache Akademikerin, bekam 2008 den Preis für Handelspublizistik verliehen und schrieb 2008 gar einen Bestseller: „Die nackte Elite„. Im Wiener Branchenmagazin „ExtraDienst“ (Herausgeber: Christian W. Mucha) wurde sie 2014 zu den besten österreichischen Wirtschaftsjournalisten gezählt, sie gründete noch im selben Jahr die Online-Meinungsplattform „fisch+fleisch“ und ließ sich obendrein zum Coach nach dem „Kieler Beratungsmodell“ ausbilden. 2012 wurde Silvia Mutter eines entzückenden Buben und ist glücklich liiert. Als Kind kroatischer Einwanderer verbringt sie die Sommer gerne am Meer in Kroatien.

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Im September 2018 führte ich ein Interview mit Dr. Silvia Jelinčić, um mehr über ihren steilen Karrieregang und ihren ganz persönlichen Mindset zu erfahren:

Silvi, du wurdest 40 diesen Mai (2018) – wie schafft man so eine Vitae, woher nimmst du die Kraft?

Ich habe so eine „Urkraft“ in mir. Ich glaube, die ist auch Charaktersache. Und wenn ich etwas mache, dann ganz oder gar nicht.

Kommen wir gleich zu deinem aktuellen „Baby“, zu deiner Meinungsplattform „fisch+fleisch“, bei der du Herausgeberin bist. Kannst du nach vier Jahren Erfolge verzeichnen?

Ja, mir ist mit fisch+fleisch viel geglückt, die Plattform ist erfolgreich und bekannt geworden; wir haben monatlich hunderttausende UserInnen auf der Seite und 10.000 aktive BloggerInnen. Es läuft gut! Wir finanzieren uns über eine Agentur und produzieren für kleine und große Unternehmen Texte und Werbevideos.

Hast du mit fisch+fleisch auch einen gesellschaftlichen Erfolg erreicht?

Ja, ich glaube schon, weil wir Menschen, die das Gefühl haben, nicht gehört zu werden, eine Stimme geben. Diese Menschen können bei uns längere Texte hochladen und damit ein ganz neues Publikum erreichen außerhalb ihres eigenen Facebook-Freundeskreises.

Vor allem in politisch brisanten Zeiten ist es wichtig, dass die Menschen gehört werden. Insofern glaube ich, dass dies ein wichtiger Beitrag für die Gesellschaft ist – und es sollte mehr Plattformen wie fisch+fleisch geben.

Wie bist du überhaupt auf die Idee von fisch+fleisch gekommen?

Ich wusste, es war Zeit für etwas Neues. Die Idee entwickelte ich selbst. Ich hegte schon lange den Gedanken, eine Plattform zu gründen, auf der die Kundgabe von freien Meinungen möglich ist. Weil es wichtig ist. Und das „Baby“ ist nun vier Jahre alt.

War der Prozess der Gründung von fisch+fleisch schwierig/leicht? Und wie war das für dich als Frau?

Puh, ich bin sehr vielen Schwierigkeiten begegnet. „fisch+fleisch“ aus dem Boden zu stampfen, war sehr, sehr spannend, aber auch wahnsinnig mühsam: die vielen Behördenwege, das Besorgen der nötigen Papiere, einfach alles Administrative. Und dann weißt du, du brauchst Geld. Wenn du es aber nicht selber hast, dann musst du betteln gehen. Und das war erst ein Canossagang … Mein Geschlecht hatte mit diesen Challenges nichts zu tun; ich hatte in meiner gesamten Laufbahn keine Schwierigkeiten, weil ich eine Frau bin. Ich wurde beruflich stets ernst genommen. Aber: Da war privat noch der Haushalt zu führen – mein Mann arbeitet, also war und bin ich zu 100% für den Haushalt alleine zuständig.

Kann man deinen Werdegang einer alleinerziehenden Frau empfehlen?

Nur, wenn sie sehr, sehr belastbar ist. Sonst kommt ihr Kind womöglich zu kurz – oder man dreht schlicht durch.

Wie gehst du mit Hate Speech in den Sozialen Medien um? Gibt es (viele) Trolle? Welchen Mindset muss man sich zurechtlegen, um mit diesem Hass fertig zu werden?

Ganz richtig kann man bei Hate Speech nie alles machen. Dieser Hass erfasst einen. Das ist eine negative Energie, und das tut einem nicht gut. Hass hat aber auch Grenzen: Überall dort, wo das Gesetz verletzt wird, greifen wir ein. Wir lassen die Leute sonst viel schreiben und mischen uns bewusst nicht ein. Aber wenn uns Dinge gemeldet werden, weil sie gegen das Gesetz verstoßen, dann müssen wir laut Gesetz sogar einschreiten. Trolle gibt’s leider immer, ihre Zahl bleibt aber überschaubar.

Das Problem ist, dass die Leute generell – egal ob links oder rechts – extrem von Enttäuschung und auch Wut getrieben sind. Das ist sehr schade.

Was den Mindset betrifft, muss man versuchen, möglichst wenig an sich ranzulassen. Das ist natürlich schwer, wenn man als Plattformbetreiber täglich von irgendjemandem kritisiert und auch beleidigt wird. Sich davon distanzieren zu können, ist eine Kunst, die man lernen muss.

Und wie geht es dir heute, wie geht es weiter?

Ich bin gerade dabei, einen Partner für fisch+fleisch zu suchen – vielleicht verkaufe ich die Firma auch;  entsprechende Gespräche sind bereits im Gange. Ich leide nämlich an einer Autoimmunkrankheit – einer Form von „Lupus“ (lat. für Wolfsröte). Manchmal habe ich heftige Schübe. Ich muss den Stresspegel runterschrauben, denn so kann ich nicht mehr weiterarbeiten … Mein Ziel ist übrigens, mir ein Haus am Meer zu kaufen, in Kroatien, in Split, zur Vermietung.

Das tut mir sehr leid, Silvi … Wieso plötzlich diese Autoimmunkrankheit, was sind die Ursachen? Und wie hast du die Anzeichen dafür wahrgenommen … ?

Ich habe mich plötzlich sehr schlapp gefühlt, die Gelenke schmerzten und ich bemerkte rote Flecken auf meiner Haut. Dann ließ ich mich halt ärztlich durchchecken. Die Ursache dieser Erkrankung ist heute noch nicht gänzlich bekannt – man vermutet dahinter eine genetische Veranlagung, die hat man mir auch attestiert. Erschwerend hinzu kam der ganze berufliche Stress, der Streit im Internet, rechts gegen links. Das alles ist sehr anstrengend.
Frauen sind übrigens eher von Lupus betroffen (ca. 80%).

Und was kann man dagegen tun, wie lebst du damit?

Ich achte seit etwa einem Jahr sehr auf ausgewogene Ernährung – lasse Zucker und Getreide weitgehend weg. Früher ging ich ins Fitnesscenter laufen und war wirklich knackig beinand‘. Jetzt wiederum mache ich viel Bewegung mit meinem Kind und gehe viel in der Natur spazieren.

Hast du Vorbilder?

Meine Freundin Neva bewundere ich: Sie hat sechs (!) Kinder, arbeitet als Krankenschwester und schmeißt den Haushalt ganz allein. Ihr Mann unterstützt sie zwar, doch auch er arbeitet – und den Haushalt macht sie ganz allein. Bei ihr ist natürlich immer etwas los. Oft frage ich mich: Wie schafft sie das nur?

Warum glaubst du, ist Neva so stark?

Die ist einfach so. Sie gehört zu den Leuten, die kämpfen. Die gehen einfach durch. Andere zerbrechen an weniger. Und jeder Mensch hat seine persönliche Grenzen.

Glaubst du an etwas?

Liebe ist das Einzige, was für mich zählt. Ich glaube ans Gefühl. Und man darf sich selber nicht so wichtig nehmen.

Was darf man dann wichtig nehmen im Leben?

Man soll sich um Menschen … um Kinder … und um Tiere kümmern. In einer Partnerschaft muss man auch sehr an sich selbst denken. Sonst geht man unter. Man muss sich selber glücklich machen. Mein Mann hat auch ein natürliches Gefühl, dass er auf sich schaut. Das muss bei uns Frauen auch so sein!

Danke für das Interview, liebe Silvia, und für deine wertvolle Zeit.

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