Gefahren, aber auch Chancen – die Sicht eines Spitzendiplomaten

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Politik

Veranstaltungsdaten

Datum
17. 10. 2018
Veranstalter
Dr.-Karl-Renner-Institut
Ort
Dipolmatische Akademie, Wien
Veranstaltungsart
Vortrag
Teilnehmer
Jan Eliasson, Diplomat

Am 17. Oktober 2018 hielt einer der prominentesten Diplomaten Europas einen Vortrag in der Diplomatischen Akademie in Wien: Der sozialdemokratische Politiker Jan Eliasson war von 2012 bis 2017 stellvertretender UNO-Generalsekretär und 2006 kurzzeitig schwedischer Außenminister.

Das Thema von Eliassons Vortrag unter dem Titel „Perils and possibilities in an insecure world“ („Gefahren und Möglichkeiten in einer unsicheren Welt“) war die Lösung von Konflikten und die Beendigung von Kriegen auf diplomatischem Weg – ein Bereich, in dem er rund 30 Jahre Erfahrung auf höchster Ebene hat. Er wies darauf hin, dass heute keine Nation mehr in der Lage sei, die Probleme unserer Zeit alleine zu lösen:

Die Grenze zwischen Nationalem und Internationalem ist fast verschwunden.

Gleichzeitig beklagte er aber einen Mangel an Vertrauen, der die Zusammenarbeit zwischen den Nationen erschwere.

Er sehe in der heutigen Welt drei wesentliche Gefahren, aber vier Möglichkeiten zu deren Lösung („perils and possibilities“). Es sei Absicht gewesen, so sagte er, mehr Möglichkeiten als Gefahren zu nennen, denn insgesamt würden die positiven Dinge überwiegen. Er sei zwar Optimist, aber mehr und mehr ein „besorgter Optimist“.

Die drei Gefahren seien:

1. Der sich wandelnde Charakter von Konflikten

Er habe seine aktive Zeit als Diplomat und seine Bemühungen in der Lösung von Konflikten Anfang der Achtzigerjahre begonnen. Seitdem habe er eine wachsende Rolle ethnischer und religiöser Faktoren in Konflikten festgestellt, durch die eine Lösung viel schwieriger geworden sei.

2. Das Risiko, dass sich Konflikte in Stellvertreterkriege verwandeln

Konflikte können zu Stellvertreterkriegen werden, wenn eine eigentlich nicht beteiligte Partei, die Interessen in dieser Region habe, ihre jeweiligen Anhänger militärisch oder auf andere Art gegen die andere Seite unterstütze.  Eine solche Entwicklung habe etwa der Syrienkrieg genommen. Eliasson bedauerte, dass es während seiner aktiven Zeit nicht gelungen sei, den Syrienkrieg auf diplomatischem Weg durch Verhandlungen zu beenden, obwohl man 2012 mit den durch Kofi Annan und Lakhdar Brahimi geführten Verhandlungen einen guten Ansatz dazu gehabt habe. Dieses Risiko der Wandlung regionaler Konflikte zu Stellvertreterkriegen nehme zu.

Eliasson sieht auch eine wachsende Gefahr, dass in einem Konflikt Atomwaffen eingesetzt werden könnten, insbesondere im Falle Nordkoreas. Er habe nicht erwartet, dass diese Gefahr nach dem Ende des Kalten Krieges noch einmal wachsen würde, und sehe mit Besorgnis, dass die militärische Planung heute Atomwaffen wieder miteinbeziehe.

Auch der Klimawandel müssen heute unbedingt in die Politik zur Konfliktlösung miteinbezogen werden. Er habe bereits Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren oder Überschwemmungen in Ländern wie Bangladesch, Tschad oder Niger gesehen.

Zu viel Wasser, aber nicht einen Tropfen zum Trinken – das müssen wir ernst nehmen!

In diesem Bereich gebe es keinen Plan B.

3. Gefahr: Polarisierung

In den sozialen Medien würden heute immer mehr kurze Nachrichten mit wenig Logik und wenig Fakten veröffentlicht. Die Polarisierung habe heute ein Ausmaß angenommen, dass er nicht erwartet habe.

Wir müssen zurück zu vernünftigen Diskussionen finden, die zu einer Übereinkunft führen.

Aber neben den drei Gefahren sieht Eliasson auch drei „Possibilities“ – was eigentlich „Möglichkeiten“ bedeutet, hier aber vielleicht besser mit „Chancen“ zu übersetzen wäre.

Sein größter Grund zur Hoffnung („greatest reason for hope“) seien die Frauen. Eliasson berichtete von seinen Erfahrungen in Afrika, wo Frauen eine immer bedeutendere Rolle spielen. Auch finde eine Emanzipation nicht nur der Frauen, sondern der Männer statt, von denen viele die Veränderungen aktiv mittragen würden.

Der zweite Hoffnungsgrund seien junge Menschen. Eliasson berichtete von Treffen mit jungen Leuten, die genau die richtigen Fragen gestellt hätten. „Wir müssen nicht für junge Leute arbeiten, sondern mit ihnen.“ Die jungen Leute hätten heute automatisch jene Werte, „die wir ernst nehmen müssen. Wir müssen die Demokratie beleben, und sie sind der Schlüssel dazu“.

Der dritte Grund zur Hoffnung sei Wissen. Bildung und Wissen seien absolut entscheidende Gründe für eine positive Entwicklung. So sei etwa in Afrika die Grundbildung stark gestiegen, es gebe selbst dort kaum mehr Menschen, die völlig ungebildet seien.

Der vierte und letzte Hoffnungsgrund sei die internationale Zusammenarbeit.

Wir können die Probleme heute nicht mehr auf nationaler Ebene lösen. Wir müssen beweisen, dass das multilaterale System das beste ist, indem wir Lösungen präsentieren! Wie müssen sehr viel effektiver darin werden, Menschen zu erreichen.

Die Tatsache, dass es drei Gründe zur Besorgnis, aber vier Gründe zur Hoffnung gebe, mache ihn zu einem „vorsichtigen Optimisten“, so Eliasson. Und weiter: „Die Zukunft ist der Horizont. Die Zukunft ist aber auch jeder Schritt, der in Richtung dieses Horizonts führt.“

Credits

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00_Titelbild_Vortrag-Eliasson 00_Titelbild_Vortrag-Eliasson Idealism Prevails CC BY-SA 4.0