Gegensteuern – Für eine neue Wirtschaftspolitik gegen rechts

Meinung

In dieser BSA-Gesprächsrunde hat Moderator Matthias Vavra drei internationale Gäste eingeladen: Gustav Horn ist Autor des gleichnamigen Buches, Ökonom, Professor für Volkswirtschaftslehre und Vorsitzender des wirtschaftspolitischen Beirats der SPD. Miriam Rehm ist Ökonomin, Professorin für Sozioökonomie und Mitglied des österreichischen Fiskalrats; und Felix Butzlaff, der Politologe an der WU Wien ist.

Zuerst stellt Gustav Horn die wichtigste Thesen seines Buches vor. Aus seiner Sicht definieren wir uns durch das, was wir wollen und das, was wir nicht wollen. Der aus diesem Widerspruch entstehende Diskurs gehört also zu einer liberalen Demokratie dazu und dient der Weiterentwicklung. Aktuelle populistische Strömungen laufen dieser Notwendigkeit zuwider. In der Wirtschaftspolitik wurden – auch in Deutschland und auch von der SPD – gravierende Fehler gemacht, die die Basis für die Krise der liberalen Demokratien bilden. Miriam Rehm sieht einen Nachschärfungsbedarf bei dieser Sichtweise: die Weiterentwicklung habe nicht in dem Umfang stattgefunden wie gewünscht, wie sich beim aktuellen Gasembargo zeige. Felix Butzlaff sieht volkswirtschaftlich zumindest einen kleinen Backlash: wirtschaftlich und sozial unter Druck stehende Menschen seien nur zum Teil die Ansprechpartner des rechtspopulistischen Spektrums.

Auch für Horn sind Arbeitslosigkeit und Einkommen nicht die einzigen Gründe für einen Hang zum Rechtspopulismus; es gehe vielmehr um Sicherheit, also auch Abstiegsängste. Der Neoliberalismus habe den Schutz des Menschen zurückgedrängt, daher kann diese Sorge auch Gutverdienende betreffen, die damit auch zum Wählerpotential der Rechtspopulisten werden. Die SPD habe diesen einseitigen Reformen zugestimmt, daher entstand eine Repräsentationslücke, die in Deutschland die AfD gefüllt habe. Rehm macht sich Sorgen über den verschärften, aggressiv gewordenen Diskurs. Im politischen Kontext kann sie den von Horn ausgemachten Wandel nicht ausmachen, eine Austeritätsdebatte werde kommen.

Horn betont, dass man die Stabilisierungsmechanismen nicht nur in Krisenzeiten außer Kraft setze, sondern dass es sich um einen grundsätzlichen Richtungswechsel handle. Butzlaff betont, dass populistische Konjunkturen nicht bloß auf einer eingebildeten Repräsentationslücke basieren. Rechtspopulisten versprächen aber nicht nur Schutz und Sicherheit, sondern eine andere Art der Anerkennung: Ihre Aussage „Ihr seid nicht schuld an dieser Lage“, die dem bislang gängigen Narrativ der Neoliberalen aller politischen Couleurs widerspreche, entlaste. Für Rehm werden die Krisen sich auch zukünftig verschärfen: Einkommens- und Vermögensverteilung werden weiter immer ungleicher. Es gelte daher zu sehen, welche Gegenmaßnahmen man hier setzen könne.

Das Brechen des Schutz- und Aufstiegsversprechens durch Sozialdemokraten ist für Butzlaff ein wesentlicher Grund für den „Rechtsruck“ in der Gesellschaft. Die von der Sozialdemokratie angestrebten gleichen Rechte für die Menschen aus der Arbeiterschicht habe etwa einen Hochschulzugang für alle ermöglicht: Paradoxerweise habe aber genau das „dekollektiviert“; denn wenn jedem alles zugänglich sei, dann sei man auch selber schuld, wenn man es nicht schaffe. Dieser Umbruch sei aber nicht mehr einfach reversibel.

Zum Gegensteuern brauche es jedenfalls „umverteilende Maßnahmen“ und eine Aufhebung des Paradoxons, demzufolge es zwar eine breite, empirisch nachweisbare, demokratische Mehrheit etwa für Vermögenssteuern gäbe, die aber von den elitären politischen Verantwortungsträgern nicht umgesetzt werde. Horn nennt diesbezüglich das Regierungsübereinkommen der deutschen Ampelkoalition, in dem sich die FDP gegen SPD und Grüne bezüglich einer Nichteinführung einer Vermögenssteuer (die aber in den Wahlprogrammen der beiden Regierungspartner verankert war) durchgesetzt habe. Er sieht sich mit Atkinsion einig, der den Vorschlag einer Mindesterbschaft, also eines jedem Menschen zustehenden Startkapitals im Form eines Anteil am gesamten gesellschaftlichen Vermögen, gemacht habe. Rehm sieht gerade jetzt in der Phase steigender Inflation fiskale Spielräume, die es zu nutzen gelte, um Transfers nach unter auszuweiten. Für Butzlaff steht und fällt eine zukunftsträchtige Lösung mit der „komplizierten“ Aufhebung des Widerspruchs zwischen dem Wunsch der Menschen nach starker Führung in Krisenzeiten, die aber dann wiederum doch nicht erwünscht sei, wenn sie den individuellen Interessen widerspräche.

Abschließend wird noch auf Publikumsfragen eingegangen.

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