Diskussionsrunde: Hat Europa noch eine (soziale) Zukunft?

Erich Foglar
Politik

Einen Tag nach der Präsentation eines großen wirtschaftlichen Paketes der Europäischen Kommission, in dem u.a. erstmals eine fiskalpolitische Expansion (also eine vernünftige Verschuldung) in Höhe von 0,5 % des BIP gefordert wird, trifft sich eine illustre Runde zur Diskussion über die soziale Zukunft der Europäischen Union.

Der portugiesische Gewerkschafter Carlos Silva fragt sich, ob Europa aus sozialer Sicht auf dem richtigen Weg sei: Diskutiert würde zumeist über Unternehmen, Investitionen und fiskalpolitische Fragen, aber viel zu wenig über die Arbeiter und die Menschen Europas. Im Gegenteil: In den letzten Jahrzehnten wurden die Institutionen, die die Interessen von Arbeitern und Konsumenten vertreten, geschwächt oder zerstört. Die Aussichten für die europäische Jugend – v.a. für jene aus dem Süden Europas – seien desaströs: Viele seien gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um im reichen Norden zu arbeiten. Abgesehen vom Braindrain stellt sich die Frage, wie diese Länder ihre Schulden bedienen sollen, wenn wichtige Steuerzahler auswandern. Innerhalb der Kommission ortet Silva einen hart geführten Krieg zwischen unterschiedlichen Meinungen zur Zukunft Europas.

Den gefühlten Umschwung innerhalb des IWF und der Troika weg von der strengen Austeritätspolitik hin zu (zumindest vorsichtigen) Investitionsplänen kann auch Nationalbankmitarbeiterin Doris Ritzberger-Grünwald bestätigen. Ziel muss es sein, das Wirtschaftswachstum – nicht nur, aber vor allem in den Südländern Europas – anzukurbeln, um die (Jugend-)Arbeitslosigkeit zu senken. Die Notenbanken und Mario Draghi tun ihren Teil, doch sie alleine können das Problem nicht lösen. Der Juncker-Fonds, mit dem erreicht werden soll, dass öffentliche Gelder über private Investitionen mit Hilfe von PPPs (public private partnerships) gehebelt werden, sei noch problembehaftet, doch die Kommission sei lernfähig und der Fonds von der Zielausrichtung richtig konzipiert.

Von der bisherigen Sparpolitik hält ÖGB-Chef Erich Foglar wenig: Die USA hätten seit der Krise 2008 mit ihrer expansiven Geldpolitik ein viel höheres Wirtschaftswachstum erreicht als Europa. Das Spardiktat der Troika habe zu massiven Verschlechterungen in den Südländern geführt – im Gegensatz zu den Zielen des Wachstums- und Stabilitätspaktes. Foglars goldene Regel lautet: Nachhaltige Investitionen (Infrastruktur, Bildung) sollen aus der Berechnung des strukturellen Defizits herausgenommen werden, um den Staaten die Möglichkeit zu geben, zu investieren – gerade weil Kredite so günstig wie selten zuvor aufgenommen werden können.

Christoph Neumayer von der Industriellenvereinigung ortet zu wenig politische und wirtschaftliche Verantwortung bei den Entscheidungsträgern. Portugals Bevölkerung habe in den letzten Jahren große Entbehrungen auf sich genommen. Die Milliarden aus Brüssel seien aber leider nicht zur Reformierung des Staates genutzt worden sondern in den Erhalt alter Strukturen geflossen. Global gesehen dürfe sich Europa durch verantwortungslose Schuldenpolitik nicht zum Ziel von Spekulanten machen.

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