Kanzler Kerns brüchige Steuerpläne

Steuermann
Meinung

Christian Kern hat sich in seinen ersten gut hundert Tagen bestens verkauft. Seine selbstbewussten Ankündigungen der ganz großen Reformen strahlen das Bild eines Machers aus. Doch dieses Bild ist auf dünnem, brüchigem Glas gemalt. Wenn die Menschen merken, dass er an der Umsetzung scheitert, werden sie hinter seinen nächsten Plänen, die er eines Tages ankündigen sollte, nur mehr heiße Luft vermuten, und das ist zu befürchten, denn seine Pläne scheinen mir in zweifacher Hinsicht nicht umsetzbar:

1. Die Rechnung kann nicht aufgehen!

Wenn der Kanzler es schaffen sollte, die Lohnsteuern und Lohnnebenkosten zu senken und trotzdem auf dieselbe Steuersumme zu kommen, dann kann er bei den Steuererhöhungen, welche er zum Ausgleich verspricht, aber ordentlich anziehen!

Einführend dazu ein paar wichtige Beträge aus dem Budgetbericht 2016:

Österreich nimmt ungefähr 80 Milliarden Euro pro Jahr ein. Etwa 28 Milliarden stammen aus Lohn- und Einkommensteuern. Wenn er auch nur 10% aus dieser gewaltigen Summe reduzieren will, entsteht ein Loch von fast 3 Milliarden Euro, das er natürlich stopfen möchte.

Christian Kern will daher die Senkung der Lohnsteuern durch neue Vermögenssteuern ausgleichen. Da wird das Herz eines jeden treuen Sozialisten hüpfen: Endlich werden die Reichen zur Kasse gebeten, frohlockt der Sozialdemokrat durchaus schadenfroh, und Christian Kern mögen die Herzen zufliegen.

Doch wenn der Kanzler die Summe der Lohnsteuern durch Vermögenssteuern ausgleichen will, sehe ich nur zwei schlechte Möglichkeiten:

Vermögenssteuern fressen Lohnsteuersenkungen
Wenn er ein vernünftig hohes Aufkommen aus den Vermögenssteuern erzielen will, erreicht er das nur, wenn er wie angedroht alle Mieten und kleineren Vermögen besteuert. Flugs werden dann die Mieten in die Höhe schnellen, und jeder Österreicher kann sich von seinem Mehreinkommen durch geringere Lohnsteuern gleich wieder verabschieden: Die Wohnungseigentümer bezahlen von der Lohnsteuerersparnis gerade noch die neuen Vermögenssteuern, Mieter hingegen ächzen postwendend unter steigenden Mietpreisen.

Eine Reichensteuer funktioniert nicht
Ich weiß, die Sozialdemokraten stellen sich das einfacher vor: Vermögenssteuern sollen natürlich nur für Reiche gelten. Ab welcher „Reichengrenze“ schlagen wir dann richtig ordentlich Steuern auf? Ist die Grenze zu hoch, haben wir immer noch zu wenige Steuereinnahmen, weil wir dann zu wenig betroffene „Reiche“ zählen, die sich zu allem Überdruss bei Überspannen des Bogens so wie Depardieu aus Frankreich dann verabschieden und somit gleich gar keine Steuern mehr bezahlen. Ist die „Reichengrenze“ zu nieder, treffen wir immer mehr gar nicht so reiche Mittelständler. Bei allen Emotionen: Wer über Steuerreformen redet, soll neben gut klingenden Botschaften den Taschenrechner nicht vergessen!

2. Mit wem will Christian Kern diese Pläne umsetzen?

Dem Kanzler wird doch klar sein, dass seine Pläne niemals mit der ÖVP machbar sein werden. Was sollen dann seine Pläne sein? Doch mehr eine Wahlkampfansage statt ernst gemeinter Pläne eines echten Machers! Doch wenn Christian Kern, offenbar wider seinem eigenen Erwarten, nicht die Absolute bei der nächsten Wahl holt wie der selige Kreisky, sind seine Pläne in den Wind geschrieben – mit der ÖVP und den NEOS nicht machbar, mit den Grünen nicht mehrheitsfähig; und Strache hat er ja schließlich nicht lieb, wofür ich noch ein gewisses Verständnis aufbringen kann.

Der große Haken und zugleich die Lösung: die Pensionen

Bleiben wir beim Budget: Bei gesamt ca. 80 Millionen Euro Budgetvolumen sind die ganz großen Posten nicht dort, wo am meisten gestritten wird: Die Mindestsicherung beispielsweise, um die Rot und Schwarz gerade heftig zanken, ist ein Schnäppchen im Vergleich zu den Pensionen!

Jeweils rund 10 Milliarden Steuergelder fallen auf Pensionszuschüsse (weil die Pensionsversicherungsanstalten 30 Milliarden einnehmen, doch 40 Milliarden ausgeben) und auf die Beamtenpensionen aus, gesamt also 20 Milliarden und somit ein Viertel des Budgets! Wenn der Kanzler also die Lohnsteuersenkung finanzieren will, steckt hier das mit Abstand größte Potential, nicht in neuen Steuern, sondern in höchstnotwendigen Einsparungen.

Doch hier schweigt der Kanzler, denn er weiß: Das will niemand von ihm hören. Das Totschweigen um Österreichs Pensionsfiasko eint alle Parteien: Die FPÖ redet, als ob das Geld auf den Bäumen wächst, die ÖVP wird vor dem Wahlkampf still, die NEOS reden spätestens dann nicht mehr weiter, wenn sie endlich in einer Rot-Grün-Pinken Koalition mitarbeiten dürfen, und die Grünen scheinen alles andere wichtiger zu finden.

Dabei sind gerade im Pensionsbereich die Reformmöglichkeiten riesig: Ein verlängerter Korridor statt fixes Antrittsalter, endlich die Anpassung des Frauenpensionsalters, Mobilisierung von brachliegendem Arbeitskräftepotential durch bessere Aus- und vor allem lebenslange Weiterbildung unter konkreter, moderierter Zielsetzung, schrittweise Abschaffung der aus dem Gedankengut voriger Jahrhunderte stammenden Witwenpensionen bei verstärkter Eigenvorsorge durch Frauenberufstätigkeit und damit verbundener Einsparung von immer mehr Ausgleichszulagen, massive Einschränkungen beim Bezug von Ehegattenunterhalt mit unzähligen positiven Nebeneffekten für mehr Pensions-, Steuer- und Sozialbeiträge und sich daraus ergebender, geringerer Budgetbelastung fallen mir als direkte Maßnahmen sofort ein, indirekt wirkende Reformen wie erhöhte Bildungseffizienz und eine gute Verbindung aus Work-Life-Balance und ausnahmsweise vernünftigem Familienrecht für eine nachhaltige Bevölkerungsstruktur (weil Menschen wieder gerne Kinder bekommen) sichern das Budget und die Pensionen für die Zukunft ab.

Alles diese Maßnahmen haben jedoch etwas Entscheidendes gemeinsam: Sie klingen unpopulär. Jetzt wissen Sie auch, warum diese Ideen so selten von Politikern aufgegriffen werden.

Ich kritisiere daher all diese Politiker, welche sich nicht für wirksame Ideen interessieren, sondern ausschließlich für populäre, egal, ob diese langfristig dem Wohle Österreichs dienen oder nur ihrem eigenen. Daher nenne ich hiermit bewusst jeden, der die Riesenchancen von echten Reformen im Pensions- und Familienbereich aus Popularitätsgründen verschweigt, einen Populisten, ob links oder rechts.

Es liegt an uns allen, Politiker nach diesem Gesichtspunkt zu beurteilen, spätestens bei der nächsten Wahl.

Hinweise: Kanzler Kerns Steuerpläne: http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/5080060/Bundeskanzler-Kern-will-Steuersystem-umbauen

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Steuermann Steuermann Thomas Fellinger CC BY-SA 4.0