Legal – aber notwendig ?

Panama Papers
Gesellschaft

Die Panama Papers: 11,5 Millionen Dokumente, die eine Parallelgesellschaft beleuchten, auf die man in Zeiten der Flüchtlingskrise fast schon vergessen hatte. Bei 214000 Briefkastenfirmen und tausenden Namen, darunter viele Prominente aus Sport, Wirtschaft und Politik, fällt es äußerst schwer, noch an Einzelfälle zu glauben. Auch deshalb, weil Mossack Fonseca nur die viertgrößte Kanzlei weltweit ist, die diese oft gesellschaftsschädigenden Dienste anbietet. Und wie die Selbstversuche von Phoenix und vom Bundestagsabgeordneten der Linken Fabio de Masi zeigen, scheint das Geschäftsmodell weiterhin zu florieren.

Nun ist es grundsätzlich nicht illegal, Briefkastenfirmen zu gründen – wenn man sein Geld vor der eifersüchtigen Ehefrau verstecken oder Firmen (legal) über den Lizenzgebührentrick Steuern sparen wollen. Dennoch, so Steuerexperten, wird die überwiegende Mehrzahl dieser Konstrukte gegründet, um Straftaten zu begehen (Steuerhinterziehung), kriminelles Geld reinzuwaschen oder – wie im Falle Syriens und Nordkoreas – internationale Strafmaßnahmen zu umgehen (um z.B. Waffen zu kaufen).

Bei der weit überwiegenden Anzahl krimineller Anwendungen fragt man man sich, warum solche Konstrukte überhaupt noch legal sind, zumal sich dieses „Angebot“ nur an einen sehr kleinen Teil der Weltbevölkerung richtet. Warum ist es notwendig, den Eigentümer einer Firma zu verschleiern, teilweise (siehe Phoenix-Doku oben) über fünf oder mehr verschachtelte Gesellschaften hinweg ? Das Handelsblatt ging der Frage nach, welche legalen Gründe es gibt, um Briefkastenfirmen in Steueroasen zu eröffnen.

Das Argument, Reiche müssen sich mit Hilfe von Trusts gegenüber Erpressern und anderen Kriminellen schützen (siehe Fall Reemtsma), ist verständlich, aber nicht wirklich stichhaltig. Denn auch wenn ein Krimineller vielleicht nicht das genaue Vermögen einer Person feststellen kann, so kann er an Hand von genutzten Autos, Grundstücken und Flugzeugen, oder auch durch Zeitungsberichte oder Society-Auftritte recht einfach darauf schließen, dass bei seiner Zielperson viel Geld im Spiel sein muss.

Ein weltweites Erbe zu organisieren (siehe Fall Gunter Sachs) mag ebenso wie der Kauf eines wertvollen Kunstwerks für einen Trust prädestiniert sein. Aber kann die Anzahl der Fälle, in denen mit legalem Geld Kunstwerke gekauft oder legal Erbschaften weitergegeben werden, die Mehrheit an illegalen Machenschaften und Verschleierungsversuchen gegenüber staatlichen Behörden rechtfertigen ? Und wenn man scheinbar davon ausgehen muss, dass Banken und Auktionshäuser tief von kriminellen Organisationen, welche besagte Kunstwerke an sich bringen wollen, unterwandert sind, dann scheint es höchst an der Zeit, das Thema Korruption und Strafverfolgung ganz oben auf die Tagesordnung der betroffenen Staaten zu setzen.

Das Ausschließen von Haftungsgründen mag im Fall einer rutschigen Bananenschale noch recht lustig klingen. Wenn es aber um Produkthaftung oder ähnliche staatliche Vorschriften geht, dann wäre es höchst problematisch, diese mit Hilfe von Firmenkonstrukten zu umgehen, deren Eigentümer nicht bekannt sind.

Bleibt die Verschleierung von Firmengeheimnissen bzw –interessen (Startup-Investitionen): wenn Apple sich bei einem erfolgversprechenden Unternehmen beteiligen will, ohne die Konkurrenz darauf aufmerksam zu machen, ist eine Briefkastenfirma, die die Eigentümerverhältnisse verschleiert, das geeignete Mittel. Bei diesem nachvollziehbaren Grund stellt sich die Frage, ob man dafür unbedingt eine Firma in einer Steueroase benötigt, oder ob man (als Gesetzgeber) nicht geeignete legale Konstruktionen im Herkunftsland schafft, die sowohl die Interessen der Firma wie auch die der lokalen Finanzbehörde beachten.

Da die Angst vor krimineller Energie gerade bei Wohlhabenden und Firmen recht hoch zu sein scheint und man sich deshalb in die Anonymität von Steueroasen flüchtet, stelle man sich kurz vor, eine kriminelle Organisation hebt Daten auf den British Virgin Islands aus. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Maßnahmen und Möglichkeiten des Datenschutzes bzw. des Schutzes vor kriminellen Übergriffen auf einer kleinen Insel im Nirgendwo wesentlich höher sind, als in westlichen Industriestaaten. Denn selbst wenn eine Firma für den österreichischen Fiskus keinen Eigentümer ausweist, so sind diese Daten irgendwo gespeichert – höchstwahrscheinlich in Computern von Finanzinstituten in Steueroasen. Ob man sich damit also langfristig mehr Sicherheit für sein Erspartes erkaufen kann, sei dahingestellt. Die Sicherheit, dass der heimische Fiskus keine Einsicht in das Treiben der Gesellschaft erhält, ist jedenfalls gegeben. Und dies ist wohl auch für die überwiegende Anzahl der Briefkastenkonstrukte das bestimmende Motiv.

Trotz weitreichender Abkommen wie jenes der OECD, das 2017 in Kraft tritt und an dem 60 Staaten teilnehmen (darunter kaum Steueroasen), die automatisch Steuerdaten zwischen ihren Finanzverwaltungen austauschen, wird man die Steuerflucht nur eindämmen können, wenn man entweder die Steueroasen unter Druck setzt, solchen Abkommen beizutreten (Panama weigert sich im konkreten Fall), oder wenn man bei den Briefkastenfirmen ansetzt, wie es Deutschland mit dem Transparenzregister versucht (aber leider nur halbherzig).

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