Lost in Portugal

Bom Jesus
Soziales

Für mich ist Portugal ein Mysterium. Und ich fühlte, dass ich wirklich dorthin muss. Vielleicht deshalb, weil meine Mutter letztes Jahr dort war, ohne mich. Wir beschlossen, dass wir diesen Sommer gemeinsam dorthin fahren würden. Und obwohl die Reise dann doch anders erfolgte als gedacht, ist meine Mom trotzdem bei mir, auf eine andere Art und Weise.

Nach meinen Studienprüfungen zögerte ich nicht lange und buchte die Tickets, und zwei Wochen später stand ich schon mit meinen Taschen am Flughafen am Check-In Schalter. Es ist übrigens das Beste, sich nichts zu erwarten, wenn man reist, und ich kann von einem ausgesprochenen Glück reden, dass mir diese unbefangene Erfahrung diesmal in Portugal beschert wurde.

In der ersten Woche blieb ich in Porto in Foradouro: Ein hübscher Platz mit naturbelassenen Stränden, die endlos erschienen. Jeden Tag das besondere Glück zu haben, dabei zusehen zu können, wie die Sonne hinter dem Ozean verschwand, empfand ich als besonders magisch! Den Mix an Farben von intensivem Pink, Orange und Gelb möchte ich als Geschenk für meine Augen betrachten. Morgens Yoga am Strand und Stand Up Paddling durch das Delta zählten zu meinen besonderen Happenings.

Ich liebte die Zeit dort, und trotzdem verspürte ich den Drang, etwas Neues zu erleben: Ich war bereit, das Leben in der Stadt zu erkunden! Also nahm ich den Zug, und 50 Minuten später kam ich schon in Porto an. Ich erinnere mich noch gut: Meine erste Reaktion war „Wow“, als ich am Stop Sao Bento ausstieg! Die Straßen, die Häuser, das Schloss, die Farben, die Musik, all das beeindruckte mich. Als ich in meinem Hostel eincheckte, das sich fünf Minuten entfernt von der City befand, beschloss ich, mich kurz auszuruhen. Aber das schien schier unmöglich, denn die Leute waren so freundlich und interessant. Also blieb ich mit ihnen und konversierte, lachte, trank, spielte Gitarre, und das bis in die frühen Morgenstunden.

Ich liebe es, mich in Städten zu verlieren, und so geschah es mir.

Keine Sorgen, keine Pläne, keine Hast, nur dem Wind folgend durch die engen Gässchen von Porto. Ich entdeckte wunderschöne Gärten, Parks, Weinkeller, Gaia, den Fluss, gigantische Brücken, die lachenden Männer – das sind Statuen in einem Park mit ein paar Männern: Sie sitzen und lachen und scheinen dazu da, Vorbeigehende zum Lachen zu bringen, denn:

„Lachen ist ansteckend.“

Die alte Straßenbahn, der Strand und viele andere atemberaubende Impressionen. Ich plante eigentlich nur drei Nächte in Porto, aber die Menschen und der Vibe der Stadt taten so gut, dass ich einfach länger blieb. Also verbrachte ich noch ein bisschen mehr als eine Woche an Zeit dort.

Ich reiste alleine – und das zum allerersten Mal! Ich erinnere mich an meine Gedanken vor einem Jahr, als ich mit Freundinnen sprach und diese erzählten, dass sie alleine reisten, und ich damals nicht verstehen konnte, wie sie den Mut dazu aufbringen konnten; ich fragte mich stets: „Hatten die alleine überhaupt Spaß?“ Ich konnte mir so ein Unterfangen nicht ohne Sicherheiten vorstellen, z.B. ohne einen Freund, der da wäre, falls man krank würde, oder wenn einem das Geld ausging, oder aber irgendetwas anderes passierte. Damals konnte ich es mir einfach nicht vorstellen, jemals dieses Risiko eingehen zu können.

Und jetzt bin ich da. Ein Jahr später und ich reise alleine – und ich liebe es!

Alleine zu reisen trägt sehr viel Schönheit und Freiheit in sich. Weiters ist es erstaunlich, wie man sich offenherziger und sozial engagierter gibt, wenn man nur auf sich allein gestellt ist. Noch vor meiner Reise hatte ich Angst, dass ich niemand kennenlernen würde; und nun war ich nicht mal eine einzige Nacht alleine, nur für mich.

Nach Porto ging es nach Braga. Das ist die Stadt, in die meine Mom letztes Jahr reiste. Sie liebte sie und ich wollte unbedingt wissen, was sie da alles erlebt haben könnte. Nachdem ich angekommen war, ging ich nach Bom Jesus – und da begann ich, endlich zu verstehen! Ich hatte Glück und kriegte noch den Sonnenuntergang mit, und ich war hingerissen. Ich denke, ein Bild spricht diesmal mehr als alle meine Worte:

Gereis ist ein Naturschutzgebiet und befindet sich 40 km von Braga entfernt mit einem riesigen See, Bergen, Flüssen, Dämmen und, was mich am allermeisten fesselte: mit wilden Pferden. Da ich ein Naturliebhaber bin, fühlte ich pures Glück.

Durch Gereis kam ich nach Spanien. Ich ging allein die Küste entlang, und es schockierte mich ein wenig, dass ich plötzlich begann, Portugal zu vermissen, obwohl ich räumlich gar nicht so weit davon entfernt war. Ich befand mich bloß 20 km von der Grenze entfernt – aber alles schien anders. Die Sprache, das Verhalten der Menschen, die Art der Musik um mich. Ich denke, ich importierte meine Erwartungen aus Portugal – und so konnten sie in Spanien nicht erfüllt werden. Ich suchte nach einem kleinen Plätzchen nahe des Ozeans, damit ich mich ein bisschen ausruhen konnte, und das Schicksal führte mich nach Muxia, und ich buchte spontan ein Hostel. Nachdem ich zweimal mit dem Bus fuhr, kam ich endlich in Muxia an: Es beginnt dort, wo die Pilgerfahrt Caminho de Santiago offiziell aufhört. Ich traf Leute, die diesen Weg „caminho“ gingen und hörte mir ihre Geschichten an, die mich dazu ermutigten, das nächstes Jahr auch zu unternehmen.

Jetzt bin ich in Madrid. Das ist nicht gerade meine Lieblingsstadt; ist mir vielleicht ein wenig zu modern, aber ich erfuhr etwas, das mir ein Lächeln ins Gesicht zeichnete. Und ich zeige Euch, was es ist:

Reisen ist für mich wie tief Luft zu holen. Zu allem Stop zu sagen und nur mich mir selbst zu sein, ohne auf irgendetwas reagieren zu müssen.

Auf diese Weise kann ich all meinen verrückten und auch langweiligen Gedanken folgen, ich kann sie erforschen, ihnen eine Chance geben. Ich habe große Freude daran, alleine zu sein, besonders wenn ich mit dem Bus oder mit dem Zug fahre, ein Notebook in meinen Händen halte, Musik in meinen Ohren habe, die Landschaften anderer Orte beim Vorziehen beobachte und Notizen meiner Gedanken machen kann. Ich fühle puren Frieden. Und ich fühle mich sicher.

Menschen kennenzulernen ist der schönste Teil beim Reisen, wie ich bereits zuvor erwähnte. Aber warum fühlt es sich anders an, wenn man Menschen an einem anderen Ort als zuhause antrifft?

Wenn man sein Zuhause verlässt, dann lernst du jemand kennen oder eine Gruppe von Menschen und man verbringt einen oder zwei Tage in derselben Stadt, hat eine tolle Zeit, ohne wirklich etwas über die andere Person zu wissen.

Damit meine ich, etwas über den finanziellen Status, Titel, Verdienste, Probleme, zu kennen; man akzeptiert den anderen ganz einfach, wie er hier in diesem Moment ist. Alle sind gleich und jeder tut ein und dasselbe: Reisen, Entdecken, Experimentieren, und manche von uns suchen etwas, von dem sie gar nicht wissen, was es genau ist. Und das ist gut so, solange man an sich selber glaubt und seinen Gefühlen freien Lauf lässt.

Menschen in Madrid kennenlernen

Übersetzung Englisch-Deutsch: Anna Dichen

Credits

Image Title Autor License
Weg zum Foradouro Strand Weg zum Foradouro Strand Carina Toma CC BY-SA 3.0
Weinkeller in Porto Weinkeller in Porto Carina Toma CC BY-SA 3.0
Stand Up Paddling Stand Up Paddling Carina Toma CC BY-SA 3.0
Bom Jesus Bom Jesus Carina Toma CC BY-SA 3.0
Bom Jesus Bom Jesus Carina Toma CC BY-SA 3.0
Mein erster Eindruck von Porto, nachdem ich am Stop Sao Bento hielt Mein erster Eindruck von Porto, nachdem ich am Stop Sao Bento hielt Carina Toma CC BY-SA 3.0
Die lachenden Männer Die lachenden Männer Carina Toma CC BY-SA 3.0
Muxia Muxia Carina Toma CC BY-SA 3.0
Muxia Muxia Carina Toma CC BY-SA 3.0
Muxia Muxia Carina Toma CC BY-SA 3.0
Muxia Muxia Carina Toma CC BY-SA 3.0
Muxia Muxia Carina Toma CC BY-SA 3.0
Morgens Yoga am Strand Morgens Yoga am Strand Carina Toma CC BY-SA 3.0
Menschen in Madrid kennenlernen Menschen in Madrid kennenlernen Carina Toma CC BY-SA 3.0
Buenavista Palast Buenavista Palast Carina Toma CC BY-SA 3.0
Impressionen von Porto Impressionen von Porto Carina Toma CC BY-SA 3.0
Impressionen von Porto Impressionen von Porto Carina Toma CC BY-SA 3.0
Gereis Naturschutzgebiet Gereis Naturschutzgebiet Carina Toma CC BY-SA 3.0
Impressionen von Porto Impressionen von Porto Carina Toma CC BY-SA 3.0
Gereis Naturschutzgebiet Gereis Naturschutzgebiet Carina Toma CC BY-SA 3.0
Gereis Naturschutzgebiet Gereis Naturschutzgebiet Carina Toma CCBY-SA 3.0
Gereis Naturschutzgebiet Gereis Naturschutzgebiet Carina Toma CC BY-SA 3.0
Gereis Naturschutzgebiet Gereis Naturschutzgebiet Carina Toma CC BY-SA 3.0
Gereis Naturschutzgebiet Gereis Naturschutzgebiet Carina Toma CC BY-SA 3.0
Foradouro Meeresblick Foradouro Meeresblick Carina Toma CC BY-SA 3.0

Diskussion (Ein Kommentar)

  1. „Damit meine ich, etwas über den finanziellen Status, Titel, Verdienste, Probleme, zu kennen; man akzeptiert den anderen ganz einfach, wie er hier in diesem Moment ist. … “

    Ain’t it wonderful ? 😉