Manchmal sind Bäume die allerbesten Freunde

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Meinung

Ich werde von Abend zu Abend immer früher müde. Die Hitze macht mich mürbe. Wir bekommen einen Anruf, der uns über den Tod von G.s Großmutter informiert. Was so viel bedeutet wie, dass das für morgen für Ashley geplante Pubertätsritual (inklusive Sandmalerei) um mehrere Wochen verschoben werden muss. Sie wollte doch, dass ich dabei bin. Jetzt sind wir ein wenig traurig, dass ich es verpassen werde. Aber tradierte Gesetze sind Gesetze.

(Aus: Ich mache weiter mit meinem Studium über die Stammeskultur)

Tag 14, 16-06-02:

Tom fuhr nachts über das Reservat wieder zurück. Ich will dringend mit ihm reden, aber schon überstürzen sich die Ereignisse. Garrett taucht auf. Er, Blackhorse und ich wollen die Second Mesa über der Ranch auf der Suche nach einem speziellen Kristall zum Färben von Wolle besteigen.

Die traditionelle Webkunst ist harte körperliche Arbeit. Auf dem Weg über die Ranch schauen wir noch, ob die Kühe mit ausreichend Wasser versorgt sind. Die Tränken sind fast leer. Wir parken den Truck unter einem alten, verzwirbelten Wacholder, schmieren uns ein mit Sonnencreme (ja, auch Eingeborene können einen Sonnenbrand bekommen) und gehen los. Nach ein paar Meilen bemerken wir, wie die Sonne beginnt, an unseren Kräften zu zehren. Deshalb halten wir alle zehn Minuten an, um im Schatten der umliegenden Felsen etwas Wasser zu trinken. Höher und höher klettern wir – und sind dabei einstimmig still.

Blackhorse erklärt uns nun, dass wir das Land der Ute betreten haben und dass die Stämme dort noch immer ihren jahrhundertelangen Krieg führen (heute sind sie weniger aggressiv und töten einander nur noch selten). Wir fühlen uns unwohl, als wir eine Rauchfahne bei einem Fahrzeug unten im Tal erkennen können. Nun, es handelt sich um eine klassische Gruppe, die sich eine Schlacht liefert – im besten Fall nehmen sie uns gefangen.

Großartig … Nach einer weiteren Stunde, die uns endlos erscheint, erreichen wir die Stelle, an der Blackhorses Großmutter scheinbar das Zeug für den Weber gesammelt hat. Dort gibt es überall glitzernde Kristalle. Wir sammeln unsere Beute und packen sie in unsere bereits vollen Rucksäcke (auf dem Weg nach oben erzählte uns Blackhorse von den Eigenschaften fast jeder Pflanze, der wir begegnen, von den Teesorten, vom Tabak, von der Medizin … und wir mussten ganz schön viel einsammeln). Zufrieden mit unserer Expedition steigen wir langsam den Berg hinab und machen uns still und leise auf den Weg zurück zum Truck.

Zu Hause angekommen besuchen die Jungs die alte Tante – eine erfahrene Weberin. Dann kommen sie zurück und verraten mir, dass alle Kristalle, die sie zu ihr brachten, unbrauchbar seien. Sie sehen dem echten Zeug zwar ähnlich, aber sie würden anders schmecken … Die Dinge, die man wissen muss …! Wir wissen nicht, ob wir lachen oder weinen sollen – dafür sind wir zu müde. Also fahren wir ins Kino und schauen uns „Windtalker“ an. Ein neuer Film über die Navajo Code Talkers, die einen auf ihrer Sprache basierenden Code erfanden, der sich als nicht zu knacken erwies und für den US-Krieg im Pazifik entscheidend wurde. Alle Vorstellungen sind ausverkauft. Ab zum Abendessen.

Ich hinterließ Tom eine Nachricht im Haus, aber irgendwie schien das nicht geklappt zu haben. Wir nehmen Gareth, der kaum noch laufen kann, wieder mit nach Hause. Als wir erschöpft auf die Couch fallen, um uns noch vor dem Schlafengehen die Nachrichten anzusehen, kommt etwas Seltsames den Boden entlanggekrochen, direkt vor meine Zehen. Es entpuppt sich als Skorpion auf dem Weg in die Küche. Nach der Schockstarre und der Verwirrung wird er getötet und hinausgeworfen. Eigentlich wollte ich ihn lebendig einfangen. Aber das macht man nicht mit Tieren, die töten können, begegnet man ihnen zufällig zu Hause – im Dunkeln und barfuß. Lektion gelernt. Bin ich glücklich über die Fauna und Flora in Österreich – was für ein Segen?

Tom kommt nach Hause – er hatte uns in Farmington knapp verpasst. Wir rauchen draußen eine Zigarette und informieren uns über die Ereignisse, und er geht nun los, um seine Koffer für morgen Früh zu packen. Tom kehrt heim, und ich habe genug für heute. Mach’s gut, Shash. NativeNow! Theater – das tägliche Online-Abenteuer – Februar 2006.

Nun, was auch immer Sie dazu motiviert hat, meine Tagebücher zu lesen, an meiner Reise teilzuhaben und die Kluft zwischen „hier“/“dort“ und „uns“/“ihnen“ zu überwinden: Ich rate Ihnen dringend, die Lektüre nun zu beenden. Ja, verlassen Sie Ihr Zuhause, bewegen Sie Ihren Hintern in Ihre Gegend, besuchen Sie Freunde oder Bäume (die, wie einige von uns wissen, die besten Freunde von allen sein können – auch wenn sie ein bisschen langsam reden … Sie sind großartig als Stütze …). Lieben Sie, langsam und leidenschaftlich … (oder tun Sie, was auch immer Sie wollen, natürlich) …

Nun, Sie wissen wohl am besten, wie Sie Ihre wertvolle Zeit verbringen. Wertvoll, genau das ist sie. Das wurde mir besonders im letzten Monat klar, als das Leben (oder waren es vielmehr meine eigenen Aktivitäten … und wahrscheinlich war es das Karma, das ausholte) mir einen harten Schlag verpasste.
 Was, Sie sind immer noch da?! In Ordnung, dann bin ich wohl froh, dass Sie nun Teil davon sind. Verdammt, wer will sich nicht ab und zu mit seinen Erfahrungen austauschen. Zumindest an der Schwelle zu den grauen, langweiligen Ländern schaltet man einfach ab und geht weiter. Es ist wie in einer romantischen Lovestory, die säuerlich geworden ist … Aber das ist eine andere Geschichte.

Übersetzung Englisch-Deutsch: Anna Dichen

Credits

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