Populismus und Extremismus: Eine Gefahr für die Demokratie?

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Politik

Veranstaltungsdaten

Datum
2. 9. 2017
Veranstalter
Waldviertel Akademie
Ort
Rathaus Weitra
Veranstaltungsart
Podiumsdiskussion
Teilnehmer
Dr. Michaela Hickersberger, Politologin, Referentin für Sozial- und Gesellschaftspolitik, Ökosoziales Forum, Wien
Mag. Michael Laczynski, Journalist, Autor, EU-Korrespondent in Brüssel, Die Presse, Wien
Dr. Reinhard Linke, Journalist, Kurator der Internationalen Sommergespräche

Der Nachmittag des dritten Programmtages der 33. Internationalen Sommergespräche – von der Waldviertel Akademie veranstaltet – stand ganz im Zeichen der Erörterung des Umgangs mit Populismus und Extremismus. Unter der Moderation von Dr. Reinhard Linke diskutierten zu diesem Thema die Politologin Dr. Michaela Hickersberger und der Journalist und Autor Mag. Michael Laczynski.

Zu Beginn der Podiumsdiskussion stellt Dr. Reinhard Linke die Frage, ob denn die Waldviertel Akademie und deren Vorsitzender, Dr. Ernst Wurz, populistisch tätig seien, ob man Aufmerksamkeit erregen und ob man in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wolle. Dies könne hier eigentlich nur bejaht werden, da unlängst dem Wunsch der Tageszeitung „Die Presse“ nachgegangen worden sei, das Referat vom Vortag von Univ.-Prof. Dr. Ulrike Guérot zu veröffentlichen, um es heute auf der Spectrum-Titelseite zu sehen. Was die Waldviertel Akademie also zur Diskussion stellen wolle, sei somit in die Öffentlichkeit getragen worden. Mit solchen Zielen seien auch Populisten hausieren gegangen, nämlich um Bekanntheit und Anerkennung zu erlangen. Aber würde man Dr. Ernst Wurz auch im selben Atemzug mit Marine Le Pen, Heinz-Christian Strache oder Frauke Petry nennen? Wohl kaum. In der folgenden Diskussionsrunde stellt man sich die Fragen: Was ist Populismus? Wer sind Populisten? Was ist Extremismus?

Dr. Michaela Hickersberger stellt fest: Dr. Ernst Wurz sei definitiv kein Populist, auch wenn er ähnlich wie das Ökosoziale Forum – Hickersberger ist dort für die Ressorts Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik als Referentin tätig – um Öffentlichkeit bemüht sei.

Ein Begriff. Zwei Verwendungen. Drei Merkmale. Vier Kommunikationsleitlinien.

Der Begriff Populismus entstamme dem Lateinischen populus, was „Volk“ bedeutet, und habe mit dem Begriff Demokratie und dem Souverän nur im weitesten Sinne zu tun. Hickersberger unterscheide zwei Verwendungen des Begriffes: Einerseits handle es sich bei Populismus um einen politischen Kampfbegriff, andererseits gebe es hier ein sozialwissenschaftliches Konzept, mit dem verschiedene Merkmale einhergehen würden. Merkmal Nummer eins sei die Komplexreduktion: Populisten würden komplizierte Sachverhalte auf etwas Kleines, leicht Verständliches reduzieren bzw. vereinfachen. Zweitens würden sie polarisieren, moralisieren und emotionalisieren. Und das dritte Merkmal stelle die Ablehnung von Eliten bzw. der Anspruch, „das Volk“ alleinig zu repräsentieren, dar.

Vier Kommunikationsleitlinien könne man ruhigen Gewissens verfolgen, ohne sofort als populistisch zu gelten. Dazu gehöre das Verwenden einer einfachen Sprache. Eine komplizierte Sprache schrecke ab. Weiters seien Emotionen von großer Bedeutung, denn politische Argumentationen seien nicht immer rein vernünftig. Man habe schließlich nicht nur einen Kopf, sondern auch ein Herz. Werden Emotionen angesprochen, solle man tunlichst darauf achtgeben, dabei keine Feindbilder zu zeichnen. Darüber hinaus sei das Anerkennen von Pluralismus bedeutsam. Ein Anliegen solle, wenn notwendig, auch emotional vorgebracht werden, und bei Meinungsverschiedenheiten entziehe man der andersdenkenden Person deshalb nicht gleich deren Legitimation. Die vierte Kommunikationsleitlinie stelle das Reflektieren der eigenen Kommunikation dar, um nicht selbst in die „Populismusfalle“ zu tappen.

Populismus ist einfach – Demokratie ist komplex. Oder um es mit Fred Sinowatz zu sagen: ‚Es ist alles sehr kompliziert‘.

Mag. Michael Laczynski, EU-Korrespondent für die Tageszeitung „Die Presse“ in Brüssel, befasste sich zwei Jahre lang intensiv mit dem Thema Populismus und schrieb dazu auch ein Buch mit dem Titel „Fürchtet euch und folgt uns. Die Politik der Populisten.“ Anlass dazu seien die Entwicklungen der vergangenen vier bis fünf Jahre gewesen, die Lacynski zunehmend beunruhigt hätten, wie etwa der Wahlsieg der Nationalpopulisten in Polen, das Austrittsreferendum in Großbritannien, die Debatte während der Flüchtlingskrise und die Grenzschließungen in diesem Zusammenhang, die Linkspopulisten in Griechenland usw. Eine der vielen Erkenntnisse, die Laczynski im Zuge seiner Recherchen gewonnen habe war, dass die Populisten durchaus in der Lage seien, die magische Grenze von dreißig Prozent zu knacken, was ihnen nicht zugetraut worden sei. Außerdem hätten sich für ihn drei charakteristische Rollen herauskristallisiert, die einen Populisten besonders erfolgreich machen könnten. Da wäre zum einen die Rolle des Rebellen:

Ich gegen das Establishment. Die Rolle des Robin Hood, der für den kleinen Mann einsteht.

Als Beispiel hierfür nennt Laczynski ein FPÖ-Werbeplakat von 1994 mit Jörg Haider: „Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist.“ Die zweite Rolle sei die des Zauberkünstlers, des Gauklers: Ein Populist müsse glaubhaft machen, dass er jedes noch so kompliziert erscheinende Problem ganz einfach lösen könne. Die dritte Rolle sei die des Angstmachers: Angst könne man als „Rohstoff“ des Populismus sehen. Wer Angst habe, könne nicht mehr so klar und rational denken, und von diesem Angstzustand könnten Populisten letztendlich profitieren.

Wer wählt denn eigentlich Populisten?

Zu den Wählern würden tendenziell – wenig überraschend – Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau zählen. Je höher der Bildungsstand, desto immuner sei man gegen populistische Botschaften. Das Alter betreffend gebe es hier ebenfalls eine klare Tendenz: Je älter, desto eher empfänglich für populistische Inhalte. Hier würden sich aber auch Ausnahmen wie z.B. Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer oder Marine Le Pen finden, die allesamt überraschend gut auch bei den Jugendlichen ankämen. Weiters sei auch die geografische Lage eines Ortes von großer Bedeutung. Hier gelte: Je ländlicher die Gegend, desto wahrscheinlicher würden Populisten gewählt. Hierzu verweist Laczynski auf eine bemerkenswerte Studie in Frankreich, die scheinbar besagte, dass just in jenen Gebieten, in denen ein Postamt zugesperrt worden sei, die rechtspopulistische Partei Front National einen massiven Zulauf an WählerInnen verbucht habe. Daraus könne also geschlossen werden, dass Menschen, die sich alleingelassen fühlen würden, eher Parteien wählen, die einfache Lösungen versprechen würden. Bemerkenswert sei zusätzlich, dass nicht nur die sogenannten „Globalisierungsverlierer“ Populisten wählen würden, sondern auch Menschen, die mit beiden Beinen fest im Berufs- und Sozialleben stünden, sich aber davor fürchteten, dass es ihnen irgendwann schlechter gehen könnte.

An dieser Stelle möchte ich Sie auf unser Video verweisen, in dem die Diskutierenden im Detail auf populistische Strömungen – links und rechts – eingingen in Ländern wie z.B. Polen, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, den USA oder Ungarn, und sich im Anschluss daran zahlreichen Publikumsfragen bzw. -kommentaren widmeten:

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