Steigende Energiepreise, Energiearmut und eine sozial gerechte Energiezukunft

Politik

In dieser Online-Diskussionsrunde des BSA mit der Architektin und Autorin Katharina Kirsch-Soriano da Silva, den Ökonominnen Angela Pfister und Anna Pixer sowie dem Politikwissenschafter und Autor Christoph Strünck geht es um steigende Energiepreise, Energiearmut und sozial gerechte Energiezukunft.

In einer ersten Runde wird Energiearmut definiert und es werden praktische Maßnahmen vorgestellt. Für Katharina Kirsch, die auch für die Caritas arbeitet, sind wenig energieeffiziente Gebäude und wenige finanzielle Ressourcen die wesentliche Faktoren für Energiearmut. Für sie wie auch für Angela Pfister steht eine stark wachsende Gruppe der Bevölkerung vor dem Problem, die Nachzahlungen bzw. neuen Teilbeträge für Energie, die mitsamt der Miete oftmals bis zu 2/3 des monatliche Einkommens betragen, nicht mehr oder nur durch Einschränkungen in anderen Lebensbereichen aufbringen können. Der ÖGB hat einen Energiepreisdeckel für Strom und Heizen vorgeschlagen. Darin ist eine fixe Preisobergrenze geplant; für den Energieversorger gibt es eine Kompensation, die an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Anna Pixer sieht Energiearmut nicht als neues Problem, es ist jetzt aber stärker präsent geworden. Diese tritt ein, wenn ein Haushalt angibt, sich seine Energiekosten nicht mehr leisten zu können bzw. nur schlecht gedämmter Wohnraum zur Verfügung steht und damit wesentlich höhere Energiekosten entstehen. Kurzfristig wäre es wichtig, den Grundbedarf zu deckeln; langfristig müssen fossile Brennstoffe ersetzt und der Umstieg gefördert werden. Christoph Strünck stellt die Definition der deutschen Bundesregierung vor, die nur an die Einkommenshöhe geknüpft, also nur auf Einmalzahlungen reduziert ist. Wichtig ist eine Ergänzung um die Ausgaben, die ein Haushalt für Energie hat. Ebenso sollte auch die Infrastruktur miteinbezogen werden: also welche Energiequelle genutzt wird. Einkommensschwache Haushalte haben in der Regel relativ gesehen die höchsten Heizkosten, weil in deren Wohngebäuden ineffiziente Heizsysteme und schlechte Wärmedämmung vorherrschen.

Das Potential für eine „gerechtigkeitsbewusste Energiepolitik“ ist vorhanden, braucht zum einen ökologische Maßnahmen, die aber andererseits nicht zu einer sozialen Schieflage führen dürfen. CO2-Bepreisung darf nicht ohne Rücksichtnahme auf die Verteilungsgerechtigkeit erfolgen. EU-weit wird aktuell diskutiert, ob es eine Energiepreisbremse oder einen Energiepreisdeckel geben soll. Derzeit ist laut Christoph Strünck nicht absehbar, was besser wirkt. Anna Pixer hält die Preissteigerungen grundsätzlich für wichtig, um eine Energiewende anzukurbeln. Der Strompreis sollte vom Gaspreis entkoppelt und notwendige Unterstützungsmaßnahmen treffsicher ausgestaltet werden. Für Angela Pfister kommen die Maßnahmen in Österreich zu spät; zudem sind Einmalzahlungen kein nachhaltiges Rezept. Die Finanzierung eines für sie notwendigen Preisdeckels sollte durch eine Übergewinn-Besteuerung erfolgen, die wesentlich höher als die geplanten 33 % ist, nämlich 60-90 %. Zusätzlich sollte die Energieversorgung wieder Aufgabe des Staates und nicht von irgendwelchen Märkten abhängig sein. Für Katharina Kirsch herrschen in den Haushalten von Geringverdienern die größten Mängel bezüglich Energieeffizienz. Zudem entstehen die größten Kosten nicht durch den Stromverbrauch sondern durchs Heizen: die Heizquellen können in der Regel nicht frei gewählt werden. Punktuelle Zahlungen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sie lösen das Problem nicht grundsätzlich. Es braucht bezahlbare Energiepreise aber auch eine basale Existenzsicherung, die niederschwellig zu beantragen sein muss – gerade in Zeiten der Inflation. Auch ein Energieabschaltungsverbot gerade in der Winterzeit, finanzielle Unterstützung bei Maßnahmen wie Gerätetausch und Verbesserung von Energieeffizienz sind diskussionswürdig.

In der letzten Runde am Podium widmen sich die Teilnehmer der Frage wie Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit Hand in Hand gehen und Energiearmut langfristig und dauerhaft bekämpft werden können. Für Angela Pfister ist die Liberalisierung am Energiemarkt eine Sackgasse: sie steht im Widerspruch zur Versorgungssicherheit und zur Energiewende. Planung durch den Staat und entsprechende Fördermittel sind für eine Änderung hin zu einer leistbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung notwendig. Christoph Strünck plädiert für eine Basisversorgung, die treffsicherer ist, als die bisherige. Es braucht eine gestaffelte Bepreisung, die der sozialen Situation angemessen ist. Katharina Kirsch wünscht sich ein Entgegenwirken gegen die strukturelle Ungerechtigkeiten. Anna Pixer betont, dass das Ende der Energiekrise nicht unbedingt das Ende der Energiearmut ist: es braucht daher einen auf Dauer angelegten treffsicheren Ausgleich.

Im Anschluss werden noch Fragen aus dem Publikum beantwortet.

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BSA – Energiearmut-YOUTUBE-IPHP Wolfgang Müller CC BY SA 4.0