Was ist Heimat? Der politische Kampf um einen Begriff

Heimat
Politik

Veranstaltungsdaten

Datum
26. 7. 2017
Veranstalter
Team Stronach Akadmie
Ort
Team Stronach Akademie, 1050 Wien
Veranstaltungsart
Vortrag
Teilnehmer
Dr. Andreas Unterberger, Autor

Am Mittwoch, den 26. Juli, besuchte ich die Team Stronach Akademie, um einen Vortrag  zu einem wichtigen Thema zu hören: Es ging um die nicht ganz so einfache Definition des Begriffes „Heimat“, der von Dr. Andreas Unterberger thematisiert wurde. Andreas Unterberger war Chefredakteur der „Wiener Zeitung“ und der „Presse“. Er ist Autor mehrerer Bücher und betreibt einen der erfolgreichsten politischen Blogs Österreichs.

Er begann zunächst mit der juristischen, rechtlichen Definition, nach der Heimat ein wechselnder Wohnort sei. Allerdings habe sein Vater noch Heimatrecht in einem Dorf in der Steiermark besessen, obwohl er dann in Wien studierte. Dies hatte rechtliche Auswirkungen wie etwa die, dass das Heimatdorf vermutlich für ihn verantwortlich gewesen wäre, sollte der Vater ein Pflegefall werden. Das Heimatrecht gab es bis 1939, dann wurde es abgeschafft.

Weiter ging er auf den subjektiven, psychologischen Begriff ein. Demnach sei Heimat ein extrem starkes Gefühl, das sich durch Bindung an einen bestimmten Raum und eine bestimmte Kultur sowie an gewisse Menschengruppen ausdrückt. Von Geburt erweitert sich das Heimatgefühl immer mehr. Zuerst sei es die Mutter, dann weitere nahestehende Personen, schließlich die Stadt und zuletzt das eigene Bundesland.

Im Alter von vierzehn Jahren sei dieser Prozess dann emotional abgeschlossen. Dies sei interessanterweise genau das Alter, in dem die meisten Menschen eine Fremdsprache nicht mehr akzentfrei erlernen könnten. Beispiele sind etwa Arnold Schwarzenegger und Frank Stronach, die sich beide ihren deutschen Akzent in Englisch bewahrt haben.

Mit Anfang Zwanzig scheint sich dieses Heimatgefühl ins Gegenteil zu verkehren, viele junge Menschen wollen ins Ausland und die Welt erkunden. Doch je älter man wird, desto mehr würde die Heimatbindung wieder zurückkehren. Dies treffe sicher nicht auf jeden zu, aber auf die meisten; etwa auf Juden, die trotz schrecklicher Erlebnisse Österreich und Deutschland wieder als ihre Heimat ansehen würden und dort sehr gefühlvolle Erlebnisse hätten. Ab der mittleren Lebenshälfte würde sich das Heimatgefühl wieder verstärken. Die Bindung an die engsten Kreise würde immer die stärkste bleiben, zumindest beim Durchschnitt.

Die 68er-Studentenbewegung sei eine Gegenbewegung zum Nationalsozialismus gewesen, welcher Heimatgefühle sehr stark instrumentalisierte. Auch aufgrund dessen sei diese Studentenbewegung nicht sehr patriotisch gewesen. Heimatverachtung sei vor allem in Österreich und Deutschland vorzufinden.

Auch heutzutage finde man im politischen Raum weniger nationale Phänomene. Etwa habe es in den 50er- und 60er-Jahren in der ÖVP noch Blasmusik gegeben, auch Auftritte von Politikern im Steireranzug seien üblich gewesen. Dies änderte sich in den 70ern, als man die Partei modernisierte. Die Freiheitlichen hätten dagegen eher das Problem gehabt, dass sie immer noch einer großdeutschen Lösung anhingen, also Österreich zu einem deutschen Bundesland machen wollten. Dies sei aber heute nicht mehr der Fall.

Das Phänomen der Internationalisierung setze sich auch weiter fort. So habe etwa der Direktor des Burgtheaters, Martin Kušej, gemeint, dass er es als Welttheater führen wolle und nicht als Nationaltheater. Es solle auch fremdsprachige Aufführungen geben.

Nun gab Unterberger einen persönlichen Einblick in das Thema Heimat und findet, dass äußerliche Dinge nicht so wichtig und auch nicht verpflichtend seien, aber er schäme sich nicht für Volksmusik oder Traditionen wie das Neujahrskonzert. Er sei zwanzig Jahre lang Auslandsjournalist gewesen und habe dabei auch eine Bindung an asiatische Kulturen und Kulinarik entwickelt, und für italienische Oper müsse man ohnehin nicht wegfahren. Er sei auch nicht für die Verdammung jedes Fremdwortes.

Er sei aber gegen Menschen, die sich gegen eine sie umgebende Gemeinschaft stellen, aber im gleichen Zuge auch von ihr profitieren wollen. Dies treffe auf Menschen zu, die nicht arbeitswillig seien. Oder etwa Menschen mit Migrationshintergrund in der zweiten oder dritten Generation, die nicht Deutsch sprechen sowie in der Öffentlichkeit verhüllt auftreten würden. Diese würden sich von der Gemeinschaft distanzieren. Dies treffe vor allem auf Türken zu und weniger auf andere ausländischstämmige Menschen, etwa Asiaten, Schwarzafrikaner oder Norweger. Muslime würde man niemals in einer österreichischen Tracht vorfinden.

Er hatte in Kanada Österreich-Clubs besucht, und dort habe man nach kurzer Zeit Englisch gesprochen. Die österreichischen Emigranten hätten sich dort schon in der ersten Generation sprachlich an das Land angepasst.

Hier machte Unterberger einen weiteren thematischen Sprung. Er stellte die Frage in den Raum, was denn nationale Identität sei. Da habe es zwei historische Entwicklungsstränge gegeben. Man habe im 19. Jahrhundert den Menschen die nationale Identität förmlich aufgezwungen. Österreich habe damals zum deutschen Militärbund gehört, jedoch habe Österreich zu dieser Zeit auch sehr viele fremdsprachige Territorien enthalten. Eine Nationalität war daher schwierig zu kreieren, so war etwa die Hymne auf den Kaiser gerichtet. Dies blieb bis nach dem Ersten Weltkrieg so.

Deutschland sei noch bis 1870 in kleine Nationen zersplittert gewesen. Allerdings habe es in dieser Zeit das starke Bewusstsein gegeben, das man zusammensein möchte. Auch der deutschsprachige Teil Österreichs habe sich damals als Deutsche gefühlt. Es war also eine emotional zerrissene Situation. Gleichzeitig seien im alten Österreich auch andere Nationalismen entstanden, etwa die südslawischen oder die ungarischen. Der stärkste Katalysator solcher Entwicklungen sei die Sprache gewesen: Ein Tscheche wollte auch in Wien noch tschechisch reden. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg wollte sich fast das ganze verbliebene Österreich, bis auf radikale Randgruppen, Deutschland anschließen.

Das heutige Nationalverständnis sei während der Jahre Hitlers entstanden, als man sich von Nazideutschland als das „bessere deutsche Land“ abzugrenzen versuchte. Nach 1945 flachte der Deutschnationalismus Schritt für Schritt ab. Auch bei der FPÖ sei er völlig verschwunden, auch wenn dies bis in die 90er-Jahre hinein dauerte. Österreich habe in siebzig Jahren auch keine Bewährungsprobe durchmachen müssen. Mittlerweile sei das Nationalbewusstsein wohl gefestigt genug, um Krisen zu überstehen.

Nationales Denken sei grundsätzliches nichts Negatives; dies werde es erst, wenn es anderen Nationen nicht die Rechte zugesteht, die man sich für sich beansprucht, wenn etwa die Ländergrenzen nicht anerkannt würden und man versuche, Territorien zu annektieren. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die in den betroffenen Gebieten leben, sei die gerechteste Form einer Problemlösung. Die Schweiz sei ein gutes Vorbild hinsichtlich der Integration verschiedener Kulturen.

Der Heimatbegriff aber würde teilweise eine Renaissance erleben, etwa wenn die ehemalige SPÖ-Landeshauptfrau von Salzburg, Gabriele Burgstaller, im Dirndl auftrat, oder in der Art, wie Van der Bellen im Wahlkampf den Heimatbegriff verwendete. Hier endete der Vortrag, und es wurde eine Fragerunde eingeleitet.

Credits

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Heimat Heimat Kreuzschnabel CC BY-SA 3.0