Wie bedroht ist die Pressefreiheit in Europa?

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Politik

Veranstaltungsdaten

Datum
4. 5. 2018
Veranstalter
Primavera Festival für Menschenrechte
Ort
Haus der Europäischen Union, Wien
Veranstaltungsart
Podiumsdiskussion
Teilnehmer
Eugen Freund, SPÖ-Europapolitiker und ehem. ORF-Journalist
Muna Duzdar, Rechtsanwältin und Politikerin (SPÖ)
Ewa Dziedzic, Politikerin und Bundesratsmitglied (Die Grünen)

Aus Anlass des Internationalen Tags der Pressefreiheit fand am 4. Mai 2018 im Rahmen des „Primavera Festivals für Menschenrechte“ eine Podiumsdiskussion zum Thema Pressefreiheit statt. Unter dem Titel „Presse- und Meinungsfreiheit in Europa – Quo vadis?“ wurde dabei über aktuelle Bedrohungen für die Presse- und Meinungsfreiheit insbesondere in Europa gesprochen.

Der SPÖ-Politiker und ehemalige ORF-Journalist Eugen Freund, der auch als Moderator auftrat, betonte in seiner Einleitung, dass „die Pressefreiheit ein essenzieller Teil der Menschenrechte“ sei. Journalisten würden sich teilweise erheblichen Gefahren aussetzen; entweder ganz direkt als Kriegsreporter, oder weil sie „den Mächtigen im Weg“ seien. Beispiele für Letzteres würden sich durchaus auch in Europa finden lassen, wie etwa die Morde an Daphne Caruana Galizia auf Malta im Oktober 20171 oder an Jan Kuciak in der Slowakei im Februar 20182. Weitere Gefahren für die Pressefreiheit seien die gesteuerte Kommunikation, wie sie auch durch die aktuelle österreichische Regierung ausgeübt würde, die Angriffe insbesondere aus FPÖ-Kreisen gegenüber dem ORF, aber auch tendenziöse Berichterstattung durch Medien, wie etwa zum Thema Kriminalität.

Die Rechtsanwältin und Politikerin Muna Duzdar erwähnte in ihrem Eröffnungsstatement die Kampagne gegen Hassrede des Europarats 3. „Journalisten haben den Eindruck, dass sie in der öffentlichen Meinung sehr oft persönlich angegriffen werden“, so Duzdar. „Journalisten werden bei uns nicht eingesperrt, stattdessen diskreditiert man ihre Glaubwürdigkeit durch Fake News-Vorwürfe. Das ist eine beruhigende Entwicklung.“ Die Presse- und Meinungsfreiheit werde dadurch zunehmend eingeschränkt und müsse auch bei uns „mit allen Mitteln“ verteidigt werden. Auch der ORF müsse geschützt werden, damit es nicht irgendwann nur noch private Medien gibt: „Die gezielten Angriffe auf den ORF sind ein Vorgeschmack auf das, was wir zu erwarten haben“, so Duzdar, die die Diskreditierungs- und politischen Umfärbungsversuche als „Angriff auf die Pressefreiheit“ bezeichnete.

Die in Polen geborene Grünen-Politikerin Ewa Dziedzic wies darauf hin, dass autoritäre Regime wie etwa in Ägypten schon lange dafür bekannt seien, Journalisten einzusperren. Es gebe aber auch die weniger drastische „gelenkte Pressefreiheit“, die heute in einigen osteuropäischen Ländern üblich sei, etwa in Ungarn und Polen. „Ich möchte das aber ein bisschen relativieren“, so Dziedzic, „weil es wirkliche Pressefreiheit in diesen Ländern noch nie gegeben hat. Nach 1989 haben wir alle gehofft, das wird jetzt besser, die autoritären Zustände haben sich aber schnell wieder eingestellt.“ In Ungarn und Polen hätten die jetzigen Regierungsparteien ihre Machtübernahme lange vorbereitet, unter anderem durch Einflussnahme auf die Presse. In diesen Ländern seien kritische Medien auch wirtschaftlich ausgehungert worden durch die Verweigerung von Inseratevergaben durch die Regierung. Die Sozialen Medien könnten in solchen Fällen aber dazu beitragen, dass die Pressefreiheit erhalten bleibt, weil sie eine direkte Kommunikation ermöglichen. „Es ist übrigens nicht grundsätzlich so, dass rechte Parteien die Pressefreiheit offen ablehnen“, so Dziedzic; tatsächlich würden sich viele rechte Regierungen ausdrücklich auf die Pressefreiheit berufen. „Nur meinen die dabei andere Medien und nennen andere Bedrohungen als wir.“

Eugen Freund betonte, dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten der EU sei, ein sicheres Umfeld für Journalisten zu schaffen:

Ich finde es fast ein bisschen traurig, dass wir das festhalten müssen, weil es nicht mehr selbstverständlich ist. Auch in EU-Staaten finden Dinge statt, die wir nicht gutheißen können.

Er erinnerte an einen Vorfall, der sich in Zusammenhang mit seiner Kandidatur bei der Europawahl 2014 ereignet hatte: In der Kronen Zeitung tauchte der Vorwurf auf, er sei 1978 als Spion für Jugoslawien aktiv gewesen4. „Alle Medien haben das wiederholt. Dass das alles erstunken und erlogen war, hat sich dann später in einem Dreizeiler gefunden.“ In diesem Fall seien die Medien in Österreich nicht gleichgeschaltet worden – „sie haben sich selbst gleichgeschaltet.“

Auf ein anderes Problem wies Ewa Dziedzic hin: Journalisten übernehmen Pressemeldungen der Regierung, ohne groß nachzurecherchieren, weil sie schlicht keine Zeit dafür mehr haben. „Es tangiert niemanden mehr wirklich, wie sehr die Pressefreiheit auch bei uns gefährdet ist.“

Muna Duzdar erinnerte an die Macht der Social-Media-Konzerne wie etwa Facebook, die mit ihren Algorithmen bestimmen würden, was die Menschen lesen. „Das ist eigentlich total undemokratisch.“ In Bezug auf die kürzlich bekannt gewordenen Änderungen des Facebook-Algorithmus meinte sie:

Wir sehen gerade jetzt, dass die Sozialen Medien auch sehr schnell Einschränkungen vornehmen können. Facebook hat dadurch sehr viel Macht und kann diese nutzen, um die zu bevorzugen, die bezahlen können.

Auch Ewa Dziedzic wies auf die wirtschaftliche Problematik hin: „Auch traditionelle Printmedien finanzieren sich über Inserate und richten ihre Arbeit danach aus.“ Heute hänge es oft vom Anzeigenbudget ab, wieviel Raum eine Partei in einem Medium bekomme. Über Soziale Medien dagegen könne jeder die eigene Meinung kundtun, ohne über ein Budget zu verfügen.

Freund wies darauf hin, dass Zeitungen früher eine hohe Glaubwürdigkeit hatten, „weil alles, was in der Zeitung stand, geglaubt wurde.“ Auch Verschwörungstheorien würden glaubwürdiger, wenn sie gedruckt werden.

In den USA ist die Bildung von Meinungsblasen noch viel stärker als bei uns, weil einige nur Fox News konsumieren und andere nur CNN, und diese Fraktionen einfach nicht mehr miteinander reden.

Duzdar wies darauf hin, dass es die gezielte Verbreitung von Fake News schon immer gegeben habe. „Aber nun haben wir das neue Phänomen, das das gezielt von Parteien organisiert wird, und das ist brandgefährlich.“ Auch die Geschwindigkeit, mit der Fake News verbreitet werden, sei sehr gefährlich, eine spätere Richtigstellung sei dann kaum mehr möglich. „Ganze Staaten haben das als neue politische Waffe entdeckt.“ Die Sozialen Netzwerke würden rechte Parteien stärker als linke begünstigen, weil sie „Wutmaschinen“ seien: Die Netzwerke würden negative Emotionen begünstigen und sich daher besonders für einen Missbrauch durch rechte Parteien eigen.  „Das ist etwas, was die Demokratie massiv gefährden kann!“

Insgesamt wurden in dieser Diskussion, die sich ausschließlich auf Europa bezog, eine ganze Reihe möglicher Gefahren für die Pressefreiheit genannt: Von der Ermordung unbequemer Journalisten bis hin zu subtileren Gefahren wie der Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit und der Lenkung des Informationsflusses durch die Algorithmen der Social Media-Konzerne.

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1 https://diepresse.com/home/kultur/medien/5305106/Maltesische-Journalistin-mit-Plastiksprengstoff-getoetet

2 https://diepresse.com/home/ausland/welt/5379090/Internationales-Entsetzen-ueber-Journalistenmord-in-Slowakei

3 http://www.europewatchdog.info/instrumente/kampagnen/no-hate-speech/

4 https://diepresse.com/home/politik/euwahl/3804455/Eugen-Freund_Fragwuerdige-Spionagevorwuerfe

Credits

Image Title Autor License
00_VA_Wie bedroht ist die Pressefreiheit in Europa? 00_VA_Wie bedroht ist die Pressefreiheit in Europa? Martin Krake CC BY-SA 4.0