Wie die sozialen medien (wieder) sozial werden – Anne Kristin Langner

Gesellschaft

In ihrem Vortrag behandelt Univ.-Prof. Dr. Anne Kristin Langner die Entwicklung sozialer Medien, deren Regeln und Beschaffenheiten, die Notwendigkeit, den Begriff „sozial“ wieder zu integrieren sowie einen Ausblick in eine gelungene Zukunft von sozialen Netzwerken.

Zu Beginn versucht sie eine Definition des Begriffs, ausgehend von der ursprünglichen Bedeutung von „sozial“ als gesellschaftlich, gemeinschaftlich; sie kommt zum Schluss, dass die sozialen Medien tatsächlich kein virtuelles Abbild von realen Beziehungen darstellen. Auch fehle die Möglichkeit, sich in andere hineinzuversetzen und einen Perspektivwechsel vorzunehmen.

Am Beispiel der Influencer stellt sie fest, dass die dieser Art von Menschen eigene „Aufmerksamkeitsökonomie“ keinerlei gleichwertige Beziehung und Kommunikation ermöglicht, sondern vielmehr eine Einbahnstraße Richtung Follower darstellt. Daher brauche es uns und nicht „die stilisierten Individuen“.

Im Weiteren geht sie auf die Geschichte des Internets ein, das einen Paradigmenwechsel vom Broadcasting als Top-Downsystem mit einem Sender und vielen Empfängern – wie etwa Radio oder TV – zu einer nicht hierarchischen Netzwerkstruktur mit verschiedenen Knotenpunkten schaffen wollte. Es sollte im Sinne des „Erfinders“ des WWW und des HTML Tim Berners-Lee unseren Alltag bereichern, tatsächlich aber wird es nur vordergründig spielerisch genutzt, erzeugt jede Menge Stress und strukturiert mittlerweile unseren Alltag. Sie zitiert Berners-Lee – „We should work toward a universal linked information system, in which generality and portability are more important than fancy graphics techniques and complex extra facilities. The aim would be to allow a place to be found for any information or reference which one felt was important, and a way of finding it afterwards“ – und stellt fest, dass wir uns von dieser Grundidee mittlerweile trotz der Vereinfachung des Zugangs durch das Web 2.0 wieder weit entfernt haben.

Menschen nutzten die sozialen Netzwerke, um soziales Kapital zu erhalten, sich also im Sinne Pierre Bourdieus mit Menschen zu verbinden, die gleiche Interessen haben, ihre Kontakte auszuweiten, und sich auch mit Menschen aus anderen Erdteilen zu verbinden.

Das ursprünglich auf Basis des „gatewatchings“ konstituierte Web 2.0, in dem es verschiedene Knotenpunkte gibt, in dem verschiedene Menschen verschiedene Informationen miteinander teilen und die Community darüber entscheidet, was relevant ist, ist nach und nach einem System des gatekeepings gewichen, in dem Einzelne entscheiden, was relevant ist, Informationen also vorgefiltert werden. Als klassisches Beispiel für diesen Prozess bringt sie das Beispiel der Entwicklung von Youtube.

Im nächsten Abschnitt ihrer Ausführungen geht Langner auf aktuelle gesetzliche Regelungen ein, wie etwa die DSGVO, das Netzwerkdurchdringungsgesetz, die Überwachungsgesetze zum Einsatz von Staatstrojanern und den im März 2018 verabschiedeten US-Cloud-Act, der in der Lage ist die DSGVO völlig auszuhebeln, weil er US-amerikanischen Konzernen wie Facebook, Amazon, Google & Co einen grundsätzlichen Datenzugriff ohne Rücksicht auf andere innerstaatliche gesetzliche Regelungen ermöglicht. Wichtig sei es, dass wir uns des Daten-Blackboxings bewusst seien und darum wissen, dass die Kombination aus sozialen Netzwerken, so wie sie heute beschaffen sind, aus dem gatekeeping und aus dem fragwürdigen, intransparenten Umgang mit Daten zu unsozialen Netzwerken führen. Ein krasses Beispiel sei das Social-Credit-System Chinas, das auf Basis von Gamification viel Unheil stifte. Gamification, die Übertragung von spielerischen Elementen in nicht-spielerische Kontexte, widerspreche zudem den klassischen Spieltheorien.

Es gelte daher, so Langner mit einem Ausblick in die Zukunft, sich im Sinne von Pierre Lévy und seiner 4-Räume-Theorie den Raum des Wissens, der alle anderen Räume durchdringt, wieder anzueignen und im Sinne der kollektiven Intelligenz und der Teilhabe, Menschen zum eigenen Handeln zu motivieren. Um tatsächlich soziale Netzwerke zu kreieren sei es wichtig, die DSGVO und den ihr innewohnenden Schutz der Privatsphäre voll auszunutzen, eine participatory culture zu etablieren und die Sache mit Spiel und Leichtigkeit anzugehen.

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Anne-Kristin Langner – Vortrag Wolfgang Müller CC BY SA 4.0