Wieder unterwegs

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Lebenswelten

‚Gesegneter Herr, wir danken dir dafür, dass du diese verlorene Seele zu uns geführt und unseren Händen seine Errettung anvertraut hast …‘ Es war die Stimme meiner Reisebegleiterin, tränenerfüllt in hysterischer Erregung. Von wem sprachen sie nur??

Oh verdammt, war damit etwa ich gemeint? Ich geriet sofort in Panik, und als ich jemanden zur Tür kommen sah, drehte ich mich auf meinen Absätzen um und rannte. Um die Ecke krachte ich in ein schweres Bronzeschild, las ‚Happy Hour‘ und rempelte durch die Pendeltüren in die Bar.

Dort versteckte ich mich in der entferntesten Ecke hinter einem voluminösen Kerl, der mit Unmengen an goldenem Schmuck behängt und von einer heftig geschminkten Begleitung mit High Heels umgeben war. Sie fragten mich, in welchem offensichtlich ernsthaften Problem ich stecke, und ich erzählte ihnen alles. ‚Willkommen in Amerika‘, sagte er und bestellte mir einen doppelten Whiskey.

(Aus: Meine ersten Begegnungen in New Mexico)

 

Nachdem ich mich genug betrunken hatte, um mich aus der Bar zu trauen (die Christen hatten kurz reingeschaut, das Teufelsloch aber nicht betreten), begleiteten mich meine neuen Amigos noch bis zu meinem Zimmer und verabschiedeten sich dort mit einer Umarmung.

Gegen drei Uhr nachts hämmerte die Hallelujah-Lady an meine Tür, weinend und um Vergebung bittend. Noch immer sehr unter dem Einfluss des Erlebten öffnete ich und sah aufgewühlt zu, wie sie auf ihre Knie fiel und stotterte, dass dies vielleicht nicht der richtige Weg gewesen sei, mich dem Herrn nahe zu bringen. Ich vergab ihr und ging wieder schlafen. Am nächsten Tag fuhren wir gemeinsam zurück nach Süden, in absolutem Schweigen.

Ich wollte einfach nur raus aus alldem, zum Flughafen und zurück über den Atlantik. Doch als wir Santa Fe durchquerten, erspähte ich an der Kreuzung der St. Francis Road mit der Cerillos Road eine vertraute Gestalt, die am Straßenrand auf ihrem Rucksack saß. Amita. Ich bat die Lady anzuhalten, griff meine Sachen und sprang aus ihrem Auto.

Amita schien nicht sonderlich überrascht und erzählte mir aufgeregt, dass sie ein paar Japaner getroffen habe. Sie wollten über Las Vegas nach Kalifornien, durch die Hopi– und Navajo-Reservate, durch Mesa Verde, die Canyon Lands in Utah … Sie hatten dafür ein Auto gemietet, nun fühlten sie sich aber unsicher beim Fahren. Ich könnte ja ihr Chauffeur sein! Obwohl ich das alles nicht so wirklich verstanden hatte, erklärte ich mich sofort einverstanden, weil es ein schneller Ausweg zu sein schien.

Wie sich herausstellte, hatten die drei Jungs einen türkisfarbenen Ford Thunderbird aus den frühen Neunzigern gemietet – und danach erst bemerkt, dass sie zu klein waren, um dieses Auto zu fahren, ohne sich auf Bücher oder Kissen zu setzen. Obwohl sie nicht ganz glücklich damit waren, stimmten sie Amitas Plan zu, und so fand ich mich hinter dem Steuer dieses Straßenkreuzers wieder.

Während wir Santa Fe verließen, versuchte ich sie davon zu überzeugen, eine direktere Strecke nach Las Vegas zu nehmen, da ich keinerlei Verlangen danach spürte, nochmal ein Indianerreservat zu besuchen. Sie lehnten meinen Vorschlag jedoch mit Entschiedenheit ab. Eine Kassette steckte im Autoradio, ich schaltete es ein. Es war der Soundtrack von „Pulp Fiction“, und so lenkte ich den Thunderbird zur Melodie von „Pumpkin and Honey Bunny“ Richtung Nordwesten zum Land der Mesas, zuckte mit den Schultern und sagte zu Amita: „Scheiß drauf, fahren wir halt zu den Hopis!“

NativeNow! in den Flitterwochen – ein Online-Tagebuch

Freunde und Reisekumpanen auf diesem Trip durch das Leben: Wir – Tom und Sascha – haben uns entschlossen, dass es Zeit ist, die österreichische Heimat zu verlassen und sich auf den Weg zu machen.

Wir hatten gehört, dass unsere entfernte Verwandtschaft im Navajo-Reservat unsere Anwesenheit erwarte. Also werden wir den großen Silbervogel satteln und uns in die Gegend der Four Corners begeben, wo Arizona, New Mexico, Colorado und Utah mit ihren vier Ecken aufeinander treffen, um zu sehen, ob die Wüstenstürme ein paar der Hogans stehengelassen haben, und uns bei den Schafen und Klapperschlangen zu entspannen.

Außerdem sind wir zu einer traditionellen Hochzeit eingeladen, und wir planen, unseren Freunden da drüben eine ganz persönlich, typisch hausgemachte NativeNow!-Überraschung zu präsentieren. Da wir den ganzen Ort durchstreifen wollen, werden wir auch die Kamera bereithalten, um euch ein paar Fotos mitzubringen.

Für die, die uns vermissen werden, während wir mit den Diné rumhängen – oder für die, die einfach neugierig sind, wie die Realität in einem Reservat aussieht -, haben wir dieses Tagebuch angefangen. Wann immer wir die Chance dazu haben, werden wir die Hand ausstrecken und euch in die Atmosphäre dieses NativeNow!-Trips einladen.

Wir bauen eine Brücke zwischen unserem und eurem Zuhause und unseren Familien. Wenn Mitglieder von NativeNow! Informationen weitergeben (durch diese Internetseite oder auf irgendeine andere Art), dann bestätigen wir, dass diese immer aus erster Hand kommen und mit den Betroffenen abgesprochen sind. Wir reisen mit Neugierde und Respekt – kommt mit uns!

Tag 1, 3.6.2002:

Wir sind jetzt seit vierundzwanzig Stunden in Bewegung, und langsam macht sich die Belastung bemerkbar. Aber soweit ist die Reise gut gelaufen. Keine Probleme bei den Einreisebehörden oder beim Zoll, und das Fahrzeug, das wir gemietet haben, hat sogar einen CD-Player!

Nun sitze ich auf dem Bett eines Motels in Flagstaff neben der Bahnlinie, die parallel zur Route 66 verläuft, und kann nicht anders als mich etwas schockiert zu fühlen, wie klein die Welt geworden zu sein scheint. Wien-Flagstaff an einem Tag, und ich frage mich, ob meine Seele nicht irgendwo jenseits des Atlantiks hängengeblieben ist.

Die Nachos und Chicken Wings, die wir zu Mittag gegessen haben, beschäftigen meine Eingeweide. So werde ich mich also in die Federn hauen und hoffen, dass ich nicht explodiere, während ich schlafe! Am frühen Morgen wollen wir uns nordwärts zum Reservat bewegen. Selbst hier ist es schon verflucht heiß und staubtrocken. Betet für Regen. Gute Nacht, Sasch macht sich auf ins Traumland.

Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake

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