Bernhard Heinzlmaier: Die perverse Lust am Ausnahmezustand

Politik

Die überwiegende Mehrheit der Österreicher will nur noch Ruhe vor dieser Regierung haben, so der Eindruck des eXXpress-Kolumnisten Bernhard Heinzlmaier, der in der heutigen Ausgabe seiner Kolumne über Impfmotive und traurige Zeiten für freie Meinung, Gemeinschaft, Zusammenhalt und Solidarität schreibt.

Die überwiegende Mehrheit der Österreicher will nur noch Ruhe vor dieser Regierung haben. So ist jedenfalls mein Eindruck, wenn ich mit Menschen über ihre Impfmotive spreche. Viele würden sich mittlerweile alles in den Körper hineinjagen lassen, nur um vom Staat unbehelligt zu bleiben. Bei mir ist es übrigens auch so. Ich lasse mir jede geforderte Substanz reinhauen, nur damit ich nicht in die Fänge von Herrn Schallenberg und Konsorten gerate, die im Stile des feudalen Herrenreiters damit drohen, mir „die Zügel anzuziehen“. Gemeinschaft, Zusammenhalt, Solidarität – alles zerstört von einer widerlichen Debattenkultur, in der alle als Nazis oder Idioten abgefertigt werden, die einen kritischen Gedanken zur herrschenden Impfpolitik formulieren oder nicht gleich springen, wenn der Herr Mückstein einmal pfeift.

Die politische Elite unserer Tage ist gleichermaßen unverschämt und herrisch, wie sie ungebildet und inkompetent ist. Das politische Personal ist offensichtlich Ergebnis einer Negativauslese. Bestes Beispiel dafür: der Gesundheitsminister. Er rennt, wie einst Joschka Fischer, mit weißen Sneakers durch die Gegend, fährt rauchend am Fahrrad durch Wien, springt durch jeden Reifen, den ihm die ÖVP vorhält und flüchtet am Ende des Tages vor Journalistenfragen. Ganz offensichtlich versucht sich der Allgemeinmediziner als Revival von Joschka Fischer, der durch sein legeres Outfit den deutschen Parlamentarismus erschütterte. Aber wer 30 Jahre nach Fischer, in einer Zeit, in der man den Songcontest gewinnen kann, wenn man sich als Mann mit durchschnittlicher Gesangsbegabung ein Kleid anzieht und einen falschen Bart aufklebt, mit diesem alten Provo-Schmäh Menschen glaubt beeindrucken zu können, der wird nicht als Nonkonformist, sondern als lächerliche Figur in die Geschichte eingehen.

Der wiedergeborene politische Autoritarismus gebiert ein gar merkwürdiges Figurenkabinett

Überhaupt scheint die Renaissance des politischen Autoritarismus eine Fülle von merkwürdigen Figuren aufgeweckt zu haben, die allesamt aus Grotesken wie den Physikern von Dürrenmatt stammen könnten, wo sich ja auch am Ende die Irren als die Gesunden herausstellen und die einzig wirklich Verrückte die Ärztin ist. Aber der autoritäre Charakter schlüpft nicht nur unter Medizinern ins Narrenkleid. Auch die Priesterschaft beteiligt sich am Wettbewerb um die Krone des größten Ignoranten, und zwar in der Person des Dompfarrers von St. Stephan zu Wien. Dieser hat kein Mitleid mit Ungeimpften und findet es würdig und recht, wenn diese ausgegrenzt werden. Wenn man sich seit Jahren ausschließlich in der Wiener Schickeria bewegt, nur mehr am Tisch der Reichen und Privilegierten sitzt und völlert, dann ist es nur folgerichtig, wenn einem die apostolische Armutsbewegung des heiligen Franziskus, der selbst Leprakranke umarmte, aus dem Bewusstsein fällt. Der italienische Philosoph Giorgio Agamben würde übrigens sagen, dass der Fall des Dompfarrers von St. Stephan kein Einzelfall ist, sondern nichts anderes als eine allegorische Repräsentation eines strukturellen Defizits der katholischen Kirche insgesamt, die ihre Morallehre immer dann vergisst, wenn sie sich durch Akkommodation an die säkularen Mächte Vorteile verschaffen kann. Die Kirche und ihr Dompfarrer sollten sich hinter die Ohren schreiben, dass für einen Christen auf den Nächsten zu verzichten bedeutet, auf den Glauben zu verzichten. Aber von diesem dürfte beim Mode-Geistlichen ohnehin nur mehr ein schwacher Schatten vorhanden sein.

Wenn wir schon bei Agamben sind, dieser spricht davon, dass gegenwärtig die Medizin und ihre Vertreter sakralisiert werden und sich zur Verwirklichung der religiösen Bedürfnisse nach dem Niedergang des Christentums nun die medizinische Wissenschaft den Menschen in Form einer Art Gesundheitsreligion anbietet. Und genauso wie früher der Priester, so sind heute Ärzte und Virologen Absender einer transzendenten Wahrheit, die keinen Widerspruch duldet. Wer sich der Wahrheit der Gesundheitsreligion nicht unterwirft, der wird gegrillt, nicht wie früher am Scheiterhaufen, sondern in den Foren des digitalen Kapitals oder den Folterkammern einer weitgehend gleichgeschalteten Medien-Szene. Eine österreichische Journalistin, die offensichtlich völlig dem biopolitischen Despotismus verfallen ist und diesem huldigt, wo sie nur kann, zeigte sich dann auch in einem Tweet geradezu euphorisiert vom Umstand, dass in allen Medien des Landes einmütig Lockdown und Impfpflicht propagiert und kritische Meinungen ausgegrenzt werden. So viel zur demokratischen Gesinnung der intellektuellen Crème de la Crème der Publizistik.

Alles, was „heilig“ ist

Heilig ist auch die Justiz. Wer sie kritisiert, dem werden vom Bundespräsidenten persönlich die Leviten gelesen. Gleichzeitig zeigen sich aber immer häufiger Beispiele von parteilichen Haltungen im Justizapparat. So hängt ein Staatsanwalt in einer Behörde, die gerade gegen den ehemaligen Bundeskanzler ermittelt, eine Karikatur aus, die diesen als Pinocchio mit einer langen Lügennase zeigt. Zum Thema politische Justiz kann ich ein persönliches Beispiel beitragen. Vor langer Zeit habe ich in einer Debatte einen rechtsstehenden Aktivisten als „braun“ bezeichnet. Es kam zu einer Verhandlung. Vor der Verhandlung sagte mir mein Anwalt, ich hätte nichts zu befürchten, der Richter sei ein Grüner. Entsprechend wurde der Kläger dann tatsächlich niedergebügelt.

Aber auch den Heiligen, wir haben es beim Dompfarrer zu St. Stephan gesehen, entkommt oft ein unheiliges Wort. Und so trat in die Fußstapfen des Pfarrers ein Jurist, der Verfassungsrechtler Heinz Maier, und forderte die Zwangsisolierung von Ungeimpften. Kalt läuft es einem über den Rücken, wenn man hört, wie locker dem Juristen die Begriffe Zwang und Isolierung über die Lippen gehen. Wenn Sprache Wirklichkeit schafft, wie es die Pomo-Linken meinen, dann ist hier bewusst oder unbewusst einer am Werk, der an der Renaissance des autoritären Sicherheitsstaates arbeitet.

Das Schlimmste ist…die Lust am Ausnahmezustand

Das Schlimmste aber an den wenig empathischen Debatten über Impfzwang, Isolation und Lockdown ist, mit welcher Lust am Ausnahmezustand und der Unterdrückung, Entrechtung und Ausgrenzung von Menschen vor allem süßlich moralisierende Prediger einer inklusiven Gesellschaft zu Werke gehen. Hier agiert der autoritäre Charakter, der in eine sadomasochistische Ekstase gerät, wenn er selbst unterdrückt wird und er gleichzeitig andere unterdrücken und demütigen darf. So manchem Beteiligten an dieser Debatte sollte man einen Gutschein für einen Psychiater ihrer Wahl kostenfrei zur Verfügung stellen.

PS.: Im Mai 2020 galt der Impfstoff Astra Zeneca als völlig unbedenklich für schwangere und stillende Frauen. Heute, ein halbes Jahr später, wird von der Anwendung des Impfstoffes abgeraten. Das Risiko für Kleinkinder kann nicht ausgeschlossen werden.

Die Erstveröffentlichung dieser Kolumne erfolgte hier.

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Blog – Die perverse Lust am Ausnahmezustand-YOUTUBE Wolfgang Müller CC BY SA 4.0