Black Code

Black Code Diskussionsteilnehmer
Gesellschaft

Nach der Ausstrahlung des Films Black Code im Wiener TOP Kino Center nahmen Ceren Uysal und Christof Tschohl dazu Stellung:

Die Mitarbeiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte Dr. Ceren Uysal erinnert sich an den 21. Mai 2013 und die Ereignisse im Gezi-Park, als dreißig oder vierzig junge Menschen damit begannen, sich gegen den Umbau des Parks in ein Shoppingcenter zu äußern:

Zu Beginn sei das Thema angesichts anderer, weitaus schwerwiegenderer Menschenrechtsverletzungen, mit denen Uysal zu tun hätte, nicht im Fokus gewesen. Am 31. Mai jedoch sei sie darüber informiert worden, dass die Polizei die Zelte der DemonstrantInnen im Park angezündet und den Park gewaltsam geräumt hätte. Rasch habe sich die Nachricht diese inadäquate From von Brutalität seitens der Polizei über die Sozialen Medien verbreitet. Aus 40 seien rasch 200 geworden, die Polizei habe wieder zugeschlagen; wenig später hätten 2.000 Menschen an einer Demonstration teilgenommen und das Geschehen über die sozialen Netzwerke verbreitet.

Die Zahl der Protestanten sei explosivartig in die Höhe geschnellt. Schlussendlich habe sich die Zahl auf etwa 100.000 Menschen belaufen. Im staatlich kontrollierten Fernsehen sei über Demonstrationen nicht berichtet worden – stattdessen habe man Tierdokumentarfilme gezeigt. Twitter hätten vor Beginn der Gezi-Park-Krise etwa zwei Millionen Türken genutzt – nach fünfzehn Tagen habe man von zehn Millionen Nutzern gesprochen.

Als mehrere Millionen Menschen auf den Straßen protestierten, hätten die kontrollierten Medien darüber berichtet, dass Demonstranten die Polizei mit Molotow-Cocktails angegriffen hätten – zeitgleich habe CNN die Sache genau umgekehrt geschildert: Die Polizei sei mit enormer Brutalität gegen die Menschen vorgegangen.

Uysals Telefonnummer sei durch Tweets in Umlauf geraten, und plötzlich habe man sie rund um die Uhr angerufen, um Menschen bei ihrem Verfahren zu helfen. Nach zwei Tagen sei sie – gemeinsam mit ihren Kollegen – vollkommen überfordert gewesen und habe sich an den Anwaltsverband gewandt, in dem sie alle Mitglieder wären. Der Anwaltsverband jedoch hätte große Angst vor Verhaftungen, wenn sie den progressiven Anwälten rund um Uysal Beistand geben würden. Also hätten sie die Zentrale des Anwaltsverbandes kurzerhand besetzt – auf friedlichem Wege. Insgesamt seien es 6.000 Anwälte gewesen, die zusammenarbeiteten, und mehr als 2.000 Demonstranten seien auf diesem Weg juristisch unterstützt worden.

Auf die Gefahren durch die Sozialen Medien geht Christof Tschohl von epicenter.works näher ein: Das Internet selbst habe als Militärprojekt gestartet, das Kommunikation ermögliche, die auf Redundanz und Hierarchielosigkeit aufbaue und somit unangreifbar sei. Zum Glück hätten insbesondere Universitäten dieses Tool verwendet, und so habe es sich relativ dezentral entwickelt und uns viele Formen der (auch anonymen) Kommunikation ermöglicht. Mit dem Wachstum habe sich das Internet kommerzialisiert, was positive wie negative Auswirkungen nach sich gezogen habe.

Die Enthüllungen von Edward Snowden würden ihn als Fachmann wenig verblüffen, wohingegen Tschohl aber die riesigen Beträge irritiert hätten, mit denen Geheimdienste für die Überwachung des Internets ausgestattet worden seien. Der Großteil dieses Geldes sei privaten Unternehmen zugeflossen, die den staatlichen Stellen zu hohen Gewinnen verholfen hätten. Tschohl stimmt der Aussage des Films zu, dass die herrschende Elite Angst davor habe, durch die schwer kontrollierbaren Möglichkeiten des Internet die Kontrolle zu verlieren und deshalb diese Massenüberwachungstools einsetze. Ebendiese Möglichkeiten seien andererseits der Vorteil der Sozialen Medien – wie man bei den Ausführungen von Dr. Uysal sehen könne.

Den Telekomgesellschaften sei es viel zu wichtig, Gewinne zu erwirtschaften – dafür würden sie auch Menschen- und Datenschutzrechte opfern, wie es Tschohl bei einem Besuch in der Türkei selbst miterlebt habe. Solange diese Rechte keine wirtschaftlichen Vorteile hervorrufen würden, würden sie nicht berücksichtigt. In Zukunft werde es wichtig sein, dass sich alle Menschen dieser Rechte wieder bewusst würden und sie auch verteidigen, wie es einst im Zeitalter der Aufklärung, das die Basis der Entwicklung der Menschenrechte sei, passiert sei. Denn Staat und Unternehmen würden die Kontrollen und Einschränkungen der Freiheiten von sich aus nicht reduzieren, wie man in den USA und Frankreich sehen könne:

(Englisch Originalsprache)

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Black Code Diskussionsteilnehmer Black Code Diskussionsteilnehmer Idealism Prevails CC BY-SA 4.0
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