Brexit: Was kommt da auf uns zu? – Teil 1

Brexit: Was kommt da auf uns zu? - Teil 1
Politik

Veranstaltungsdaten

Datum
5. 4. 2017
Veranstalter
Renner-Institut
Ort
Karl-Renner-Institut, Bruno-Kreisky-Saal
Veranstaltungsart
Vortrag
Teilnehmer
Wolfgang Greif, Gewerkschaft der Privatangestellten
Simon Dubbins, Gewerkschaft UNITE, Direktor für Internationales und Forschung

Etwa eine Woche vor der Veranstaltung „Brexit: Britische Perspektiven und europäische Herausforderungen“ verkündete Theresa May am 29. März 2017, dass Artikel 50 in Kraft trete und die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU damit zu Ende gehe. Damit begann eine zweijährige Frist.

Einleitung

Zu Beginn möchte Wolfgang Greif inhaltliche politische Beobachtungen zur Diskussion über den Brexit anbringen.

Der Brexit sei Schock und Weckruf, zugleich aber eine Chance.

Ein Schock, vor allem auch für die gesamte Elite in der EU, die nicht daran geglaubt hätte, dass es wirklich dazu kommen würde. Das war sicher nicht das, was man nach den vielen Krisen der letzten Dekade (Euro-Krise, Finanzmarktkrise, Migrationskrise) gebraucht hätte.

Der Brexit verdeutliche, dass Integration auch umkehrbar sei; mit Großbritannien steige eine der größten Volkswirtschaften aus der EU aus. Die Europäische Integration sei von Unsicherheiten und Unstimmigkeiten geprägt, zudem befeuere diese Entscheidung euroskeptische Anhänger, Parteien mit Exit-Gedanken hätten sehr an Zulauf gewonnen.

Diese Entscheidung müsse ein Weckruf sein, denn das Votum der Briten und die Skepsis der EU-Bürger komme ja nicht aus heiterem Himmel. Vielmehr seien dem Jahrzehnte verfehlter Wirtschaftspolitik vorausgegangen und außerdem eine fehlgeleitete Krisenbewältigungspolitik – eine Kombination aus strikter Sparpolitik, Eingriffen ins Sozialsystem und Lohndruck nach unten -, wobei Großbritannien davon sicher noch einmal stärker betroffen gewesen sei als andere Mitgliedstaaten.

Die freien Märkte Europas entpuppten sich für viele zunehmend als Falle für Lohn- und Sozialdumping und böten Steuerschlupflöcher. Es gebe, so Greif, also genug Grundlagen, das europäische Wohlstandsversprechen, das in den Verträgen gegeben wurde, zu hinterfragen, da es nicht bei den Bürgern ankomme und für diese nicht wahrnehmbar sei. Das Vertrauen in die EU sei nachhaltig erschüttert – und die politische Sprengkraft, die darin liege, hätten uns die Briten vorgeführt.

Die Gewerkschaften hätten sich auch in Großbritannien für die EU ausgesprochen, obgleich sie nicht zufrieden seien mit dem derzeitigen Europa. Sie hätten es aber leider nicht geschafft, die nötige Stimmung aufzubauen. Sie müssten nun schauen, dass eben nicht die Arbeitnehmer dafür zahlen müssten.

Zur Chance sagte Greif, dass man auch der Schockstarre entkommen müsse, um den nötigen Kurswechsel voranzubringen und die richtigen Lehren aus dem Brexit zu ziehen. Die Weichen müssten gestellt werden für ein sozialeres Europa.

Wer glaubt, nun sei ‚business as usual‘ möglich, der wird sich noch wundern, dass der Brexit nicht der letzte Exit gewesen sein wird. Wenn wir den Brexit als Chance für einen Wandel nutzen, dann war die ganze Übung auch nicht ganz umsonst.

Wie geht es den Arbeitnehmern in Großbritannien jetzt, da der Brexit ausgelöst wurde?

Zu dieser Frage äußert sich Simon Dubbins, Gewerkschafter sowie Direktor für Internationales und Forschung der britischen Gewerkschaft „Unite“. Er wird die Herausforderungen, vor denen die Gewerkschaften nun stünden, näher erläutern:

Wer hätte wirklich gedacht, dass wir uns heute in so einer Situation befinden würden?

Zur Situation in Großbritannien stellt Dubbins gleich zu Beginn klar, dass Unite ganz klar gegen den Brexit gewesen sei. Die Gewerkschaft sei nicht naiv, man wisse um die vielen Probleme der Europäischen Union, man sei durchaus nicht einverstanden mit der Sparpolitik, die betrieben werde, dass es immer mehr Deregulierung gäbe usw., aber letzlich hätten sie verstanden, dass aus Perspektive der Mitglieder, aus Arbeitnehmersicht, die stark in der Industrie vertreten seien, ein Ausstieg aus dem Binnenmarkt in Hinblick auf Arbeitsplätze vermutlich katastrophal wäre.

In Großbritannien haben wir einen total deregulierten Arbeitsmarkt. Wir sind auf diese europäischen Richtlinien angewiesen, und es ist eine große Gefahr, sie zu verlieren.

Sie hätten eine ziemlich genaue Perspektive auf das gehabt, was geschehen könne, seien aber auch überrascht, wie schnell das alles jetzt passiere.

Auch die Labourpartei sei für einen Verbleib in der Union gewesen; es gab zwar immer die Diskussion, ob Jeremy Corbyn wirklich davon überzeugt gewesen sei, aber zumindest die Partei habe eine Kampagne zum Verbleib gestartet.

Die Arbeitnehmerparteien seien also deutlich mehrheitlich für einen Verbleib gewesen.

Zum Schock äußert Dubbins sich folgendermaßen:

Wir haben vor dem Referendum schon das Gefühl gehabt, das könnte falsch ausgehen, denn obwohl die meisten Menschen, die ich vor dem Referendum fragte, sich für einen Verbleib aussprachen, so schätzten sie dennoch, dass die Mehrheit ihrer Kollegen gegen einen Verbleib stimmen würde.

Die Gewerkschaft habe diesmal sehr wohl gespürt, dass sie auf Widerstand traf.

Kurz vor der Abstimmung wurde die britische Abgeordnete Jo Cox ermordet, und er habe keine Zweifel, dass es sich dabei um einen rechtsradikalen Akt handelte, denn der Täter habe „Britain first!“ („Großbritannien zuerst!„) gerufen. Für zwei, drei Tage habe dies dazu geführt, dass man sich bewusster damit beschäftigte, was ein Brexit alles bedeuten könne und welche Atmosphäre überhaupt während dieser Kampagnen geschürt wurde. Leider habe das nicht gereicht.

Am Tag der Abstimmung stimmten 52 % für den Brexit.

Damit sei das Land in einen Schockzustand verfallen, und mit einem Mal seien alle orientierungslos gewesen, keiner habe mehr gewusst, wie es weitergehen würde. Cameron sei innerhalb von ein paar Tagen weg gewesen und Theresa May an die Macht gekommen innerhalb der Konservativen Partei. Den Versuch, Jeremy Corbyn rauszuschmeißen, sehe Dubbins eindeutig als Fehler:

Wir hätten eigentlich die Aufmerksamkeit ganz genau auf die Regierung richten müssen. Das ist aber nicht passiert, woraufhin die Labourpartei in eine interne Krise kam.

Im zweiten Teil des Artikels geht Simon Dubbins darauf ein, wer für den Brexit stimmte und warum er Großbritannien als gespaltenes Land sieht.

Credits

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Brexit: Was kommt da auf uns zu? - Teil 1 Brexit: Was kommt da auf uns zu? – Teil 1 Jeff Djevdet CC BY 2.0

Diskussion (Ein Kommentar)

  1. […] Hier ist nun der zweite Teil des Artikels zum Brexit. Den ersten Teil findet ihr hier. […]