Der Weisheit letzter Schluss – Die Militarisierung der Gesellschaft

Meinung

Ein kommentierender Wochenrückblick – KW 42/22

  • Was nützt uns eine Waffe im Schrank?

  • Lässt sich die Inflation stoppen?

  • Wird die Politik durch die „Causa Schmid“ endlich wieder sauber?

  • Und: Stromteilen – eine Perspektive mit Zukunft

Der NZZ zufolge gibt es derzeit einen Run auf den Dienst in der schweizerischen Armee. Die Motive sind unterschiedlich, in den letzten Jahren wurde aber das Soldat-Sein auch deswegen attraktiver, weil die Schweizer Regierung dem Militär ein weitaus größeres Budget zur Verfügung stellte. Zuletzt wurden sogar eigene Werbevideos gedreht, die jungen Männern den Dienst mit der Waffe und den Verbleib in der Armee schmackhaft machen sollten.

Dabei bräuchte es das mitunter gar nicht, denn viele dieser jungen Menschen kennen den „Kitzel“ mit einem Gewehr durch die Gegend zu laufen aus Spielen wie Fortnite. Dass das „Echt“ dann doch einen gewissen Unterschied macht und tot eben doch tot ist, steht anfangs nicht zur Debatte.

Auch in Österreich wird das Budget für das Bundesheer in den nächsten Jahren laufend angehoben werden, einen Trend wie in der Schweiz kann man zurzeit aber noch nicht festmachen. Tatsächlich spielt sich bezüglich Bewaffnung aber so manches eher im Privaten ab, der Waffenkauf von Privatpersonen hat in den letzten Jahren massiv zugenommen und auch an die Wand projizierte Szenarien wie Blackout, Energie- oder Nahrungsmittelkrise, bei denen es möglicherweise „sinnvoll“ ist, sich im Ernstfall mit einer Schusswaffe „verteidigen“ zu können, spielen der Waffenlobby massiv in die Hände. So wird in Überlebenstrainings, die derzeit einen Boom erleben, auch die Handhabung dieser Geräte angeboten.

Neben einer wachsenden Zahl von Securitys, die in bestimmten Bereichen auch bewaffnet sind, etablieren sich unter der Hand da und dort Vorstufen von Bürgerwehren. Auch Österreich hat damit schon leidvolle Erfahrung gesammelt – und das liegt noch keine 100 Jahre zurück. Die Folgen waren wie in allen anderen Bürgerkriegsgebieten verheerend.

Ob dieser Entwicklung kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die zunehmende Militarisierung auf staatlicher Ebene durch die Erhöhung der Budgets für die bewaffneten Streitkräfte nun auch auf gesellschaftlicher Ebene niederschlägt. Von den Schweizern weiß man ja, dass sich im Haushalt der wehrfähigen Männer eine entsprechende Waffe befindet, die für militärische Einsätze vorgesehen ist. Aus dem einen oder anderen Land der Welt, wie etwa im sozialdemokratischen „Vorzeigeland“ Schweden – das ja seit kurzem von einer konservativen Minderheitsregierung unter Duldung der rechtspopulistischen Schwedendemokraten beherrscht wird – gelangten in den letzten Jahren Meldungen an die Öffentlichkeit, die von einer Mobilisierung von Bürgerwehren berichten, natürlich nur zum Selbstschutz. Auch werden von den politisch Verantwortlichen mit Unterstützung von Medien zahlreiche Schreckensszenarien an die Wand gemalt, sei es eine todbringende Pandemie, ein drohender nuklearer Weltkrieg oder ein Blackout, bei dem wir uns vor Plünderern und Nachbarmördern schützen müssen. Das geht sogar so weit, dass in den derzeit boomenden so genannten Überlebenstrainings auch der Einsatz von Schusswaffen trainiert wird.

Im Vorfeld wurden und werden Menschen auch in diese Richtung gelenkt, in dem man ihnen die Notwendigkeit von Schutz und Bewachung durch die stetig wachsende Präsenz nicht staatlicher Sicherheitsdienste – sogar in Öffis und im Lebensmittelhandel – andient oder sie mit Online-Spielen wie Fortnite in ihrer Freizeit brainwashed.

Das alles hat Strategie und – wie wir mittlerweile wissen sollten – ist Angst ein probates Mittel, um Menschen unter Kontrolle zu halten und sie dazu zu bringen, alles einem starken Herrscher unterzuordnen, auch die eigene Freiheit und damit mitzuhelfen, die noch bestehenden Grund- und Menschenrechte auszuhebeln. Und mit zunehmender Angst steigt auch die Gewaltbereitschaft – selbstverständlich nur für die eigene Sicherheit.

Eines dieser Angstszenarien ist die Inflation. Die Gazetten und Internetmedien sind aktuell voll von Meldungen zu einem „70-Jahreshoch“ bei der Teuerung und vergleichen die Situation mit dem Jahr 1952, wo sie mit 14,5 % noch höher als heute war. Dabei muss man gar nicht so weit zurück gehen, denn vor rund 50 Jahren und später gab es durchaus vergleichbare Zahlen. Wie sich an diesem Beispiel zeigt, fällt weder Politikern noch Medienmachern in Österreich – abgesehen von der damit verbundenen Panikmache und den daraus resultierenden, sogar in der Wirtschaftswissenschaft anhand von „bank runs“ rezipierten, Folgen in Form einer selbsterfüllenden Prophezeiung – Sinnvolles zur Bewältigung der Inflation bzw. ein konstruktiver Umgang damit ein.

Während vor allem die Länder Südeuropas mit Preisdeckeln bei Energie und Sprit sowie Grundnahrungsmitteln agieren, werden hierzulande die Bürger mit Bonuszahlungen aus der Gießkanne beglückt, was bloß einen Einmaleffekt, jedoch keine nachhaltige Wirkung erzielt. Und der Staat verdient kräftig dabei mit, bedeuten höhere Preise doch auch höhere Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Auf europäischer Ebene wird nach der erst kürzlich erfolgten Erhöhung des Leitzinses bereits über eine neuerliche Anhebung um 0,75 % auf dann 2 % diskutiert. Damit erhöhen sich auch flexibel vereinbarte Kreditzinsen um diesen Prozentsatz, was wiederum die Gefahr mit sich bringt, dass Menschen ihre Schulden nicht mehr bedienen können.

Wie anfangs angesprochen, müssen wir nicht 70 Jahre, sondern nur rund 40 bis 50 Jahre zurückschauen, um die Problemtrance, in die sich die Verantwortlichen begeben haben und uns dabei mitziehen, zu überwinden und sinnvolle Lösungsansätze zu finden.

In einem Gespräch mit dem ehemaligen ÖNB-Chef Ewald Nowotny mit dem Titel „Droht die Rückkehr der Inflation“ vom Dezember 2021, das hier, auf der freien Medienplattform Idealism Prevails, im März dieses Jahres veröffentlicht wurde, analysiert dieser die damals noch bevorstehende Situation. Bemerkenswert ist seine Aussage, dass die durchschnittliche Teuerung im OECD-Raum in den 1970ern und -80ern bei rund 10 % lag. Ein Problem stelle in diesem Zusammenhang das von der EZB ausgegebene Ziel bei der Geldentwertung von maximal 2 % dar, zumindest politisch.

Wie wurde die damalige „Krise“ gemeistert und wurde sie überhaupt als solche erlebt bzw. gehypt?

Ein STANDARD-Beitrag vom 1.10.22, der auf Gesprächen mit den damaligen Entscheidungsträgern und Experten beruht, berichtet dazu Folgendes:

Von Seiten der Regierung Kreisky gab es eine enge Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, bald herrschte Einigkeit darüber, dass es nicht darum ging, den Konsum zu stützen (wie es heute von Seiten der Regierung propagiert wird), sondern diesen vielmehr einzuschränken. Es gab etwa den autofreien Tag, die Tankstellen wurden am Sonntag geschlossen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde auf 100 km/h reduziert und die Energieferien (jetzt Semesterferien) wurden eingeführt. Auch die Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden wurde nach unten angepasst. Die Bevölkerung trug diese Maßnahmen damals allerdings wesentlich besser mit, denn noch waren die Zeiten des Krieges in Erinnerung und das Wirtschaftswunder der beiden vorangegangenen Jahrzehnte im Bewusstsein. Heute taumeln wir von einer Krise in die nächste und die Entbehrungen der letzten Jahre haben ihre tiefen Spuren hinterlassen, Abstiegsängste stehen im Vordergrund.

Damals gab es auch keine „hysterische Inflationsangst“, weil die Einkommen der Unselbständigen und Pensionisten um durchschnittlich 9,1 % gestiegen sind. Dadurch konnten andere Einschränkungen leichter genommen werden. In Erinnerung ist auch die Empfehlung des damaligen Bundeskanzlers, man solle sich angesichts der Energiekrise doch nass statt elektrisch rasieren. Der Humor kam dabei nicht zu kurz, heute herrschen Wokismus und Bierernst.

Auch wurden über Steuererleichterungen die Investitionen Privater angekurbelt, was den Strukturwandel und damit Österreichs Wettbewerbsfähigkeit massiv unterstützt hat.

Ein fixer Bestandteil der Maßnahmen waren auch die Preiskontrollen. Eine paritätische Kommission aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Vertretern der Regierung trat regelmäßig zusammen und griff gezielt in den Markt ein, u.a. bei Grundnahrungsmitteln und Bier. Im Gegensatz zu den Sozialisten Kreiskys sind solche Eingriffe selbst für heutige Sozialdemokraten unvorstellbar. Der spanische Landwirtschaftsminister konterte einer Ministerin seiner Regierung, die ebendies vorschlug, mit der Aussage, dass dies der nötigen freien Marktwirtschaft zuwiderlaufe.

Als Folge hat sich der Staat dadurch schwer verschuldet, die Schuldenquote verdoppelte sich auf 40 % des Brutto-Inlandsproduktes (BIP), das als Maßzahl für die Wirtschaftsleitung eines Landes gilt.

Für die Wirtschaftsexperten der Gegenwart sind die damals erfolgreichen Maßnahmen durchaus ein Weg zur Lösung. Die Ausschüttung von Hilfsgeldern in der so genannten „Corona-Krise“ habe die Menschen noch abhängiger vom Staat gemacht und die dadurch entstandene Mentalität sei besorgniserregend. Wenn der Staat alle Verluste der Haushalte ersetzen wolle, drohe eine Inflationsspirale, deren Ende nicht absehbar sei. Bedenken aber müsse man, dass Österreich im Gegensatz zu den 1970ern nicht mehr so autonom sei, denn Vieles werde eben in Brüssel entschieden.

Eine Initiative der Gegenwart, die von Verbraucherschützern empfohlen wird, nämlich sich bei einer Erhöhung der Strom- und Gastarife auf die Grundversorgung zu berufen, wird nach einem Bericht in der Tageszeitung KURIER von der Energiewirtschaft als Missbrauch gewertet.

In einem Musterbrief, der an den entsprechenden Energielieferanten zu adressieren ist, kann das Recht auf Grundversorgung eingefordert werden. Dadurch darf der verrechnete Tarif nicht höher sein als jener, den der Großteil der Kunden des jeweiligen Unternehmens habe. Bestandskunden haben in der Regel deutlich günstigere Preise, die dann zum Tragen kommen. Beim Verbund etwa besteht aktuell ein Unterschied von 16 zu 49 Cent pro Kilowattstunde. Ein solcher Antrag hat also durchaus Sinn.

Angesichts der weithin verbreiteten Hysterie lohnt es sich auch, wieder mehr Humor, Gelassenheit und Eigeninitiative walten zu lassen und nicht alleine auf Vater Staat zu setzen.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, auch wenn die Zuversicht längst schon gewichen ist. Wieder einmal erschüttert ein Korruptionsskandal die innenpolitische Landschaft unserer Republik, nichts Neues also, denkt man etwa an den AKH-Skandal oder die mutmaßlichen Machenschaften eines österreichischen Finanzministers einer schwarz-blauen Regierung. Nur die Farben jener Parteien, die darin verwickelt sind, wechseln immer wieder mal.

Wenn sich nun also der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium zu einer Kehrtwende bei seinen bisherigen Aussagen entschieden hat, auch um einen Kronzeugenstatus zu erhalten und für sich dabei Strafmilderung zu erwirken, dann stellt sich wie bei so vielem, was in der Öffentlichkeit plötzlich gehypt wird, die Frage: Cui bono? – Wem nützt es?

Als kritischer Beobachter der politischen Szene ist man spätestens in den letzten beiden Jahren immer wieder auf Ungereimtheiten gestoßen und man wurde das Gefühl nicht los, dass sich hinter so manchem Skandal bzw. so mancher Krise Anderes oder sogar Größeres versteckt. Nun, wir können auch diesmal spekulieren und phantasieren, sinnvoll ist es nicht. Denn tatsächlich geht es in diesen Tagen nicht um die Befindlichkeiten der Mächtigen, sondern um das Wohlbefinden der Bevölkerung. Dieses wird weder durch eine mediale Vorverurteilung von Betroffenen noch von der medienwirksamen Aufdeckung eines weiteren Skandals gefördert, die Chancen eines Reinigung des politischen Systems sind – wie die Vergangenheit zeigt – höchst gering. Auch wenn sich der sonst sehr schweigsame alte und neue Bundespräsident doch wieder einmal zu Wort gemeldet hat und in großväterlicher Art verwundert konstatierte, dass das doch alles nicht wahr sein dürfe. In seinem kurzen Statement forderte er das Parlament auf, solches in Zukunft verhindern zu helfen. Was er dabei nicht bedacht hat, ist die Tatsache, dass Macht korrumpiert. Das mussten selbst die idealistischsten Politiker irgendwann einmal erkennen – und wer da nicht mitspielen wollte, flog eben raus. Tatsächlich also gäbe es nun Wichtigeres zu klären, die Bewältigung aller Schäden und Kollateralschäden der Coronamaßnahmen der Regierung beispielsweise, oder etwa der Einkauf weiterer Impfdosen für eine impfmüde Bevölkerung, der Millionen verschlingt.

Und doch gibt es da und dort Lichtblicke, die in eine andere Zukunft weisen. So arbeitet

die Fachhochschule Wiener Neustadt aktuell an einem Projekt zum Energiesparen durch Gründung von Energiegemeinschaften. „In einer solchen Erneuerbare-Energiegemeinschaft wird der überschüssige Strom nicht mehr ins allgemeine Netz gespeist, sondern von den weiteren Mitgliedern in der Gemeinschaft genützt. Vor dem Start muss eine Energiegemeinschaft jedoch gut geplant werden, es braucht beispielsweise ein ausreichendes Verhältnis von reinen Konsumenten und Prosumern, das sind Mitglieder, die auch selbst Energie erzeugen„, wird Josef Walch vom Campus Wieselburg auf orf.at zitiert.

Solche Energiegemeinschaften sind seit Herbst 2021 rechtlich möglich, im April des heurigen Jahres wurden die ersten ans Netz angeschlossen. Betreiber muss eine juristische Person, in der Regel also ein Verein, sein. Da nicht nur die Rechtslage komplex ist, hat etwa der niederösterreichische Netzbetreiber EVN eine eigene Beratungsfirma gegründet, vermutlich auch, um weiterhin die Kontrolle über all diese Aktivitäten zu behalten bzw. auch um finanziell von einem möglichen Gründungsboom zu profitieren.

Diese Möglichkeit bietet also durchaus die Chance, zumindest eine gewisse Energieautonomie zu erreichen, wie sich aber auch an Beispielen aus Deutschland zeigt (ich habe hier davon geschrieben), sind die Netzbetreiber bezüglich der Nutzung ihrer Infrastruktur kaum kompromissbereit.

Alternative Strategien werden aber viel zu oft und viel zu schnell als nicht praktikabel, Träumer- oder sogar Spinnereien abgetan, und sogar ehemalige echte Pazifisten, wie der Bekannte eines Journalistenkollegen, befürworten die Waffengewalt zur Selbstverteidigung, weil es leider kein anderes Mittel gäbe. Diese Enttäuschung mussten wir schon bei vielen der 68er erleben, die nunmehr genau das Gegenteil tun, wofür sie einst gekämpft haben.

Aber ich werde mich von all diesen Horrorszenarien nicht mürbe machen lassen, es weiter mit John Lennons „Imagine“ halten und mich vor allem aktiv und in Gemeinschaft mit anderen Träumern und Spinnern im friedlichen Miteinander und im konstruktiven Problemlösen im Kleinen üben, das in Folge natürlich auch im Großen wirken wird.

Freuen werde ich mich über jeden, der sich auch auf diesen zwar mühevollen, aber fruchtbaren Weg begibt. Denn nur so lässt sich die Welt ungeachtet der alltäglichen Kassandrarufe von Politik und Medien tatsächlich zum Besseren verändern.

Credits

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WG – 2022 KW42-YOUTUBE Wolfgang Müller CC BY SA 4.0