Die Amtsinhaber und die AfD machen das Rennen

landtagswahl 2016
Politik

Die deutschen Landtagswahlen In Baden-Würtemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sind geschlagen, die Ergebnisse bringen Wahlsiege für die bisherigen Amtsinhaber und eine in allen drei Landtagen stark vertretene AfD. Ein paar Gedanken dazu:

Die Wahlbeteiligung stieg massiv an, zwischen vier und zehn Prozent. Großer Profiteur dieses Trends war die AfD, die je nach Land ein Viertel bis ein Drittel ihrer Stimmen aus dem bisherigen Nichtwählersektor für sich gewinnen konnte. Dieser Trend läßt sich auch im amerikanischen Wahlkampf feststellen, wo vor allem Donald Trump die bisherigen Nichtwähler zu den Urnen treibt.

Trotz des alles beherrschenden Flüchtlingsthemas waren die Landtagswahlen Personenwahlen. Die bisherigen Amtsinhaber konnten ihre Position verteidigen, Malu Dreyer (SPD) und Winfried Kretschmann (Grüne) konnten sogar (klar gegen den allgemeinen Parteitrend) Zugewinne feiern. Ihre Wahlerfolge gingen vor allem auf Kosten des jeweils kleineren Koalitionspartners – die Grünen verloren in Rheinland-Pfalz zwei Drittel ihrer Wähler, die SPD stürzte in Baden-Würtemberg ebenfalls gewaltig ab. In beiden Ländern geht sich somit Rot-Grün bzw Grün-Rot nicht mehr aus. Daß eine Partei in einem Land (als Koalitionsführer) sechs Prozent hinzugewinnt und gleichzeitig in einem anderen Land (als kleiner Partner) über zehn Prozent verliert, zeigt den immer wieder festgestellten Trend (man erinnere sich an FDP und SPD im Bund), daß der Wähler scheinbar im Zweifel der amtsinhabenden Partei das Vertrauen schenkt und ihr die Fortschritte im Land zurechnet bzw dem kleineren Koalitionspartner etwaige Fehler der letzten Amtsperiode ankreidet. Hinzu kommt, daß die Amtsinhaber in beiden westdeutschen Ländern beliebt sind (Kretschmanns Zustimmungswerte liegen bei nahe 70%) und sich in knappen Duellen mit ihren schwarzen Herausforderern befanden, und deshalb viele Wähler des kleineren Koalitionspartners das Lager wechselten.

Die CDU verlor in allen drei Ländern Stimmen, konnte In Sachsen-Anhalt aber den Ministerpräsidenten verteidigen. Wahlsieger sehen aber anders aus. Den (CDU-)Herausforderern der Amtsinhaber in Rheinland-Pfalz und Baden-Würtemberg half die Abgrenzung zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin wenig – zumindest nicht genug, um Siege einzufahren. Die sich klar positionierenden Dreyer und Kretschmann kamen beim Wähler eindeutig besser an. Für Merkel dürfte sich der Schaden im Bund in Grenzen halten. Allerdings wurden die Partner der GroKo insgesamt massiv abgestraft (Ausnahme: Dreyer), was wohl zu vermehrten Spannungen in Berlin führen wird.

Die Afd schaffte auf Anhieb zwischen 12 und 24 Prozent, ein politisches Erdbeben, das stärker ausfiel, als erwartet. Interessantes Detail am Rande: bei einer Nachwahlbefragung in allen drei Ländern gaben etwa zwei Drittel der AfD-Wähler an, sie hätten sich gewünscht, daß die CSU wählbar gewesen wäre. Hier wäre es wohl zu einfach für die etablierten Parteien, all diese Wähler ins rechtsextreme Eck zu stellen – auch wenn man die Inhalte der AfD (spätestens nach dem Austritt von Bernd Lucke) im rechtspopulistischen Lager verorten muß. Es wird sich zeigen, ob hinter den Ankündigungen auch die Bereitschaft steht, die Mühen des Landtagslebens auf sich zu nehmen und sich als erste Partei seit den Grünen in den Achtzigern dauerhaft im politischen Spektrum Deutschlands festzusetzen. Dies ist bisher keiner rechten Bewegung (DVU, Republikaner) gelungen.

Alle Parteien lehnen aktuell eine Zusammenarbeit mit der AfD ab, was ich nicht nur auf Grund der Inhalte für richtig empfinde, sondern auch auf Grund der Erfahrung: es bedarf einige Zeit, sich im politischen Alltag zurecht zu finden, wenn man dann auch noch eine Regierung mitführen muß, wären viele AfD-Mandatare wohl überfordert. Andererseits könnten etablierte Parteien gerade diese Unerfahrenheit ausnutzen – wie Wolfgang Schüssel mit der FPÖ -, und die inhaltlichen und programmatischen Schwächen und Vorstellungen dieser Partei aufzeigen. Ob man das allerdings (als verantwortungsvoller Politiker) seinem Land antun will, ist natürlich eine andere Frage.

Die CSU wird sich früher oder später überlegen müssen, ob sie nicht vielleicht doch bundesweit kandidieren sollte. Zumindest in der aktuellen Stimmung  hätte sie in vielen Ländern die Chance, in den Landtag einzuziehen. Der CDU könnte sie diese Strategie damit verkaufen, daß dadurch die AfD in die Schranken gewiesen würde (Stichwort Nachwahlumfrage).

Die FDP ist in zwei Landtage zurückgekehrt und steht dort auch als möglicher Partner einer Dreierkoalition im Gespräch. Es bleibt abzuwarten, ob die FDP etwa mit den Grünen einen gemeinsamen Nenner findet.

SPD und Grüne setzen ihren Abwärtstrend fort, nur die zwei Spitzenkandidaten konnten sich dieser Spirale entziehen. Bei beiden wird früher oder später eine Personaldiskussion einsetzen, und sie ist auch absolut notwendig: Weder die SPD noch die Grünen werden 2017 mit den aktuellen Führungsspitze ein akzeptables Ergebnis einfahren können. Die Grünen werden sich wohl „kretschmanisieren“ („nimm das Beste, egal aus welchem politischen Lager, solange es funktioniert“) müssen. Der Sieg der Pragmatiker ist in diesen drei Wahlgängen unübersehbar.

In allen drei Ländern wird es wohl zu Dreierkoalitionen kommen, in Sachsen-Anhalt würde sich rein rechnerisch keine Zweierkoalition ausgehen (außer mit der AfD, aber das wurde in allen drei Landtagen ausgeschlossen). EU-Kommissar Öttinger fordert für Baden-Würtemberg trotz der massiven Wahlniederlage CDU-SPD-FDP. Man wird sehen, wie stabil drei Parteien miteinander regieren können. In einer Zeit, in der sich die Bindungskraft der Volksparteien mehr und mehr auflöst und neue politische Bewegungen in kurzer Zeit entstehen (und manchmal auch genauso schnell wieder verschwinden – siehe Piraten), steigt die Wahrscheinlichkeit, daß Wahlen solche Konstrukte auch in Zukunft des öfteren notwendig machen werden. Es ist davon auszugehen, daß die Mehrheitswahl wieder in Diskussion gestellt wird.

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