Hass-Postings und Fake News aus der Sicht der Justiz

Keine Gewalt - Keine Hassreden
Gesellschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
22. 6. 2017
Veranstalter
IT-LAW.AT (Interessensgemeinschaft) und Universitätslehrgang für Informations- und Medienrecht
Ort
Juridicum, Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien
Veranstaltungsart
Vortrag
Teilnehmer
Maria Windhager, Rechtsanwältin
Albert Steinhauser, Sprecher für Justiz, Demokratie & Verfassung, Datenschutz & Netzpolitik der Grünen
Nikolaus Pitkowitz, Rechtsanwalt
Christian Pilnacek, Justizministerium, Leiter der Sektion Strafrecht
Albrecht Haller, Rechtsanwalt

Am Donnerstag, den 22. Juni 2017, gab es an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien einen Vortrag zum rechtlichen Umgang mit Hass-Postings und Falschnachrichten.

Hierbei sprachen folgende Personen über die rechtlichen Aspekte: Albrecht Haller und Maria Windhager, die beide eine eigene Kanzlei mit Spezialisierung auf IT- und Medienrecht führen, Christian Pilnacek, Leiter der Sektion Strafrecht im Justizministerium, Nikolaus Pitkowitz, Partner der Kanzlei Graf & Pitkowitz, sowie Albert Steinhauser, Sprecher für Justiz, Demokratie & Verfassung, Datenschutz & Netzpolitik der Grünen.

Zu Beginn gab Albrecht Haller einen kurzen Überblick zu einem relevanten Paragrafen in der österreichischen Gesetzgebung:

Laut Paragraf 283 im Strafgesetzbuch sei nicht jede rassistische Äußerung im Netz gleich ein strafbares Hassposting, trotzdem würden viele angriffige Postings den rechtlichen Straftatbestand der Verhetzung erfüllen.

Wer im Internet zu Gewalt oder Hass gegen Personen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit, Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit, Weltanschauung beziehungsweise sexueller Orientierung oder Hautfarbe aufstachle, mache sich wegen Verhetzung strafbar.

Voraussetzung müsse sein, dass die verhetzenden Aussagen öffentlich, also vor mindestens dreißig Personen, getätigt werden. Das treffe schon auf kleinere Online-Foren oder Facebook-Gruppen zu.

Erfasst sei auch das herabsetzende oder verächtlich machende Beschimpfen von religiösen oder ethnischen Gruppen. Wer gerichtlich festgestellte Völkermorde oder Kriegsverbrechen öffentlich leugnet oder verharmlost, mache sich ebenfalls wegen Verhetzung strafbar.

Auch wer hetzerische Inhalte im Internet nicht selbst erstelle, sondern absichtlich und befürwortend weiterverbreite, könne belangt werden. Das betreffe etwa das Teilen von Beiträgen in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter.

Jedoch gebe es abseits dieses Paragrafen mehrere Lücken, und Österreich orientiere sich erst mal daran, welche Gesetzesentwürfe Deutschland hervorbringe.

Jedenfalls seien jetzt die Länder in Europa aufmerksamer auf das Internet geworden, da die Quantität an Aufmerksamkeit und Einfluss in sozialen Netzwerken drastisch zugenommen habe. Man könne auch einige „ältere“ Paragrafen verwenden, wie etwa das Gegendarstellungsrecht, das bei Falschbehauptungen zum Einsatz komme.

Das Problem dabei sei jedoch, dass eine Falschbehauptung auf einer Webseite nicht mehr auf Grundlage dieses Gesetzes geklagt werden könne, wenn man sie erst nach Ablauf der Frist von zwei Monaten entdecke.

Nach dieser Einführung übernahm Maria Windhager das Wort. Sie war die zuständige Rechtsanwältin, als die Grünen Facebook klagten. Es ging um massiv verletzende Hasspostings, welche auf Facebook gegen Eva Glawisching, die ehemalige Parteichefin der Grünen, gerichtet wurden.

Es sei ein teilweiser Erfolg erzielt worden. So habe das OLG Wien die Löschung aller identen Postings angeordnet, aber es habe keine Entscheidung getroffen, ob ein Hostprovider, also Facebook, auch sinngleiche Inhalte suchen und vom Netz nehmen müsse. Diese Entscheidung müsse nun der Oberste Gerichtshof fällen. Es sei hier mithilfe des Persönlichkeitsschutzrechts geklagt worden.

Es sei zunächst eine Einstweilige Verfügung am Handelsgericht erreicht worden. Die Berufung durch Facebook sei nun vom Oberlandesgericht Wien abgelehnt worden. Geklärt seien im Zuge dessen gleich zwei Grundsatzfragen worden: die Anwendbarkeit österreichischen Rechts und die Pflicht zur theoretisch weltweiten Löschung von Hasspostings.

Facebook hätte bisher behauptet, dass nur in Kalifornien geklagt werden könne oder höchstens in Irland, wo sich der europäische Firmensitz befindet.

Wichtig sei auch die Feststellung des OLG, dass es sich eindeutig um Hasspostings handele.

Die Äußerungen über Glawischnig würden eindeutig gegen die „Community Standards“ verstoßen, damit sei die Darstellung aus Sicht des Unternehmens zurückgewiesen worden. Dies sei der erste Fall gewesen, in dem eine einstweilige Verfügung gegen Facebook in Österreich in höherer Instanz durchgesetzt worden sei.

Ein Problem für Betroffene sei auch, dass nur sehr wenige Kanzleien im Detail mit der Rechtslage im Internet vertraut seien.

Mit diesem Praxisbericht schloss Maria Windhager, und Nikolaus Pitkowitz stellte nun dar, welche Grundrechte des Einzelnen in dieser Rechtspraxis betroffen seien.

Das E-Commerce-Gesetz in Österreich besage, dass ein Großprovider nicht für die Inhalte hafte, sofern er Gegenmaßnahmen setze. Großprovider hätten auch keine Überwachungsverpflichtung, nur die Benutzer würden haften. Es gebe zwar Vorteile, etwa dass Verbrechen von amerikanischen Exekutivbeamten aufgeklärt werden könnten, weil Bildmaterial der Übergriffe ins Netz gestellt wurden, jedoch sei unklar, ob man für Hetze in dem Sinne haftbar sei oder nicht.

Auch die Verantwortung, wer über was urteile, sei fraglich. Sollen Unternehmen entscheiden, was zum Beispiel Hetze sei und was nicht, oder doch ein Gericht? Auch Benutzer könnten dies tun. Im Zweifel solle die Meinungsfreiheit überwiegen. Vieles, was die Grundrechte des Einzelnen angehe, sei im Internet noch unklar.

Mit dieser Aussage gab Nikolaus Pitkowitz weiter an Albert Steinhauser, der darüber aufklärte, dass es große Unterschiede zwischen Hass-Postings und Falschnachrichten gebe.

Zum einen hätten beide Sachverhalte grundsätzlich unterschiedliche Rechtssprechungen, und zum anderen seien besonders Hasspostings im Unterschied zu Fake News oft spezifisch frauenfeindlich. Als Beispiel nannte er die Attacken gegen die Autorin Stefanie Sargnagel, die von der „Kronen Zeitung“ für die überzeichnete Darstellung ihrer Marokko-Reise, die teilweise mit öffentlichen Geldern subventioniert gewesen sei, geächtet worden sei.

Sargnagel sei daraufhin von den Lesern der „Krone“ mit ausgiebigen Hasspostings angegriffen worden, in denen eine gewalttätige Domestizierung mit sexuellem und einschüchterndem Inhalt im Vordergrund gestanden habe.

Vor dreißig Jahren seien Hetzkampagnen noch sehr viel schwieriger gewesen, da dies nur über Flugplakate oder Öffentlichen Rundfunk möglich gewesen sei. Man könne schon etwa über das Instrument der Rechtsgüterverletzung dagegen vorgehen, jedoch seien etwa implizierte Drohungen schwer zu belangen. Auch werde unterschieden, ob der Grund der Verhetzung die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder das Geschlecht sei.

Als Fazit sei es daher fraglich, ob man eine eindeutige Grenze im Netz ziehen könne. Eine mögliche Lösung könne sein, die Grenze bei offen angedrohter Gewalt oder bei einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Lebenssituation zu definieren.

Als Letzter sprach Christian Pilnacek, Leiter der Sektion Strafrecht im Justizministerium, über neue Vorgehensweisen im Rahmen der Digitalisierung. Zunächst habe der Europäische Gerichtshof eine Faktenschrift zu den Themen Hassrede und Verhetzung veröffentlicht. Und es gebe nun auch in Deutschland das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz, gegen das schon Bürgerrechtsorganisationen aufgetreten seien.

Grundsätzlich würde man sich in Zukunft trotzdem an der Gesetzgebung in Deutschland orientieren. Auch Facebook habe aufgrund der Gesetzesentwürfe in Deutschland seine Richtlinien ändern müssen.

Damit schloss der Leiter der Sektion Strafrecht, und die Veranstaltung endete.

Credits

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Keine Gewalt - Keine Hassreden Keine Gewalt – Keine Hassreden John S. Quarterman CC BY 2.0