Jeder Mensch – Im Gespräch mit Siobhan Geets, Ulrich Karpenstein und Manfred Nowak

Politik

Das titelgebende Essay Jeder Mensch von Ferdinand von Schirach, das auch einer europaweiten Initiative für Grundrechte den Namen gab, soll in dieser Veranstaltung des BSA als Startpunkt genutzt werden, um darüber zu diskutieren, welche großen Herausforderungen auf Europa zukommen und wie man diese löst.

Der Anwalt Dr. Ulrich Karpenstein ist Mitinitiator von Jeder Mensch. Es müsse endlich eine europäische Verfassung geschaffen werden, und dies unabhängig von einem institutionalisierten Europa, wie es sich die letzten 70 Jahre gebildet hat. Die Bewegung muss von unten ausgehen und sich zum Ziel setzen, die tatsächlichen Herausforderungen, in denen wir leben, zu definieren und Vorschläge zu machen, wie wir künftig zusammenleben wollen. Die 6 Grundrechte, die die Initiative vorschlägt, sollen zur Diskussion anregen. Schafft es Europa nicht, sich auf eine gemeinsame Basis zu einigen, wird es auseinanderbrechen, so Karpenstein.

Der Menschenrechtsexperte Univ.Prof. Dr. Manfred Nowak vertritt die Initiative in Österreich. Die Menschheit steht vor einem Wendepunkt: den zahlreichen Herausforderungen von Umwelt bis zu sozialer Gerechtigkeit scheint die Europäische Union nicht gewachsen zu sein. Es bedarf eines gewissen Neuanfangs außerhalb dieser Institution, um Europa zu erhalten. Junge Menschen müssen mehr gehört werden; die gemachten Vorschläge müssen dann auch Eingang in politische Entscheidungen finden.

Zu den vorhandenen Grundrechten müssen sich neue hinzugesellen, die den Veränderungen der letzten Jahrzehnte Rechnung tragen, meint Mag. Siobhan Geets, außenpolitische Redakteurin beim Nachrichtenmagazin Profil. Auch wenn manche Vorschläge dieser Initiative nicht neu sind, so sind sie dennoch oftmals in Vergessenheit geraten oder wurden zu den Akten gelegt. Die die EU in ihrer Entscheidungsfindung ob des Einstimmigkeitsprinzips recht einfach blockiert werden kann, muss der Druck „von unten“ kommen, um Veränderungen anzustoßen. Die von der EU gestartete Zukunftskonferenz hat bisher etwa 13.000 Unterstützer – ein vernichtendes Urteil der Europäer.

Wenn es tatsächlich zum Vorschlag einer Verfassung kommt, die von der Bevölkerung vorgeschlagen wird, dann werden sich auch Viktor Orban und Freunde schwertun, zB der Wahrheitspflicht für Politiker zu widersetzen: der Handlungsdruck auf die Politik wäre ob der breiten Unterstützung sehr groß. Immerhin hat die Petition der Initiative in relativ kurzer Zeit und ohne Budget bereits über 200.000 Unterschriften erhalten; und dies, obwohl man sich bisher nur um deutschsprachigen Raum bewegt, so Karpenstein. Gerade bei jungen Menschen sieht man, dass sie es satthaben, wie Politiker mit ihren Rechten und dem Planeten Erde umgehen. Das Potenzial für eine Massenbewegung ist also durchaus gegeben, meint Nowak.

Welche Herausforderungen nun konkret anstehen, welche Lösungen es dafür gibt, und wie die geforderten Grundrechte dabei helfen, ist Gegenstand der weiteren Diskussion.

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Jeder Mensch Wolfgang Müller CC BY SA 4.0