Meine „Kredenz“ steckt in meinem Kopf

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Meinung

Es gibt ein Wort, das für mich eine besondere Bedeutung hat und dessen Wert sich im Laufe der Jahre veränderte. Das Wort, von dem ich spreche, ist „Kredenz“. Ein System von Ansichten ist eine Reihe von Überzeugungen, die sich aus persönlichen Lebenserfahrungen ergeben.

Im Merriam-Webster-Wörterbuch ist „Glaube“ „ein Zustand oder eine Gewohnheit des Geistes, in dem Vertrauen oder Zuversicht in eine Person oder Sache gesetzt wird“ oder auch „etwas, das akzeptiert, für wahr oder für eine Meinung gehalten, also geglaubt wird“.

Dann ist es wieder interessant, sich über das hinwegzusetzen, was für wahr gehalten wird, und sich auf das Terrain einer neuen Vision zu wagen, die sich nur ein Stückchen weiter entfernt befindet.

Die Etymologie eines Wortes zu eruieren bedeutet, zum Ursprung des Wortes zurückzukehren und die Übertragung von einer Sprache in die andere zu finden: Im Griechischen bedeutet der Begriff „doxa“ Glaube, Meinung. Er diente zur Identifizierung des Wissens, das auf einer subjektiven Meinung und nicht auf einer objektiven Wahrheit basiert. In der lateinischen Sprache ist der Begriff  „Kredenz“ eine Ableitung des Wortes credĕre, was bedeutet, jemandem zu vertrauen oder etwas für wahr zu halten.

Wenn in der Vergangenheit ein Lehensherr – das Lehen war ein Stück Land, das vom Feudalherren vergeben wurde – vom Herrscher eines anderen Territoriums besucht wurde, brachte der Gastgeber die Präsente des Gastes in einem speziellen Möbelstück unter, der „Kredenz“. Meistens waren diese Geschenke Lebensmittel, weil Lebensmittel hoher Qualität das Vorrecht der reichsten und wohlhabendsten Familien waren. Alle gekochten Sachen wurden auf die Kredenz gelegt und noch vor dem Servieren des Abendessens getestet. Unglücklicherweise bestand kein Vertrauen zwischen den Feudalherren – vielmehr misstrauten sie einander. Der Empfänger befürchtete, dass sich Gift im Essen befinden könnte, somit musste ein Diener all die verschiedenen Gerichte vorkosten, um deren Harmlosigkeit zu bestätigen.

Sicherlich bin ich nicht die Einzige, die eine gar nicht mal so versteckte Heuchelei in dieser Haltung sieht: „Ich glaube so sehr an dich, dass ich deine Gaben in meine Kredenz stecke (was bedeutet, dass ich dir vertraue), aber dann, nur um sicher zu sein, testet einer meiner Diener das Essen. Du weißt schon … nur für den Fall!“ Das erscheint mir als ein wahrhaftiger Widerspruch, klingt jedoch gleichermaßen vertraut.

Dieser Ansatz erinnert mich an das Funktionieren des Geistes. Er lässt dich glauben, dass er deine Bedürfnisse versteht, und ist hier, um dir bei der Problemlösung zu helfen. Unglücklicherweise ist der Verstand aber viel verzwickter und komplexer als das …

Der Verstand ist ein Werkzeug. Man kann ihn mit einem Hammer vergleichen, mit dem man zu oft den Finger trifft. Der Verstand arbeitet hauptsächlich im Unterbewusstsein und sehr wenig im Bewusstsein. Es ist nicht ganz unsere Schuld, niemand hat uns je gelehrt, wie wir auf unsere Intuition hören können. Wenn sich der Verstand nämlich im Unterbewusstsein aufhält, hört er auf unsere Ängste, Unsicherheiten, Probleme, Blockaden und Zweifel.

Arbeitet er aber im Bewusstsein, verharrt er im gegenwärtigen Moment und tut, was der Augenblick verlangt. Eine gute Gelegenheit, die negative Wirkung des Unterbewusstseins zu umgehen, ist das Leben in der Gegenwart.

Eine weitere Möglichkeit, dieses Konzept zu verstehen, besteht darin, das Gehirn als Computer zu betrachten. Dieser besteht aus zwei Bestandteilen: Hardware und Software. Die Hardware stellt den materiellen Teil des Gehirns dar, alle Zellen, Flüssigkeiten und verschiedenen Substanzen. Die Software ist das Programm, also alle Daten, das alle Aktionen des Computers steuert – mit anderen Worten: Die Software stellt Informationen dar. Als ich das Material für diesen Artikel sammelte, fand ich folgendes Zitat: „Man kann ein völlig neues Programm in die Hardware einbauen und es zu einer völlig neuen Erfahrung für den Benutzer machen.“ Was mich am meisten erstaunte: Das ist im Grunde genommen das, was wir mit dem Verstand machen können. Wenn wir das Programm der Software ändern, die sich normalerweise auf der unterbewussten Ebene befindet, und sie stattdessen auf die Bewusstseinsebene umleiten, dann ändern wir auch das Programm! Biologisch betrachtet würden die alten Synapsen abgeschnitten und so neu erschaffen.

Aber ist es so schwierig, das auch umzusetzen? Meine persönlichen Erfahrungen verraten mir, dass es ungeheuer schwer ist, doch das Resultat ist alle Mühe wert.

In jenen Momenten, in denen ich diese Veränderung erfuhr, wurde mir klar, dass das, was mich daran hinderte, eine bessere Version von mir zu erzielen, mein eigenes Glaubenssystem war – meine Kredenz. Ich selbst war mein schlimmster Feind.

In dem Moment, als ich das verstand, fand ich es komisch, denn: Ich dachte immer, meine Feinde seien all die Leute, die mich nicht verstanden hätten. Das Problem befindet sich aber nicht im Außen, sondern zumeist im Inneren. Und andere können wir nicht ändern, aber uns selbst können wir mit Sicherheit verbessern!

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