Populismus und politische Sprache

Populismus und politische Sprache
Politik

Veranstaltungsdaten

Datum
9. 6. 2016
Veranstalter
Presseclub Concordia
Ort
Presseclub Concordia
Teilnehmer
Dr. Elisabeth Wehling, Kommunikationspsychologin, Berkeley
Walter Ötsch, Universitätsprofessor
Dr. Hannes Swoboda, ehem. Abgeordneter EU-Parlament

Im überfüllten Concordia Presseclub diskutierten der ehemalige EU-Abgeordnete Dr. Swoboda mit der deutschen Kommunikationspsychologin Frau Dr.Wehling sowie dem Universitätsprofessor Dr. Ötsch die Bedeutung der Sprache in der Politik.

Hannes Swoboda erläutert, dass die Sprache „nichts Neutrales“ ist, sondern die Rahmenbedingungen schafft und Vorurteile, Haltungen und Einstellungen prägt. Er ruft deswegen auf, vermehrt zu hinterfragen, welche Begriffe man verwendet.

Elisabeth Wehling erklärt, dass es keine objektive Verarbeitung von Fakten gibt, sondern subjektive Wertesysteme bedeutend sind. Das Eigeninteresse ist nur „ein marginaler Entscheidungsfaktor“, viel wichtiger im Entscheidungsprozess ist das „Bauchgefühl“.

Die „Menschen in der (politischen) Mitte“ werden oft als „politisches Vakuum“ missverstanden. Untersuchungen (durch verschiedene Kulturen wie den USA oder auch China) zeigten, dass diese Gruppe rund 35% der Bevölkerung umfasst. Es gibt keine Anzeichen, dass diese Gruppe verschwindet. Diese potenziellen Wechselwähler wandern nach links oder rechts, wobei diese Entscheidung sehr stark durch das sog. ‚Framing‘ beeinflusst wird. Darunter versteht man einen gedanklichen Deutungsrahmen über Begriffe. Dies lässt sich gut am Beispiel von Steuern illustrieren, die per se als negativ angesehen werden. Dies spiegelt sich in Begriffen wie Steuerlast, Steuerflucht oder aber Steueroase wider.

Das politische Framing, dessen Bedeutung sich die Bürger meist gar nicht bewusst sind, aktiviert eine von zwei Wertvorstellungen.

Die zwei Wertevorstellungen sind der konservative Zugang sowie der progressive. Die konservative Psyche will „lieber schwarz und weiß als zu viel grau“, ein „Wertedogmatismus“ ist daher auch eher im konservativen als im progressiven Lager festzustellen. Die konservativen Kräfte haben daher auch eher das Bedürfnis, diese eigenen Werte zu verbreiten.

Aktuell prägen konservative eher als progressive Wertvorstellungen die wichtigen politischen Themen.

Dr. Walter Ötsch analysiert die Sprache der FPÖ, die – wie die meisten rechten Parteien – sehr wirksam auf eine bildhafte Sprache setzt. In diesem „dualen Bild“ gibt es die ‚Guten‘ („wir“) und die ‚Bösen‘, und dies drückt sich auch in Slogans und Gegenüberstellungen wie Heimat vs. Brüssel, sichere Pension statt Asyl oder ‚daham‘ vs. ‚Islam‘ aus. Die FPÖ denke „in Verschwörungstheorien“, eine Vertiefung dieses Bildes hält Ötsch für „demokratiegefährdend“. Die Sprache zeichnet sich u.a. durch ‚Containerbegriffe‘ aus, die häufig erfunden sind und deren Bedeutung (daher) unklar ist. Es wird eine „homogene Schicksalsgemeinschaft“ kreiert. Außerdem werden „Kampfbeziehungen“ definiert im Sinne eines „Wir müssen uns wehren“. Das Bild zeigt eine übertriebene Moral, Sachpolitik wird der Personenebene geopfert.

„Die größte Tragödie ist, dass die ÖVP das nicht merkt!“, stellt Dr.Ötsch fest.

Dr.Ötsch verknüpft Neoliberalismus mit Rechtspopulismus und befürchtet als Folge unlösbarer wirtschaftlicher Probleme, dass die „Demokratie in Frage gestellt wird und als Lösung eine autoritäre Wende“ folgen könnte.

Wehling rät den (ehemaligen) Großparteien, nicht das fehlende Programm der Populisten zu kritisieren, sondern stattdessen zu überlegen, wofür denn die Parteien des politischen Mainstream stehen.

Das Instrument der „moralischen Empörung“ funktioniert gut und wird von beiden Seiten gleichermaßen eingesetzt. Der Ruf gegen die „soziale Hängematte“ auf der einen Seite, der Aufruf gegen die „umweltvergiftende Industrie“ auf der anderen Seite.

Wehling verweist auf die Wahlkampagne Donald Trumps, der nicht ‚policy analysis‘ betrieben hat, sondern erzkonservative Radioshows und die darin enthaltenen Moralvorstelllungen studiert hat.

Ötsch sieht in Trump (und anderen Populisten) die Gefahr der Delegitimierung der Eliten und dieser „schnelle Wechsel“ wäre „besorgniserregend“.

Abschließend verweist Wehling auf zwei zentrale Aspekte, die Wertekommunikation sowie die Authentizität. Einen großen Teil des Erfolgs des ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan führt Wehling auf dessen Authentizität zurück.

Allen voran veranschaulichte der Vortrag von Dr. Wehling sehr gut die Bedeutung der Sprache und die besondere Bedeutung, durch die entsprechende Wortwahl die potenziellen Wechselwähler, also die sog. politische Mitte, anzusprechen und für die eigenen Werte zu begeistern. Der Vortrag untermauerte mehrmals die Bedeutung der Emotionen im Vergleich zu Fakten und rationalen Argumenten, ja sogar im Vergleich zu Eigeninteresse, das auch nur einen marginalen Entscheidungsfaktor darstellt.

Dr. Ötsch präsentierte sich offen als scharfer Gegner der FPÖ und kritisierte deren Kommunikationsstrategie heftig.

Credits

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Populismus und politische Sprache Populismus und politische Sprache Thomas Farthofer CC BY-SA 4.0