Wege aus dem „Verbildungssystem“

Gesellschaft

In diesem Idealism Prevails Kamingespräch schildert Prof. Dr. habil. Thomas Mohrs, der als Hochschulprofessor an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern tätig ist, die Hintergründe seiner in einem Gastkommentar in der Tageszeitung „Der STANDARD“ angebrachten Kritik am österreichischen Bildungssystem.

Dabei gehe es ihm, wie er betont, keinesfalls um ein generelles Bashing von Schulen oder Lehrern, denn da kenne er auch das eine oder andere sehr gelungene Schulprojekt sowie die einen oder anderen sehr engagierten Lehrer. Namentlich nennt er die Initiative „Schule im Aufbruch“, die auch in Österreich aktiv ist, oder die Sudbery-Schule Ammersee in Deutschland.

Ihnen gemeinsam ist der Fokus auf die Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler, die auf diesem Weg selbstbestimmt ihren Interessen nachgehen könnten. Im Rahmen des Curriculums könnten sie sich entscheiden, wann und auf welche Weise sie sich die vorgegebenen Inhalte aneignen. Das sei in einem von ihm so genannten „Verbildungssystem“, das eine „Beschulungsschule“, in der „Stoffstopfgänsepädagogik“ zelebriert werde, als einzige Bildungsvariante vorsehe, nicht möglich. Er könne, so Mohrs, den Sinn nicht erkennen, den ein „Sich-mit-Stoff-Abfüllen“ habe, um diesen dann bei einer Prüfung „rauszuwürgen“, um ihn gleich danach zu vergessen.

Im Gespräch schildert er auch den Fall einer Schülerin, die bei der letzten Externistenprüfung nach einem Jahr häuslichen Unterrichts, eine der vielen Teilprüfungen im ersten Anlauf nicht bestanden habe, in einer Nachprüfung aber dann sehr wohl. Dennoch hat die zuständige Bildungsdirektion das erneute Ansuchen um häuslichen Unterricht abgelehnt. Die Zwölfjährige müsse nun seit Herbst wieder zur Schule gehen. Alle seine Interventionen und Argumentationen auch im Hinblick auf die Kinderrechte wurden von den Behörden bislang abgeschmettert. Für ihn sei das nicht nachvollziehbar.

Seine Beiträge zur Erneuerung des Bildungssystems sieht er vor allem darin, dass er den Lehramtsstudierenden durch seine Vorgangsweise beim Lehren Beispiele gibt. So sind die Abschlussarbeiten in seinen Seminaren an keinerlei Vorgaben gebunden, was die Art und Weise sowie die Form der Texte betrifft. „Feel free“ lautet sein Motto, das bei den meisten nach anfänglichem Unverständnis letztlich doch begeistert aufgegriffen wird und zu qualitätvollen und authentischen Arbeiten führt. Ebenso sind in seinen Vorlesungen keine Klausuren angesagt, das gesetzlichen Erfordernis, eine schriftliche Leistung zu erbringen, werde dadurch erfüllt, dass man sich mit einem Thema in Form eines Essays auseinander setze.

Bei seinen Ausführungen stellt er dabei auch Bezüge zu seinen „Hauptfächern“ Philosophie und Ethik her, in dem er auf Aristoteles, Platon und Kant verweist.

Abschließend stellt er sich die ketzerische Frage, ob das Ziel der Schule tatsächlich die Mündigkeit seiner Absolventen ist oder doch das Hervorbringen von Menschen, die sich anpassen und den Vorgaben der Werbung folgen.

Dennoch glaubt er weiterhin an die notwendigen Weiterentwicklungen im Bildungsbereich, auch wenn er heute – anders als noch vor einiger Zeit – eher davon ausgeht, dass man es „zerschlagen“ müsse, um es neu zu gestalten.

Seine Gedanken möchte er als Beitrag für den dringend nötigen Diskurs zum Thema sehen, sie sind Ideen, die es in der Diskussion zur zukünftigen Gestaltung des Bildungssystems gemeinsam weiterzuentwickeln gelte.

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