Der Weisheit letzter Schluss – Black Days

Meinung

Ein kommentierender Wochenrückblick – KW 46/23

Wer kennt sie nicht die schwarzen Tage? Bezeichnet wird damit bekanntlich ein Tag, an dem etwas Bedeutendes schiefgeht oder so ziemlich alles irgendwie aus dem Ruder läuft. Die Herkunft der Redensart kann man auf „dies ater“ (lat. für schwarzer, glanzloser Tag) zurückführen. Bei schweren Niederlagen des römischen Heeres wurde ein solcher Tag ausgerufen, an ihm ruhten die Amtsgeschäfte. In unserer westlichen Welt steht die Farbe schwarz für Trauern, das Böse oder eine Bedrohung. Die Weltgeschichte kennt mehrere dieser „black days“, in Erinnerung ist insbesondere der „schwarze Freitag“ im Oktober 1929 an dem die New Yorker Börse crashte. In Amerika ging er allerdings als „Black Thursday“ in die Annalen ein, in Europa aber war zu diesem Zeitpunkt schon Freitag.

Im Gegensatz zu diesen negativen Assoziationen stehen die Black Friday Ereignisse, die uns der Handel seit einigen Jahren auch in Europa regelmäßig Ende November beschert. Zur Zeit wird er sogar auf eine ganze Woche ausgedehnt. Seinen Ursprung nahm der Begriff meinen Recherchen nach in den USA: bezeichnet wird damit jener Freitag nach Thanksgiving, an dem traditionell die Weihnachtseinkaufssaison eröffnet wird. Angeblich haben Polizeibeamte den Titel für diesen Tag im Jahr 1966 erstmals verwendet, weil es an diesem zu massiven Staus und überfüllten Gehsteigen gekommen ist. Andere Assoziationen gibt es dazu aber auch: u.a. die Möglichkeit, dass der Handel schwarze Zahlen schreiben kann oder eine große schwarze Masse, die Straßen stürmt.

Worauf aber will ich hinaus?

Zuerst einmal tatsächlich auf den werbemäßig imposant aufgeblasenen angekündigten Konsumrausch, der sich heuer zumindest in Österreich offenbar so gar nicht zu lohnen scheint. „Natürlich setzen solche Aktionstage Kaufimpulse. Aber zu welchem Preis?“, wird Christoph Teller, Vorstand des Instituts für Handel, Absatz und Marketing an der JKU Linz in den Oberösterreichischen Nachrichten vom 20.11.23 zitiert. Der Preis scheint heuer höher zu sein als in den Jahren davor, bei vielen Händlern gibt es wenig bis keinen Spielraum für Rabatte, sind doch die Folgen der Regierungsmaßnahmen aufgrund der Pandemie immer noch zu spüren. So ist das Eigenkapital aufgezehrt, der Kostendruck aufgrund der gestiegenen Energiepreise, Mieten und Personalkosten gestiegen. Zudem befindet man sich gerade in der nächsten Kollektivvertragsrunde, die – so sehen es die Beschäftigten – diesmal „ordentlich“ sein muss. Nur, woher nehmen?

Tatsächlich lässt sich an dieser Situation erkennen, dass unser Wirtschaftssystem hier offenbar einen gefährlichen Haken hat. Es ist a la longue sogar nicht auszuschließen, dass solche Black Days, die den Konsum anregen wollen, wieder einmal zu schwarzen Freitagen für die Wirtschaft werden.

Und dann sind da auch noch Ereignisse zu betrachten, die man auch als wirklich schwarze Tage bezeichnen könnte:

Die schon für den Handel angesprochenen Lohnverhandlungen betreffen auch die metallverarbeitende Industrie. Hier werden sich Arbeitnehmervertreter und Arbeitgebervertreter seit Wochen nicht einig; die Vorstellungen liegen noch immer meilenweit auseinander. Die große Frage ist, wie sich die in horrende Höhen aufgeschwungene Inflation für beide Seiten verträglich berücksichtigen lässt. Dieses Vorhaben gleicht der Quadratur des Kreises und so hat die Gewerkschaft ihren starken Arm ausgepackt und einen Streik bis inklusive 30. November angekündigt. Waren das noch Zeiten, als die viel gelobte österreichische Sozialpartnerschaft selbst solche Klippen elegant umschiffte und letztlich ob dieser österreichischen Lösung alle Beteiligten durchaus zufrieden waren. Aber diese Zeiten sind längst vorbei, was sich schon seit einigen Legislaturperioden auch in der untypischen Zusammenlegung des Arbeits- und des Wirtschaftsministeriums zeigt.

Weniger Tagespolitik und Sozialkritik soll es ab dem kommenden Sommer beim Jedermann in Salzburg geben. Da wurde kürzlich das gesamte Ensemble samt Regie trotz einer anderslautenden Zusage durch ein neues Team ersetzt. Schauspielerisch kann man gegen das Multitalent und den Iffland-Ring-Träger (er folgte dabei auf Josef Meinrad und Bruno Ganz) Phillip Hochmair, der die Hauptrolle übernehmen wird, nichts sagen. Die Vorgehensweise, die ihm diese beschert hat, ist allerdings aller Kritik wert. Ändern wird das nichts – auf der Aufführung des nächsten Jahres liegt deswegen aber quasi ein schwarzer Schatten.

Russland und die Ukraine befinden sich noch immer in einem im Februar des Vorjahres begonnenen bewaffneten Konflikt. Es mehren sich zwar die Anzeichen, dass auf beiden Seiten und damit auch auf Seiten der USA, der NATO und der EU Kriegsmüdigkeit eintritt; die Frage ist nur, ob diese dann auch in konkrete Friedensverhandlungen münden wird. In unserer Redaktion gab es dazu – ausgelöst von einem Artikel im Guardian eine kleine, feine Diskussion, die hier in Auszügen wiedergegeben werden soll:

Dieser decke sich mit Gerüchten, dass der Krieg vielleicht bald endet. Heißt es da einleitend und: „Hoffe das stimmt.“

„Kommt auf die USA und die NATO an. Wobei es für die Ukraine verheerend ist ihre Industriegebiete zu verlieren im Osten. Und natürlich ist es ein fatales Signal, dass sich Krieg wieder lohnt und eine Regionalmacht wie Russland sich quasi schnappen kann was Sie will…

Militärisch ist der Krieg ein Patt und das wird auch so bleiben.“

„Für Russland hat sich der Krieg nicht gelohnt, auch wenn sie die Ostgebiete kriegen, wird Russland sicher 10 Jahre brauchen, bis sie die Nachteile des Krieges für die eigene Wirtschaft und Bevölkerung wieder ausgeglichen haben. Wenn man das neutral analysiert, dann ist der Krieg in dieser Form keine Einladung für Krieg. Das wird bestenfalls ein Pyrrhussieg. Russlands Zukunft ist es, der Bettvorleger Chinas zu sein. Jetzt sind sie definitiv Regionalmacht.“

„Bist Du Dir da sooo sicher? Die Schwerindustrie der Ukraine ist nun in russischer Hand… Und seine eigenen Leute waren Putin immer egal… Kann man das real festmachen was die Nachteile für Russland durch den Krieg waren/sind?“

„Die gesamte Wirtschaft ist auf Krieg ausgerichtet, das Wirtschaftswachstum ist völlig für die Fische, weil das alles nur in Waffen fließt. Durch die Sanktionen gibt es auch Schaden – nicht so viel, wie uns oftmals vorgegaukelt wird; aber ohne Nachteil kann das an Russland nicht vorbeigehen. Der Teil der Ukraine, den Russland kriegt, ist zerstört. Da müssen mal Abermilliarden reinfließen bis da ein Gewinn rauskommt. Ja, vielleicht verdienen wieder ein paar reiche Nasen ihre Milliarden beim Wiederaufbau, so wie nach dem Mauerfall. Aber für Russland insgesamt sehe ich nicht, wie das auf absehbare Zeit ein Erfolgsmodell werden kann.“

Sicher ist jedenfalls eines: So lange dieser Krieg herrscht, gibt es einen schwarzen Tag nach dem anderen für alle, die direkt oder auch indirekt davon negativ betroffen sind.

Auch Finnland legt noch eines drauf und zerstört damit die Verbindung zu Russland vollends. Aufgrund Russland vorgeworfener Unterstützung illegaler Grenzübertritte von Asylwerbern, ist man drauf und dran, die Grenze zum östlichen Nachbarland gänzlich zu schließen. Vorbei also die Zeiten, in denen man bei Wodka und Bärenjagd trotz aller Unterschiede die Beziehungen pflegte.

Wie weit Argentinien am vergangenen Wochenende tatsächlich die versprochene rosige Zukunft gewählt hat, wird sich weisen. Auch hier könnten die einen oder anderen Black Days folgen, wenn Wahlprogramme in Realpolitik gegossen werden sollen. Der siegreiche Kandidat, der sich als Anarchokapitalist bezeichnende Javier Milie, möchte kaum einen Stein auf dem anderen lassen: er plant vielmehr die Abschaffung des Staates. Welche Rolle er in dem dann nicht mehr vorhandenen Staat spielen wird, bleibt fraglich. Aber vielleicht sieht er sich ja in der Tradition der französischen Könige gemäß dem Motto „L’état, c’est moi!“ Das böse Erwachen für alle seine Wähler inbegriffen.

Der österreichische Staatsfunk verbreitete dieser Tage die Jubelmeldung, dass sie EU nun grünes Licht für die von der österreichischen Bundesregierung in ein Gesetz gegossene „Qualitätsjournalismusförderung“ gegeben hat, die vor allem dem größten österreichischen Medienhaus zugute kommen wird. Wie das mit einer Meldung in der ZIB III vom 21.11. zusammenpasst, in der davon berichtet wurde, welchen Verschwörungsmythen nun die ehemaligen Coronaleugner anhingen (man beachte das doppelte Framing). Die Bundesstelle für Sektenfragen untersuche diese Entwicklung nun. Womit wir beim dritten Framing in nur zwei Sätzen angekommen wären. So zeigt sich förderungswürdiger Qualitätsjournalismus. Mit diesem Schritt beschert die EU den Österreichern jedenfalls medial eine Menge schwarzer Tage. Wie gut, dass es auch seriöse unabhängige Medien gibt, wie Idealism Prevails.

Kein Wunder, dass sich bei so viel negativer Berichterstattung die Bürger unseres nicht mehr ganz so seligen Landes mit Schusswaffen eindecken. Die Zahl der registrierten Waffen stieg zwischen 2018 und heuer um 40% von einer Million auf 1,4 Millionen.

Apropos Waffen: Auch im Konflikt zwischen Israel und der Hamas zeigen sich erste Zeichen der Entspannung: In einer viertägigen Waffenruhe soll es zu einem gegenseitigen Geisel- bzw. Gefangenenaustausch kommen; ebenso sollen in dieser Zeit Hilfsgüter in den Gazastreifen gebracht werden können. Doch auch hier ist jeder weitere Tag in diesem Wahnsinn ein schwarzer Tag für die Zivilbevölkerung beider Länder. Und die dem Kampf zugrunde liegende Problematik wird durch diese Aktion nicht gelöst. Hier müssen sich letztlich beide Seiten massiv bewegen; denn weder Terrorangriffe noch die Vernichtung der gegnerischen Bevölkerung sind konstruktive Wege zur Beilegung des seit Jahrzehnten andauernden Konflikts.

Kurz vor Fertigstellung meines Kommentars sind da plötzlich Tonbandaufnahmen aufgetaucht, in denen der kürzlich verstorbene Christian Pilnacek die ÖVP, namentlich Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka der versuchten Intervention in diversen Verfahren bezichtigt. Cui bono? Und: Warum gerade jetzt? Während die einen zurückweisen, hat sich die grüne Justizministerin dazu entschlossen, eine Untersuchungskommission einzurichten, um den Vorwürfen nachzugehen. Schwarze Tage für die Schwarzen womöglich.

In solchen befindet sich auch die Deutsche Fußballnationalmannschaft, nicht erst seit der 0:2-Niederlage gegen Österreich in einem Freundschaftsspiel am vergangenen Dienstag. In diesem Kalenderjahr wurden mehr Niederlagen als Siege eingefahren, zuletzt auch in Berlin in einem Match gegen die Türkei. Der neue Nationaltrainer Julian Nagelsmann muss sich schon nach 4 Spielen, in denen sein Team einen Sieg (3:1 gegen die USA), ein Unentschieden (2:2 gegen Mexiko) und die eben erwähnten beiden Niederlagen erreicht hat, mit zunehmender Kritik auseinandersetzen, was er nur ungern und eher schmallippig macht. 2023 ist nicht sein Jahr.

Der Sieg Österreichs war durchaus verdient, er erfolgte aber gegen eine taumelnde deutsche Truppe, die aus durchaus qualitativen Einzelspielern besteht, aber keinen Teamgeist versprüht. Daran wird in erster Linie zu arbeiten sein, wenn man bei der Heim-Europameisterschaft im kommenden Juni erfolgreich sein will. Und unsere Jungs sollten den Erfolg nicht zu hoch bewerten. Mit dem Deutschen Ralf Rangnick, der die Österreicher seit rund eineinhalb Jahren trainiert, sollte trotz zahlreicher medialer Jubelmeldungen die nötige Bodenhaftung garantiert sein.

Demnächst stehen die so genannten stillsten Tage des Jahres bevor, die auch jede Menge Licht bringen sollen. Tatsächlich werden sie nur so hell werden, wie wir sie zu gestalten in der Lage sind. Trotz der sich zum Jahresende immer wieder zusammenballenden Ereignisse habe ich beschlossen, meinen Wochenkommentar bis zum Jahresende auf 14-Tagesrhythmus umzustellen, um auch meiner Familie und mir die eine oder andere helle Stunde in der Vorweihnachtszeit zu gönnen. Aus Erfahrung weiß ich, wie sich Weihnachtsstress auf den gewünschten Weihnachtsfrieden auswirkt. Dem möchte ich auf diese Weise vorbeugen. Vielleicht finden ja auch Sie das Mittel ihrer Wahl, mit dem sie einer tatsächlich entspannten und fröhlichen Weihnachtszeit entgegengehen können. Ich wünsche Ihnen dafür das Allerbeste!

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