Die Neue Seidenstraße – Reaktionen

Wirtschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
18. 5. 2016
Veranstalter
Diplomatische Akademie Wien
Ort
Diplomatische Akademie Wien, Favoritenstr. 15a, 1040 Wien
Veranstaltungsart
Vortrag
Teilnehmer
Werner Fasslabend, Präsident, Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik
Alfred Gerstl, Institut für Ostasienwissenschaften, Uni Wien
Norbert Lacher, Offizier, Militärakademie
Nikolaus Scholik, Senior Advisor, Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik

Zwischen Begeisterung und Argwohn – Chinas Nachbarn

Das Bild Chinas in Asien ist ambivalent. In den letzten Jahren ist die Regierung bemüht, das Image im Ausland über Direktinvestitionen und diplomatischen Ausgleich zu verbessern – auch um das immer stärker werdende wirtschaftliche Übergewicht auszugleichen. Während Pakistan sich über die Infrastrukturmaßnahmen erfreut zeigt, brennen in Vietnam ab und an chinesische Fabriken.

Die Association of South East Asian Nations (kurz ASEAN) ist die wichtigste Wirtschaftsgemeinschaft Asiens. Sie umfaßt 620 Millionen Menschen. Das addierte BIP der zehn Mitgliedsstaaten ergibt 2.5 Billionen Dollar. Bei sich anbahnenden Konflikten in der Region versuchte die Gemeinschaft immer wieder, ausgleichend zu wirken. Mit der 2015 gegründeten ASEAN Economic Community wurde ein wichtiger integrativer Schritt gemacht: sie umfaßt neben wirtschaftlichen auch gesellschaftliche und sicherheitspolitische Themen. Letzere sind auch Schwerpunkt im ASEAN Regional Forum, dem weltweit größten Sicherheitsabkommen, an dem die USA und die EU sowie Russland beteiligt sind.

China ist zwar kein Vollmitglied, arbeitet aber über das ASEAN+3-Abkommen – das als Antwort auf die Asienkrise 1997/98 abgeschlossen wurde und an dem neben der Volksrepublik auch Japan und Südkorea teilnehmen – ebenso mit der Freihandelszone zusammen, wie über das 2010 unterzeichnete China ASEAN Free Trade Agreement.

China ist mittlerweile für alle südostasiatischen Staaten entweder wichtigster oder zweitwichtigster Handelspartner. Die Spannungen im südchinesischen Meer, die seit 2008/9 zunehmen, lassen das Mißtrauen der Anrainer gegenüber dem Riesenreich aber wieder ansteigen. Neben China haben auch die USA, Japan, Indien und Australien strategische Interessen in dieser Region.

Das Ziel der 2015 verabschiedeten Initiative Masterplan of ASEAN Connectivity  ist der Ausbau der Infrastruktur innerhalb und zwischen den asiatischen Ländern, zb der Engpaß zwischen Indien und Burma. Um die Projekte des Masterplans umzusetzen, sind Investitionen von 60 Milliarden Dollar pro Jahr notwendig. Dieser Plan paßt mit Chinas beschriebenen Vorstellungen sehr gut zusammen. Asien besitzt nur zwei große Frachthäfen, hier hilft die chinesische String of Pearls Initiative, in deren Zuge 47 Häfen weltweit ausgebaut werden sollen.

ASEAN-member-states
Mitglieder der unterschiedlichen ASEAN-Organisationen

Amerikas Antwort

Im Gegensatz zu Europa haben die Vereinigten Staaten die Zeichen der Zeit erkannt und ihre Außenpolitik teilweise dramatisch verändert. Die Aussöhnung mit dem Iran und Kuba passierte nicht von ungefähr, ebenso wenig der langsame Rückzug aus dem Nahen Osten*. Obamas Druck zum Abschluß des Trans-Pacific Partnership rührt – neben der Erwartung, daß sein Nachfolger (egal ob Trump oder Clinton) dieses Abkommen nicht unterzeichnen will – auch daher, um Chinas diplomatische und wirtschaftliche Expansion in Asien einzudämmen. Die rasante Entwicklung der AIIB hat die Amerikaner offensichtlich überrascht – vor allem, daß so viele europäische Verbündete mitmachen. Als Nichtmitglied (dem einzig namhaften neben Japan) können sie nur versuchen, über ihre Verbündeten (zB Großbritannien) Einfluß auszuüben. Die anfängliche Ablehung ist aber mittlerweile einer pragmatischen Akzeptanz gewichen. Obamas Besuch in Hiroshima ist jedenfalls als Zeichen zu verstehen, die Japaner als engste Verbündete in Asien weiter an sich zu binden.

Daß die USA von diesem eingeschlagenen Weg abgehen wird, sollte Trump gewählt werden, halten die Diskutanten für unwahrscheinlich. Jeder Präsident muß sich mit China auseinandersetzen und seine eigenen Befindlichkeiten (Iran-Deal etc) hintanstellen, denn das gros der amerikanischen Strategen ist von dieser Stoßrichtung überzeugt. Ebenso erwarten die Diskutanten in absehbarer Zeit keinen dritten Weltkrieg zwischen den beiden Mächten, da die USA und China wirtschaftlich massiv voneinander abhängig sind – China braucht den Absatzmarkt, und die USA benötigen einen potenten Gläubiger (China ist mit Abstand der größte Geldgeber). Manch einer spricht von Chinamerica.

*Oberst Norbert Lacher bezeichnete das Engagement der USA im Nahem Osten als einen der gröbsten Fehler amerikanischer Außenpolitik aller Zeiten. Die Zeit und die Ressourcen, die man dort aufgewendet hat, hätte man besser (auf friedlichem, diplomatischem und ökonomischem Weg) im Fernen Osten investiert.

China und die Regionalmächte

Russlands Verhältnis zu China ist ebenso zwiespältig wie das vieler Länder auf dem asiatischen Kontinent. Einerseits wurden die wirtschaftlichen Beziehungen immer mehr ausgebaut und vor allem auf dem Gebiet des militärischen Technologieexportes ist Russland Chinas erster und bester Lieferant. Andererseits erkennt die russische Staatsführung die demographische Entwicklung: das schrumpfende Russland Blick mit Sorge am Fluß Amur, der sibirischen Südgrenze, auf etwa hundert Millionen wartende Menschen, die nur allzu gerne die karg bewohnten Weiten Sibiriens (inklusive der massiven Rohstoffvorkommen) in Beschlag nehmen würden. Putins Warnung, auch ohne atomare Bedrohung möglicherweise atomare Sprengköpfe einzusetzen, war demnach (entgegen vieler Zeitungsberichte) nicht gegen die NATO gerichtet, sondern gegen China – so die Experten dieser Diskussionsrunde.

Die Rivalität zwischen Indien und China ist nicht mehr so heiß wie noch vor Jahren, auch wenn die Grenzstreitigkeiten noch nicht gelöst sind. Dennoch werden in Dehli die Bestrebungen des nördlichen Nachbarn mit den beiden direkten Nachbarn Pakistan und Burma mit Argusaugen verfolgt. Chinas wirtschaftliche Ausbreitung in alle Richtungen schränkt Indiens Spielraum ebenso wie die geographische Lage (Himalaya) stark ein. Indien selbst fehlt eine globale Handlungsstrategie, die Entscheidung ob der geo-ökonomische oder der Sicherheitsaspekt im Vordergrund stehen sollen, muß getroffen werden. Ebenso müssen die Beziehungen zu Afrika und zu den asiatischen Nachbarn sowie zu Russland intensiviert werden.

China und indien

Sowohl Russland, als auch Indien hinken der chinesischen Entwicklung hinterher, so die Experten. Beide haben eine schlechtere Ausgangslage (geographisch wie demographisch) und werden ob ihrer internen wie externen Probleme Chinas Aufstieg nicht aufhalten können.

Japans Bild in Südost-Asien ist mittlerweile wieder sehr positiv. Nach den Verheerungen des zweiten Weltkriegs hat Japan Reparationszahlungen geleistet und den diplomatischen Ausgleich mit den meisten Ländern angestrebt. Auch Japan ist wie China vom südchinesischen Meer als Haupttransportweg für Rohstoffe und Waren abhängig. Deshalb hat es die maritime Zusammenarbeit mit Australien, Indien, Vietnam und den Philippinen intensiviert. Die wirtschaftliche Konkurrenz zu China ist auf vielen Ebenen gegeben, zB im Schnellzuggeschäft.

Und was macht Europa ?

Laut den an der Diskussion beteiligten Experten hat Europa auf die Neue Seidenstraße bisher keine Antwort formuliert. Daß sich China massiv bei  Investitionsprojekten der EU beteiligt und die Zusammenarbeit im Rahmen der 16+1 Initiative massiv ausbaut, scheint (bis auf wenige Ausnahmen) keine besondere Reaktion in Brüssel und Europa hervorzurufen.

Die chinesische Initiative kann durchaus als neuer Impuls für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit gesehen werden, auch im Hinblick auf mehr Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten. Dafür bedarf es aber einer ausgereiften und weitreichenden Strategie auf allen Ebenen – vor allem auf der Gesamteuropäischen: als einzelner Nationalstaat wird man der wirtschaftlichen Macht Chinas in den nächsten Jahrzehnten (siehe zB die angesprochene demographische und BIP-Entwicklung) gar nichts entgegenzusetzen haben, wodurch man sich in eine äußerst schlechte Verhandlungsposition manövriert.

Szucsou, 2015. november 24. A Miniszterelnöki Sajtóiroda által közreadott képen Orbán Viktor miniszterelnök (j5) Kína és a kelet-közép-európai országok (KKE) állami vezetőinek csúcstalálkozóján a dél-kínai Szucsouban 2015. november 24-én. MTI Fotó: Miniszterelnöki Sajtóiroda/Szecsődi Balázs
16+1 Treffen im November 2015 im China

Zumindest Osteuropa scheint sich jedoch auf diesen Weg einzulassen, was für das Projekt Europäische Union langfristig das Ende bedeuten kann (nicht nur, aber auch aus diesem Grund). Doch manchem Nationalpolitiker ist das Hemd offensichtlich näher als der Rock, und die Milliarden aus dem Reich der Mitte sind kurzfristig zu verlockend.

Zum Ende dieser Serie lege ich dem Leser einen etwa 30-minütigen Videolink zu einer Analyse der chinesischen Lage durch zwei amerikanische Experten ans Herz:

https://www.youtube.com/watch?v=we-WWt_z7Yc

 

 

Credits

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