Majd Abboud – Der Krieg in Syrien, die Flüchtlingskrise und die Rolle Saudi-Arabiens

Gesellschaft

Seit 2015 dominieren die Themen Flüchtlinge, Migration, Integration, politischer & radikaler Islam die gesellschaftspolitischen Debatten in Deutschland und Österreich. Meist unversöhnlich stehen sich dabei verschiedene politische Weltanschauungen gegenüber, ein konstruktiver Dialog zu diesen Themen ist schwer, besonnene Stimmen sind selten zu hören und jene um die es geht, die Flüchtlinge selbst, melden sich nur selten zu Wort.

Der 2015 nach Deutschland geflüchtete syrische Zahnarzt Majd Abboud ist diesbezüglich eine Ausnahme, denn er hat im Jänner 2019 einen offenen Brief an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben in dem er u.a. die deutsche Flüchtlings-, Migrations-, Integrations- und Außenpolitik kritisiert hat und auch davor hat er sich bereits u.a. in der FAZ und im Cicero zu den Themen Flüchtlinge, Integration, Religion, politischer Islam und Toleranz geäußert.

Im Gespräch mit Paula P´Cay erzählt der 1975 geborene Syrer wie es aus seiner Sicht zum Bürgerkrieg in Syrien gekommen ist und er berichtet über seine persönlichen Erlebnisse, die er in Saudi-Arabien vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs in seiner Heimat gemacht hat, und welche Rolle Saudi-Arabien beim Bürgerkrieg in Syrien spielt(e). Majd Abboud erklärt die Rolle der Muslimbrüderschaft und schildert wie in Saudi-Arabien bei Gebeten gegen Christen, Aleviten, Schiiten und Ungläubige gehetzt wurde, ganz bewusst ein religiöser Konflikt geschürt wurde und dass er für seinen Widerspruch gegen diese Praxis eine Anzeige wegen Majestätsbeleidigung in Saudi-Arabien bekam und in weiterer Folge das Land deswegen verlassen musste.

Als er nach Syrien zurück kam war seine Zahnarztpraxis durch den Bürgerkrieg zerstört worden und alles was er sich erarbeitet hatte war verloren. Er musste wieder bei Null neu anfangen und versuchte sich eine neue Praxis aufzubauen, doch die Lebenssituation in Syrien war unerträglich, der Bürgerkrieg war verheerend, der Tod allgegenwärtig und der Aufbau einer neuen beruflichen Existenz damit unmöglich.

Die syrische Gesellschaft, die aus seiner Sicht in den Jahren vor dem Bürgerkrieg den Menschen gewisse – auch religiöse – Freiheiten ermöglicht hatte, hatte sich zuvor radikalisiert, die Säkularisierung war zurückgedrängt worden, die Bedeutung von Religion war immer weiter angestiegen und eine Zuordnung und Einordnung der Menschen nach Religionszugehörigkeit hatte zugenommen, der perfekte Nährboden für die darauf folgende Barberei.

Majd Abboud erzählt über die Wirren des Bürgerkriegs, die enormen Kollateralschäden und er berichtet, dass auch zahlreiche vom Westen unterstützte Rebellengruppen schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen und er gesteht, dass ihm – als er  noch in Syrien lebte – die Rolle Deutschlands bei diesem und anderen Kriegen nicht bewusst gewesen ist (zb. die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, finanzielle und logistische Unterstützung verschiedener Rebellengruppen in Syrien, die Rolle der Airbase Rammstein im Drohnenkrieg, ….).

2015 wurde ihm klar, dass er nicht mehr in Syrien bleiben kann und er entschloss sich alleine nach Europa zu fliehen. Aufgrund seiner guten Englischkenntnisse wollte er zuerst nach Großbritannien, doch es wurde ihm rasch klar, dass das nicht klappen würde.

Mit dem Flugzeug flog er in die Türkei und von dort ging es dann mit der Hilfe von Schleppern zusammen mit dutzenden anderen Flüchtlingen auf einem überfüllten Schlauchboot nach Griechenland, doch Piraten kaperten das Schlauchboot, nahmen den Motor des Bootes mit, die Holzpaddel zerbrachen und die Bootsflüchtlinge mussten mit den Händen weiter paddeln bis Sie ein griechisches Boot rettete und an Bord aufnahm. Von Griechenland ging es dann über die Balkanroute weiter nach Deutschland.

Befragt warum die Menschen vor allem nach Deutschland wollten erzählt er, dass in den arabischen Medien berichtet worden war, dass Deutschland Fachkräfte benötigen würde und die Flüchtlinge daher dringend gebraucht würden und dass es in Facebookgruppen leicht möglich war sich zu informieren wie man am besten nach Europa flüchten kann. Bei der Flucht selbst war es wichtig, dass er seine Religionszugehörigkeit nicht bekannt gibt, um Repressalien zu entgehen, und es wurde ihm dabei klar, dass die Zustände aufgrund derer er aus Syrien geflohen war ihn auch bei dieser Reise ins Ungewisse begleiteten…

In Deutschland angekommen lernte Majd Abboud verschiedene Flüchtlingslager kennen, er lobt die Qualität dieser Unterkünfte, dennoch kam es dort zu teils schweren Konflikten zwischen verschiedenen Gruppen von Flüchtlingen. Dabei musste er erneut feststellen, dass auch in den Flüchtlingslagern – so wie schon bei den Freitagsgebeten in Saudi-Arabien – teilweise gegen anders Gläubige gehetzt wurde.

Sein Asylantrag wurde relativ rasch genehmigt und für ihn war mit der Ankunft in Deutschland klar, dass er sein Leben so umstellt, dass er Deutsch sprechen „muss“, denn er wollte und will sich integrieren.

Majd Abboud begann sich ein neues Leben aufzubauen, zog nach Saarbrücken, lernte intensiv Deutsch und entschloss sich in der Folge seine Stimme zu erheben, denn für ihn ist Integration keine Einbahnstraße. So kritisiert er u. a. die Anspruchshaltung mancher Flüchtlinge, die diese damit begründen, dass Deutschland Zuwanderer ja brauchen würde, der deutschen Politik wirft er vor, dass diese die teils radikale islamische Mentalität verharmlost hätte.

Er hinterfragt warum die Sanktionen gegen die Menschen in Syrien immer noch aufrecht sind, da die Menschen darunter leiden würden und er kritisiert die Motive des Westens beim Bürgerkrieg in Syrien. Die Sichtweise in Europa, dass Assad der alleinige Schlächter wäre, ist für ihn zu hinterfragen und er fragt sich wie es dazu gekommen ist. Saudi-Arabien, Qatar, die USA und die EU würden die verschiedenen Rebellengruppen finanzieren und er erinnert daran, dass Syrien vor dem Krieg eben nicht mit Saudi-Arabien zu vergleichen gewesen wäre, da es in Syrien deutlich mehr säkulare Freiheiten vor dem Krieg gegeben habe.

Warum die Rolle Saudi-Arabiens bei den Kriegen in Syrien und im Jemen und warum das Leid der Bevölkerung in diesen Kriegen nicht aufrichtig thematisiert werden ist für ihn nicht verständlich. Er appelliert an den Westen keine regime change wars mehr zu führen, weist auf Tabuthemen wie die Zusammenarbeit zwischen westlichen Akteuren, der Muslimbrüderschaft und den politischen Islam hin und bedauert die enorme Bedeutung des internationalen Waffenhandels. In diesem Zusammenhang appelliert er an die deutsche Bundeskanzlerin Merkel die Waffenverkäufe Deutschlands an Saudi-Arabien und die aus Deutschland geführten Drohnenangriffe endlich zu beenden, damit nicht noch mehr Menschen in diesen Kriegen zu Tode kommen.

Weiterführende Links: https://www.meinanzeiger.de/gera/c-politik/frau-merkel-sie-haben-post_a90184

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/majd-abboud-kritisiert-radikale-muslime-und-wird-dafuer-bedroht-16195272.html

https://www.cicero.de/innenpolitik/asylpolitik-fluechtlinge-majd-abboud-merkel-afd-islam-terror-syrien

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Majd Abboud Wolfgang Müller CCBY SA 4.0
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